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Qualitätsmanagement (QM) im Stall

Qulitätsmanagement durch Transparenz und Kontrollen

Die jüngsten Krisen und Skandale in der landwirtschaftlichen Produktion haben den Verbraucher stark verunsichert und dazu geführt, dass sein Vertrauen in vom Tier stammende Lebensmittel nachhaltig gestört ist.

Es muß das Ziel aller Beteiligten sein, wieder eine solide Vertrauensbasis und eine durchgehende Glaubwürdigkeit für den Verbraucher aufzubauen. Ergebnisse aus der Marktforschung zeigen, dass dafür insbesondere Transparenz und Kontrollen der Produktionsprozesse wichtig sind.

QM im Stall soll:
- Materialien zum Thema Qualitätssicherung / Qualitätsmanagement und Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung (ITB) sammeln
- Diskussionsbeiträge liefern
- Zur Diskussion anregen
- Transparent machen, dass die Tierärzteschaft sich intensiv und offen mit dieser Herausforderung beschäftigt.

Dabei geht es um tierärztliche Kompetenz, um Kontrolle und um Kommunikation.
Meinungen, Kommentare und andere Beiträge von Ihnen werden wir an dieser Stelle gerne veröffentlichen und zur Diskussion stellen. Für Einsendungen nutzen Sie bitte info@vetion.de.

Wo liegen die Herausforderungen für die Nutztiermedizin?

Wir als Tierärzte, insbesondere als niedergelassene Nutztierpraktiker, sollten uns bei dieser Gelegenheit fragen, wo die Herausforderungen für die Nutztiermedizin liegen. Ein paar Anregungen:

1. Die Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung (ITB) flächendeckend umzusetzen.

2. Das Umsetzungsproblem hinsichtlich der ITB aufzulösen. Landwirte und Tierärzte haben gleichermaßen erkannt, dass Vorbeugen besser ist als Heilen. Dennoch wird immer wieder bemängelt, dass Landwirte für eine tierärztliche Bestandsbetreuung nicht bezahlen wollten und Tierärzte diese Dienstleistung nicht erbringen könnten. Es ist allerdings eine Tatsache, daß die meisten Betriebe, die bereits eine ITB umsetzen, weniger Arzneimittel einsetzen, gesündere Tiere haben und wirtschaftlicher Arbeiten.

3. Eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation aufzubauen für alle die Nahrungsmittelqualität beeinflussenden Faktoren (u.a. verwendete Futtermittel, eingesetzte Tierarzneimittel).

4. Dem Verbraucher ist das für Verbraucherschutz und Tierschutz überlegene Konzept einer Integrierten Tierärztliche Bestandsbetreuung (ITB)unbekannt. Deshalb müssen Tiermedizin und Tierproduktion gemeinsam das Prinzip einer umfassenden Vorbeuge mit dem Ziel Verbraucherschutz und Tierschutz massiv kommunizieren.

Expertenmeinungen

Der Verbraucherschutz hat mit der Umbildung des Landwirtschaftsministeriums zu einem "Verbraucherschutzsministerium" eine völlig neue Dimension in Deutschland erlangt.
Derartige gesellschaftliche Umwälzungen lösen bei den Betroffenen in der Regel verständlicherweise zunächst Berührungs- oder sogar Existenzängste aus.
Allerdings bietet die "Agrarwende" langfristig auch Chancen für die Tierproduktion und Tiermedizin (Heuwieser 2000).

Vetion.de hat Tierärzten, Produzenten und Wissenschaftlern die brennensten Fragen gestellt:

1. Welche Rolle spielt der Tierarzt in Qualitätssicherungssystemen in der Zukunft?

2. Welche Anforderungen sind an die Landwirte, welche an die bestandsbetreuenden Tierärzte der Zukunft zu stellen ?

3. Was ist die grösste Herausforderung für Qualitätssicherungssysteme ?

Damit sollte ein Beitrag geleistet werden, die Rolle der Tiermedizin in Qualitätssicherungssystemen mit integrierter tierärztlicher Bestandsbetreuung (ITB) zu definieren und zur Produktsicherheit von Lebensmitteln und zu tiergerechten Haltungsformen beizutragen.


Prof. Dr. T. Richter, FH Nürtingen, Vorsitz Fachgruppe Tierschutz
Wo sehen Sie die Rolle des Tierarztes in Qualitätssicherungssysteme mit integrierter tierärztlicher Bestandsbetreuung in der Zukunft ?

