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bpt-Kongress 2023 in München wird vielen in Erinnerung bleiben

24.10.2023

Mit rund 2.000 Teilnehmenden verabschiedet sich der bpt im Jahr 2023 vom Kongressstandort München. Der Auftritt von Hubert Aiwanger beim get together in München sorgt für Diskussionen.

In München Riem hat vom 19. bis 21. Oktober 2023 der diesjährige bpt-Jahreskongress stattgefunden. Wie bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder am Freitag bekannt gab, was dies der letzte bpt-Kongress am Messesee in München. Aufgrund der stark gestiegenen Preise hat sich die Vertretung der praktizierenden Tierärzt:innen in Deutschland dazu entschlossen, Bayern den Rücken zu kehren und den im Zwei-Jahresrhythmus zu Hannover alternierenden Veranstaltungsort nach Wiesbaden zu verlegen. Erster Termin für den neuen Standort ist Herbst 2025.

Wie sich diese Entscheidung auf die Besucherzahlen auswirken wird, bleibt abzuwarten, hatte man doch das Gefühl, das die Teilnehmenden mit dem Standort recht zufrieden waren. Laut dem Veranstalter nahmen in diesem Jahr rund 2.000 Tierärzt:innen, Studierende, Ausstellende und TFAs an dem tierartenübergreifenden Kongress teil, der mit vielen interessanten Vorträgen, namhaften Vortragenden und einem thematisch sehr bunten Programm punktete.

TAppV-Novelle möglichst geräuschlos durchsetzen

Im Fokus der berufspolitischen Session stand in diesem Jahr die geplante Novelle der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten (TAppV). Ziel der Podiumsdiskussion war die Klärung der Fragen, was schief läuft im Studium und was die Praxis als zukünftiger Arbeitgeber aber auch die Studierenden von der TAppV-Novelle erwarten. Hier gingen die Meinungen des Diskutanten weit auseinander. Einigkeit bestand jedoch in den Punkten, die Inhalte vor allem im Vorklinischen Bereich zu entschlacken und ggf. auch Fächer zusammen zu legen, um mehr Raum für Ökonomie und Vermittlungskompetenzen und zum Verinnerlichen des Lernstoffs zu schaffen. Einer Änderung der „breiten Approbation“ in eine „eingeschränkte, spezialisierte Approbation“ wurde hingegen vor allem von universitärer Seite eine klare Absage erteilt.

Zudem kam durch die Äußerungen von Prof. Dr. Dr. Markus Schick, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft heraus, dass die geplanten Änderungen der TAppV bereits weit vorangeschritten sind, diese jedoch möglichst nicht sehr groß und gravierend ausfallen sollen, damit eine entsprechende Änderungen der TAppV möglichst geräuschlos und damit noch in dieser Legislaturperiode durchgesetzt werden könne.

Laute Entrüstung wegen geforderter Männerquote

Auch in dieser Podiumsdiskussion kam das momentan allgegenwärtige Thema Tierärztemangel auf, in diesem Fall war die recht hohe Drop out Quote ein Thema, die mit 20-25% beziffert wurde. Als einer der Gründe dafür wurde auch die nicht zielgerichtete und suboptimale Auswahl der Studierenden genannt sowie das geänderte Bewerbungsverfahren bei der Stiftung für Hochschulzulassung Dortmund. Seit dem Wintersemester 2020/2021 ist es möglich, sich gleichzeitige für Veterinärmedizin, Medizin, Pharmazie und Zahnmedizin zu bewerben.

Für Hubert Aiwanger (stellvertretender Ministerpräsident des Freistaats Bayern) liegt die Lösung u.a. in einer Männerquote für das Tiermedizinstudium. Dafür möchte er sich stark machen, wie er in seiner – den Anwesenden unangekündigten „Bierzelt“-Rede –  auf dem get together am Freitagabend den vielen verdutzten Anwesenden verriet. Dies stieß – vorsichtig formuliert – nicht auf Gegenliebe im Frauen-dominierten Berufsstand. Dies wurde auch akustisch vor Ort deutlich zum Ausdruck gebracht durch lautes und anhaltenden Buhen sowie einer nicht abebbenden Unruhe während der gesamten Rede.

v.l.n.r.: stellv. Ministerpräsident Bayern Hubert Aiwanger und bpt-Präsident Siegfried Moder

Ohne Frauen läuft in der Tiermedizin schon längst nichts mehr

Im Anschluss machten die Mitglieder des inzwischen zum Fachausschuss „Netzwerk Junger bpt“ aufgestiegenen ehemaligen Arbeitskreis auf dem Instagram-Account @jungerbpt ihre Meinung zur Rede deutlich: „Männerquote ist eine Idee des letzten Jahrhunderts und von Hubert Aiwanger – danke für nichts, es bleibt zu hoffen, dass er nicht Landwirtschaftsminister wird und für uns zuständig wird – und wenn doch, soll er sich warm anziehen.“
Den Post zierte ein Bild von versammelten Tierärztinnen mit gespanntem Bizeps. In den Kommentaren darunter schrieb die erste Vizepräsidentin des bpt, Dr. Petra Sindern: „Ohne Frauen läuft in der Tiermedizin schon längst nichts mehr, auch kein Notdienst. Es wäre schön gewesen, wenn Herr A. das klar gewürdigt hätte!“.

