Bei der Maul- und Klauenseuche (MKS) handelt es sich um eine anzeigepflichtige Viruserkrankung, die durch ein Virus des Genus Aphtovirus der Familie Picornaviridae ausgelöst wird.
Es sind bislang sieben nicht kreuzreagierende Serotypen (A, O, C, SAT 1, SAT 2, SAT 3, Asia 1) bekannt. Für jeden
Serotyp existieren verschiedene Subtypen, wie z. B. O1, A22, usw.
Der Virustyp, der gerade in Großbritannien grassiert ist der hochinfektiöse pan-Asiatic O Typ. Tiere, die sich mit einem der Serotypen infiziert haben, besitzen, nachdem sie sich von den Krankheitssymptomen erholt haben, eine geringe oder keine
Immunität für die übrigen Serotypen.
Tenazität: Das Picornavirus besitzt eine geringe Tenazität gegen Strahlung, Wärme und Trockenheit. Mit herkömmlichen Desinfektionsmitteln kann das Virus zertstört werden. Dagegen ist die Überlebensfähigkeit bei Nässe und Temperaturen um den Gefrierpunkt oder darunter sehr hoch.
Das Virus ist für Klauentiere hoch
kontagiös und besitzt eine kurze
Inkubationszeit. Das ist der Grund für die sehr rasche Ausbreitung innerhalb von Populationen von Paarhufenr, wobei das Virus ungehindert von Rindern auf Schweine oder auf kleine Wiederkäuer und umgekehrt übergeht. Bei Schaf und Ziege verläuft die Krankheit meist milder als bei Rind und Schwein (s.u.).
Auch andere Tierarten und der Mensch sind für dieses Virus empfänglich, wobei der Grad der Ausprägung der Krankheitserscheinungen sehr unterschiedlich ist. Der Mensch erkrankt außerordentlich selten. Die Symptome sind Fieber, Mattigkeit und Bläschen an Händen, Füßen und im Mund-Rachen-Raum. Nach wenigen Tagen klingen die Symptome ab. Einhufer sind für MKS nicht empfänglich.
Als Virusträger ohne klinische Krankheitssymptome kommen vor allem Wildwiederkäuern eine hohe Bedeutung zu. Diese stellen ein Erregerreservoir dar, welches für die Weiterverbreitung von MKS und für die Erkrankung von landwirtschaftliche gehaltenen Paarhufern von grosser Bedeutung ist.
Die Seuche kann in zwei Formen eingeteilt werden, die milde und die bösartige Form.
Die Infektion der Tiere erfolgt
aerogen oder
oropharyngeal, also über die Schleimhäute des Nasenrachenraumes. Dadurch kommen als Vektoren sowohl infizierte Tiere als auch andere belebte und unbelebte Faktoren in Frage.
In der Eintrittspforte, der Pharynxschleimhaut, entstehen innerhalb weniger Stunden nur
histologisch nachweisbare herdförmige
Primäraphthen. In diesen vermehrt sich das Virus und es entstehen, im Zuge einer
Virämie, in ein bis vier Tagen die makroskopisch sichtbaren Sekundäraphthen an den entsprechenden
Prädilektionsstelle. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Blasenbildung ihren Höhepunkt erreicht, ist das Virus im Blut nicht mehr nachweisbar. Im Laufe der Virusvermehrung lösen sich die Zellen der unteren Hautschichten (Stratum spinosum) auf, und die darüberliegenden Zellschichten heben sich in Form einer Blase (
Aphthe) ab. das Stratum germinativum bleibt unversehrt. Die entstandenen Blasen platzen dann, entweder automatisch oder durch mechanische Einflüsse, und es tritt der nur noch vom Stratum basale bedeckte rote Papillarkörper zu Tage. Durch das Platzen mehrerer solcher Blasen und dem anschließenden Zusammenfließen kommt es zu dem charakteristischen landkartenartigen Aussehen der Erosionen. Nach ein bis zwei Tagen trocknen die Erosionen ab und sind mit einem gelblichen oder grau- weissem Exudat bedeckt. Mit Beginn der Stomatitis speicheln die betroffenen Tiere ("MKS-Bart") und schmatzen in eigenartiger Weise. Wegen der Schmerzen an den Füßen Trippeln, zuckendes Anheben der Füße.