Die wichtigste Aufgabe des praktizierenden Tierarztes (PT) sollte die Prophylaxe sein. Deshalb muss der PT bei der Festlegung der HACCP bereits mit eingebunden werden. Zu den CCP müssen je nach Betriebszweig auch mikrobiologische und parasitologische, ggfs. auch serologische Untersuchungen z.B. von Kot-, Futter-, Blutproben gehören, die von Labortierärzten zu untersuchen sind. Das Material für diese Untersuchungen ist vom PT oder nach seiner Anweisung zu nehmen. Als Garant für die Einhaltung der versprochenen Qualitätsstandards sind amtliche, vorzugsweise beamtete Tierärzte in Form einer stichprobenweisen Überwachung einzubeziehen.
Die kurative Tätigkeit sollte durch die QS-Systeme möglichst überflüssig werden, was aber natürlich nie ganz gelingen wird.

Welche Anforderungen sind an die Landwirte, welche an die bestandsbetreuenden Tierärzte der Zukunft zu stellen ?

Viele Landwirte sind auch heute noch des Lesen und Schreibens kaum mächtig, andere sind hochintelligent und bestens ausgebildet. Eine flächendeckende Einführung von QS-Systemen erscheint deshalb derzeit noch Illusion. Auf jeden Fall müssen die Verfahren für den Landwirt so bedienerfreundlich gestaltet sein (mindestens digitalisierte Datenerfassung, Datenverarbeitung über spezielle, noch zu schreibende PC-Programme), dass auch weniger gute Landwirte damit arbeiten können. Die Tierärzte müssen mit den Prinzipien des HACCP vertraut sein und in der Prophylaxe mehr wirtschaftlichen Erfolg sehen, als in der Therapie.

Was ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung für durchgehende Qualitätssicherungssysteme in Ihrem Bereich ?

Das Beharrungsvermögen des menschlichen Geistes.

Qualitätssicherungssysteme mit integrierter tierärztlicher Bestandsbetreuung können wichtige Beiträge zum Tierschutz und zu einer "tiergerechten Haltung" leisten. Wie können derartige, nicht primär wirtschaftliche Nutzenaspekte in Zukunft eine höhere Priorität bekommen ?

Investitionen materieller, zeitlicher oder geistiger Art in Tierschutz werden sich nur durchsetzen, wenn sie auch wirtschaftlich interessant sind.
Eine Labelproduktion, so tierfreundlich sie auch immer sein mag, bringt für die große Masse der gehaltenen Tiere gar nichts. Anstatt sich in die Ausarbeitung und Überwachung von immer ausgefeilteren Labels für kleine Marktsegmente zu verlieren, sollte sich die landwirtschaftsbezogene Wissenschaft und Verwaltung und die landwirtschaftliche Praxis auf die Untersuchung, Analyse Verbesserung und Umsetzung von Haltungsverfahren konzentrieren, die auch für die Produktion zu "normalen" Preisen geeignet sind und dennoch für die Tiere etwas bringen. Derartiges gibt es bereits, ich erinnere an das Nürtinger System zur Schweinehaltung, dass mein Kollege Schwarting vorantreibt und an den Nürtinger Freiluftstall für Milchkühe, der aus meiner Arbeitsgruppe stammt.

Welche Rolle kann der Tierarzt dabei spielen ?

Tierärzte können die gleiche Rolle spielen, wie unter Frage 1 dargelegt. Der praktische Tierarzt kann durch eine Mitarbeit bei der Erstellung und Durchführung von HACCP-Konzepten (zusätzlich zur nach wie vor notwendigen kurativen Tätigkeit) beitragen, Labortierärzte bei der Untersuchung von Proben - vom Mist bis zur Wurst - und amtliche, vorzugsweise beamtete TÄ bei der Überwachung.
TÄ in der Wissenschaft können ihr bescheidenes Scherflein in ihren jeweiligen Fachgebieten ebenfalls beisteuern.

Bezüglich der TÄ meine ich, dass zwei wichtige Neudenkungsprozesse notwendig sind:
1. sollte der zum Teil erkennbare "TÄ-Chauvinismus" überwunden und viel mehr interdisziplinär gearbeitet werden (z.B. durch Einbeziehung von Betriebwirten, Volkswirten und Juristen bei entsprechenden Problemen).
2. sollten wir von der kurativen Tätigkeit zur Prophylaxe übergehen, leider ein Widerspruch zu den wirtschaftlichen Interessen der PT, da mit der flächendeckenden Einführung vernünftiger Tierhaltungs- und v.a. Managementverfahren die Zahl der behandlungsbedürftigen Tiere drastisch zurückgehen dürfte. Für diesen Interessenskonflikt bei den PT sehe ich bisher keine Lösung, hier müsste intensiv nachgedacht werden.


Prof. Matthes, Biopark e.V.

Wo sehen Sie die Rolle des Tierarztes in Qualitätssicherungssysteme mit integrierter tierärztlicher Bestandsbetreuung in der Zukunft ?

Der Tierarztes muss seine Behandlungen genau nach den Richtlinien des Bioparks und der Siegelanforderungen vornehmen.