Andere Kommentatoren gingen weiter und stellten klar die Persona zur Frage, was mutmaßlich hierauf zielte: Aiwanger war zuletzt im Kontext eines antisemitischen Flugblattes bundesweit in Kritik geraten. Jüdische Gemeinden in Bayern sahen sich vor den Kopf gestoßen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Krieg im Nahen Osten) war Aiwanger also keine „intelligente Rednerwahl“.

Weitere Lösungsansätze, die Aiwanger in seiner Rede aufzählte, waren die Notwendigkeit von mehr Studienplätzen, eine gute Bezahlung und in diesem Zusammenhang der Erhalt der Gebührenordnung. Zudem erklärte er, sich für die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes einsetzen zu wollen. Dies war vermutlich auch der Grund für den bpt, diesem – vielerorts, aber scheinbar nicht überall, umstrittenen „Bayern-Politiker“ – eine Bühne zu geben.

Wie es dazu kam

Die Stellungnahme des bpt dazu lautet: „Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) hat als seine Hauptaufgabe die Interessenvertretung der praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte auf Bundes- und Landesebene. Um diese Aufgabe erfolgreich wahrnehmen zu können, ist ein kontinuierlicher Dialog mit Entscheidungsträgern aus allen politischen Parteien von entscheidender Bedeutung. […]Hubert Aiwanger, stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister des Freistaats Bayern, hatte sein Kommen angekündigt und kurzfristig um die Möglichkeit eines kurzen Grußworts gebeten. Der Inhalt dieses Grußworts war weder im Vorfeld abgestimmt noch uns zuvor bekannt. Insbesondere stieß seine Äußerung zum hohen Frauenanteil von über 80% unter den Tiermedizinstudierenden sowie die flapsige Erwähnung zur Einführung einer Männerquote auf Kontroversen. Diese Thematik wird bereits seit geraumer Zeit auch in tierärztlichen Kreisen diskutiert. Unmittelbar nach der Äußerung, noch auf der Bühne, stellte bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder die bpt-Position dagegen. Der bpt bedauere, dass dennoch Irritationen entstanden sind. Gleichzeitig arbeiten wir weiter intensiv daran, einen offenen Dialog mit Politikerinnen und Politikern aller Parteien zu führen, um als Anwalt der praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte die Bedürfnisse und Anliegen der Tierärzteschaft effektiv, ausgewogen und bestmöglich vertreten zu können“, begründete der bpt sein Vorgehen.

Aiwanger- Auftritt war Gesprächsthema Nummer 1

Der Auftritt Aiwangers sowie die Entscheidung, ihm im Rahmen eines Bundeskongresses eine Bühne zu bieten, noch dazu bei einem feierabendlichen get together, sorgte jedoch für viel Irritation und Diskussionsbedarf unter den Anwesenden. Die Meinungen reichten von „wer sind denn die beiden Männer auf der Bühne, warum werden die so ausgebuht“, über „naja, so ist eben Bayern“, „mir hat’s gründlich die Laune verdorben“ bis hin zu „mir reicht’s, ich gehe, mit dem möchte ich nicht von einem Buffet essen“. Auch am nächsten Tag war der Auftritt Aiwangers das Gesprächsthema Nummer Eins. Allerdings waren die Befragten am Samstag mehrheitlich stärker wegen des Frauen-Affronts Aiwangers erbost als wegen der mangelnden Sensibilität des Veranstalters bei der Rednerauswahl oder der erzwungenen Politisierung des get togehters.

Fazit

Fachlich ein sehr gelungener Abschiedskongress vom Standort München. Emotional seit langem mal wieder ein aufregender und bewegender bpt-Kongresse aufgrund lebhafter Diskussionen über Politisierung, einem fragwürdigen bayerischen Selbstverständnisses, mangelnder Sensibilität und fehlender Solidarität mit Israel aufgrund der gegenwärtigen Situation von Seiten eines akademischen Bundesverbands sowie des stattgefundenen Frauen-Bashings.

Veranstalter von fachbezogenen Veranstaltungen würden künftig gut beraten sein, politische Redner auf die offizielle Begrüßungs- oder Fachveranstaltung wie berufspolitische Diskussionen zu beschränken und solche nicht in den „Freizeitteil“ zu integrieren. Insbesondere in diesem Fall wäre – nicht zuletzt aufgrund des aktuellen Zeitgeschehens – mehr Feingefühl wünschenswert gewesen!