Ohne das Angehen einer bakteriellen
Sekundärinfektion erfolgt in den meisten Fällen in etwa fünf Tagen eine
Restitutio ad integrum. An den betroffenen Hautstellen zeigt sich für ca. ein halbes Jahr lang noch eine
Leukoplakie, die anhand weisslicher Hautstellen erkennbar ist. Kommt es dagegen zu bakteriellen Sekundärinfektionen, entstehen
diphtheroid-nekrotische Prozesse, die nur unter Narbenbildung ausheilen.
Die Krankheit verläuft beim Rind als fieberhafte Erkrankung mit hoher
Morbidität aber nur geringer
Mortalität (2 - 50%). Das bedeutet, dasssehr viele Tiere erkranken, aber nur wenige sterben. Bei Schwein, Ziege und Schaf ist das Allgemeinbefinden in der Regel wenig gestört, meist haben die Tiere kein Fieber. Morbidität und Mortalität verhalten sich wie beim Rind.
Das Ausbrechen der Krankheit hat hohe wirtschaftliche Verluste zur Folge, insbesondere durch den hervorgerufenen Milchrückgang und das Auftreten von
Mastitiden beim Rind.
Aborte, Sterilitäten und Wachstumsverzögerungen bei erkrankten Tieren tun ihr übriges. Auch die veterinärbehördlichen Maßnahmen sind von bedeutendem finanziellen Ausmaß.
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Erosionen am Flotzmaul
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Die MKS ruft beim Rind charakteristische Krankheitssymptome hervor.
Pathogenese
Nach einer
Inkubationszeit von zwei bis sieben Tagen entwickeln sich bei der milden Form der MKS, die vor allem bei älteren und weniger gut genährten Tieren vorkommt, in der Mundschleimhaut einzelne oder multiple bis hühnereigrosse Blasen, die mit einer klaren oder gelblich- roten Flüssigkeit gefüllt sind.
Diese Phase der Erkrankung ist durch ein schlechtes Allgemeinbefinden und meist von Fieber begleitet.
Besonders häufig sind Blasen an der Zungenspitze lokalisiert, auf dem Zungenrücken, an den Zungenrändern, an der Zahnplatte, am Zahnfleisch und an der Lippen- und Backenschleimhaut.
Seltener sind die Aphthen am Flotzmaul, an der Nasenöffnungen und am harten Gaumen zu finden.
Neben den Veränderungen in der Mundschleimhaut kommt es auch zur
Aphthenbildung in der
Mukosa des Pansenpfeilers, wobei es hier nicht selten zu einer direkten Koagulationsnekrose der Epithelzellen kommt.
Häufig entwickeln sich nach der Virämie auch Erosionen in der Haut des Zwischenklauenspaltes, des Kronsaums, der Euterhaut und der Haut der Zitzen. Durch die Lösung der Lederhaut der Klauen kommt es nicht selten zum Ausschuhen.
Bei der bösartigen Form der MKS, die bei Neugeborenen, Jungtieren und besonders wohlgenährten Tieren vorkommt, kommt es zu einer nicht- eitrigen Myokarditis mit Todesfolge, wobei die Aphthenbildung meist unterbleibt.
Differentialdiagnose
Mucosal Disease, bösartiges Katarrhalfieber, Rinderpest, bovine Leukozyten- Adhäsions- Defizienz (BLAD), infektiöse bovine Rhinotracheitis (IBR), Stomatitis papulosa.
Bezüglich der Veränderungen im Zwischenklauenspalt: MD, Dermatitis digitalis, Mauke.
Auch beim Schwein ruft die MKS charakteristische Symptome hervor, die sich von denen beim Rind unterscheiden.
Die Inkubationszeit beim Schwein liegt zwischen ein und vier Tagen. In dieser Zeit entwickeln sich in der Mundschleimhaut die ersten Primäraphthen, in denen sich das Virus vermehrt. Der Virämie schließt sich die Bildung der Sekundäraphthen an Kronsaum und Sohle, bei der Sau auch an den Zitzen, an.