Welche Anforderungen sind an die Landwirte, welche an die bestandsbetreuenden Tierärzte der Zukunft zu stellen ?

Anforderungen an die Landwirte: Jede Behandlung und jedes Medikament müssen in einem Stallbuch dokumentiert werden. Der Vertragstierarzt ist einzusetzen.

Was ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung für durchgehende Qualitätssicherungssysteme in Ihrem Bereich ?

Einhaltung der Biopark Richtlinien auf allen Gebieten.

Welche Aufgaben hat der Tierarzt im Biopark Programm ?

Jeder Betrieb muss im Kontrollvertrag mit seiner Kontrollstelle einen Vertragstierarzt benennen, der über die Richtlinien des Bioparks belehrt worden ist.
Der Tierarzt hat die Einhaltung der Richtlinien zu gewahrleisten. Der Landwirt haftet aber für die Einhaltung.


Dr. med. vet. H. Becker, praktizierender Tierarzt

Wo sehen Sie die Rolle des Tierarztes in Qualitätssicherungssysteme mit integrierter tierärztlicher Bestandsbetreuung in der Zukunft ?

Die Rolle des Tierarztes in Qualitätssicherungssystemen muss eine tragende Säule sein, die nicht ausgehebelt werden darf. In dem o.a. Projekt ist sie auch sicher verankert. Grundlage tierärztlicher Arbeit sollte sein: Ein Betreuungsvertrag, der auch im Sinne des Wortes von beiden Seiten ausgefüllt wird und nicht nur zur Absicherung der Arzneimittelversorgung dient.
Dazu gehören ein Betreungsplan mit fest umrissenen Aufgaben und regelmässige über das nach AMG vorgeschriebene Mass hinausgehende Bestandsbesuche. Gesundheitsvorsorge geht vor Therapie. Notfallversorgung muss sicher gestellt sein. Der Einsatz von Stoffen mit pharmakologischer Wirkung ist auf das unerlässlich Mass zu reduzieren und zu dokumentieren.
Der integrierte Tierarzt hat nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen überwiegend Aufgaben in der Diagnose von leistungsmindernden Gesundheitsgefährdungen der Nutztiere und Verbraucherrisiken zu übernehmen. Diese Rolle kann er nur wahrnehmen, wenn er durch nachweisbare Fort-und Weiterbildung auf dem aktuellen Stand ist (Pflichtfortbildung, Eigenqualifizierung).

Welche Anforderungen sind an die Landwirte, welche an die bestandsbetreuenden Tierärzte der Zukunft zu stellen ?

Der Landwirt muss Gesundheitsgefährdung einschätzen und ihre ökonomische Bedeutung bewerten können.
Er muss den Tierarzt nicht als Kostenfaktor, sondern als Subunternehmer sehen, der ihm hilft, Geld zu verdienen.
Er muss Bereitschaft signalisieren, an dem Istzustand etwas verbessern zu wollen und Vorschläge umsetzen zu können.
Er muss begreifen, dass nur ein vom Verbraucher als sicher eingestuftes Produkt dauerhaft Marktchancen hat.
Er muss Diziplin zeigen in der täglichen Dokumentation von qualitätfördenden- und beeinträchtigenden Massnahmen. Der Tierarzt muss ökonomische Zusammenhänge seiner Massnahmen plausibel machen können.
Er muss strukturelle Möglichkeiten zur Verbesserung des Gesundheitsstatus einer Herde kennen und anbieten können.
Er muss planbar handeln und gemeinsame Ziele vereinbaren. Dabei sollte Schwerpunkt seiner Arbeit die Diagnostik und die Vermeidung von Arzneimitteleinsatz sein.

Was ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung für durchgehende Qualitätssicherungssysteme in Ihrem Bereich ?

Die grösste Herausforderung für mich ist, das neue Verständnis unserer tierärztlichen Aufgaben dem Landwirt und dem Verbraucher zu erklären und umzusetzen. Das Berufsbild Tierarzt im Nutztierbereich muss dem Verbraucher neu definiert werden.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der ITB und GVP ?

Ich arbeite sehr eng mit der Westfleisch zusammen, die ein integriertes tierärtzliches Qualitätsmanagement im Bereich der Fleischproduktion anstrebt und betreibt. Kontakte bestehen weiterhin zu der holländischen Gesellschaft "Kettenqualität Milch" durch die tierärztliche Betreuung mehrerer deutscher Lieferanten. Die TÄK Westf. Lippe hat Richtlinien für den GVP Status erarbeitet und mir für die o.a. Tätigkeit bescheinigt.


Prof. Seufert, Universität Giessen

Wo sehen Sie die Rolle des Tierarztes in Qualitätssicherungssysteme mit integrierter tierärztlicher Bestandsbetreuung in der Zukunft?