Weniger häufig ist die Rüsselscheibe und die Mundschleimhaut befallen. Die bösartige Form der MKS, die den Herzmuskel und die Skelttmuskulatur befällt, ist beim Schwein selten. Von der bösartigen Form sind überwiedend Saugferkel und Läufer betroffen.
Klinisch ergeben sich durch die Erosionen an den Klauen Bewegungsstörungen, die vom klammen Gang über Stützbeinlahmheit bis zum Festliegen der Tiere reichen können. Ansonsten ist das Allgemeinbefinden wenig gestört.
Nach der Genesung der Tiere kann als Spätfolge gelegentliches Ausschuhen beobachtet werden.
Ab dem fünften Tag nach der Infektion sind Serumantikörper im Blut nachweisbar.
Die Durchseuchungsimmunität gegenüber dem homologen Virustyp hält beim Schwein fünf- sieben Monate an.
Differentialdiagnose
Swine vesicular Disease, Stomatitis vesicularis infectiosa, vesikuläres Exanthem.
Die Veränderungen beim Schaf gleichen weitgehend denen des Rindes , nur sind die Blasen kleiner und vorzugsweise die Klauen betroffen. An den Klauen kommt es oft zu einer bakteriellen Sekundärinfektion, aufgrund derer der Verlauf meist ungünstig ist.
Differenzialdiagnose
Peste des petits ruminants (Pseudorinderpest), Bluetongue Disease (Blauzungenkrankheit)
Ziege
Die Krankheitserscheinungen gleichen denen des Schafes, allerdings treten bei der Ziege häufig auch ödematöse Schwellungen der Lippen- und Backenschleimhaut auf.
Differenzialdiagnose
Peste des petits ruminants (Pseudorinderpest)
Die Maul- und Klauenseuche (MKS) war die erste Krankheit bei Mensch und Tier, bei der 1898 ein Virus als Erreger nachgewiesen werden konnte. Die großen Seuchenausbrüche der MKS verursachten enorme wirtschaftliche Schäden.
1966/67 kam es zu einem Ausbruch in Großbritannien: Fast 2350 Gehöfte waren betroffen; über 430 000 Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine mussten getötet werden.
1997 erkrankten bei einem explosionsartigen Seuchenausbruch in Taiwan mehr als eine Million Schweine.
In Deutschland trat die MKS zuletzt 1982 (neue Bundesländer) bzw. 1988 (alte Bundesländer) auf.
Die Krankheit und der Verdacht sind anzeigepflichtig. Behandlungsversuche sind verboten. Alle Klauentiere des betroffenen Bestandes werden unter strengen Sicherheitsmaßnahmen getötet und unschädlich beseitigt (VO zum Schutz gegen die MKS i.d.F. d. Bek. v. 1.2.1994). In manchen Ländern der EU werden umfangreiche Vorkehrungen für den Ernstfall (= Ausbruch von MKS) getroffen, z.B. in Form von realistischen Übungen. In Bayern, das aufgrund seiner geographischen Lage als besonders gefährdet angesehen wird, existiert ein Notfallplan. Das Weltreferenzlabor für MKS ist in Pirbright, GB.
Verordnung zum Schutz gegen MKS
(s. Gesetze)
Vorschriften der EU
(s. Gesetze)
Rechtstexte BMVEL
Prophylaxe
In der BRD erfolgte bis 31.3.1991 eine jährliche Impfung mit inaktivierter trivalenter Vakzine. Seither ist die Impfung in der EU verboten. Es befindet sich kein Impfstoff mehr im Handel. Für Notfälle ist jedoch auf der Insel Riems eine Impfstoffbank eingerichtet worden. Auch das Pharmazieunternehmen "Bayer AG" unterhält eine Impfstoffreservebank. Dort lagern für die 12 bekannten Serotypen jeweils 100.000 Dosen zum sofortigen Gebrauch. Innerhalb einer Woche können eine Millionen Einheiten hergestellt werden. Es wird stetig weiter an der Fortentwicklung der Vakzinen gearbeitet.