Zuvor müssten hierzu genaue Definitionen zu Qualitätssicherungssystemen und ihrem detailliertem Aufbau vorliegen. Diese Qualitätssicherungssysteme müssten dann in konstruktiver Partnerschaft mit den jeweiligen landwirtschaftlichen Unternehmen betrieben werden. Zu Beginn müssten wohl Hilfestellungen für die praktische Umsetzung bereit gehalten werden. Wie auch dem Landwirt selbst, kämen dem Veterinärmediziner die Kontrollarbeit und Dokumentationen zu. Denkbar wäre die Unterteilung von Produktionsabschnitten nach dem Programm von HACCP.

Welche Anforderungen sind an die Landwirte, welche an die bestandsbetreuenden Tierärzte der Zukunft zu stellen?

Landwirte benötigen, wie schon bisher, beste Ausbildung und dazu die reale Verinnerlichung der Aufgabe qualitätsorientiert zu produzieren im Sinne einer Produktsicherheit und ordnungsgemäßer Landwirtschaft. Der Bezugspunkt muss vom Produkt zur Kundenzufriedenheit verlagert werden. Landwirte müssten Vorgaben aus Qualitätssicherungssystemen ohne wenn und aber akzeptieren.
Der bestandsbetreuende Tierarzt müsste ein echter kollegialer Partner, d.h. auch kundenorientiert sein und die landwirtschaftlichen Aufgaben ebenso verinnerlicht haben.

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung für durchgehende Qualitätssicherungssysteme in Ihrem Bereich?

Mein Bereich: Betriebsgebäudesysteme, -haltungsverfahren, detaillierte Technik - Management. Die angesprochenen Qualitätssicherungssysteme müssten gemäß HACCP in diesen Bereich praktisch und kontrollierbar eingezogen sein. In Kenntnis rationaler Führungsgrößen (Zielgrößen) ließe sich dann ein klassischer Regelkreis aufbauen mit Kontrolle von Regelgrößen und schnellstmöglicher Herstellung von Stellgrößen im Sinne der Führungsgrößen. Man benötigt dazu praktisch umsetzbare Führungsgrößen, die aber EU-weit in Form von Haltungssystemen anerkannt sein müssten. Gemäß der Umsetzung der IVU wäre hierbei an BVT (Best Verfügbare Techniken) zu denken.

Welche Bedeutung hat eine tiergerechte Haltung für Qualitätssicherungssysteme und wie schätzen Sie die Rolle des Tierarztes dabei ein? Welche Qualifikationen sollte er idealerweise besitzen?

Zu den Qualitätssicherungssystemen müsste am Besten dynamisch unterlegt die Qualtität selbst mit definiert sein. Danach ließe sich feststellen, welche Einflüsse eine tiergerechte Haltung oder eine nicht tiergerechte Haltung auf die Qualität und ihre Sicherungssysteme haben kann. Der Tierarzt wäre wiederum der begleitende Partner und managementunterstützende Zusatzexperte. Über die normale Qualifikation hinaus müsste dieser Veterinärmediziner umfassend zu aktueller tierischer Produktion, einschließlich des Tierverhaltens informiert sein.


Herr M. Greiner, Marktforscher

Die Ergebnisse der von KOMPASS im Auftrag der DLG durchgeführten Studie erlauben es leider nicht, die von Ihnen genannten Fragen zu beantworten.
Die tierärztliche Bestandsbetreuung, als Bestandteil im Gesamtprozeß der Fleischproduktion, ist dem Verbraucher nur rudimentär bekannt, wurde in der Studie aber auch nicht explizit untersucht.

Eine Erklärung für die geringe Bekanntheit der tierärztlichen Bestandsbetreuung liegt u.a.sicherlich in deren insgesamt geringen Medienpräsenz. Aufgrund der geringen Bewusstseinspräsenz spielt der Tierarzt bzw. die tierärztliche Betreuung bei den vom Verbraucher erwarteten Maßnahmen zur Qualitätssicherung keine oder nur eine geringe Bedeutung.
Allgemein gewünscht wird ein maßvoller und gezielter Einsatz von Medikamenten,
- nur bei Erkrankung (nicht prophylaktisch)
- nur Behandlung des erkrankten Tieres (nicht des gesamten Bestandes)
- kein Einsatz von Leistungsförderern.


Dipl. Ing. agr. Jörg Bauer, Vorsitzender "Integrierte Schweineproduktion Nordhessen w.V." Schweineproduzent

Wo sehen Sie die Rolle des Tierarztes in Qualitätssicherungssysteme mit integrierter tierärztlicher Bestandsbetreuung in der Zukunft ?

Die tierärztlichen Aufgaben werden sich weiter vom schlichten"Medikamentenverkäufer" hin zum gut ausgebildeten Fachtierarzt und Bestandsbetreuer entwickeln. Übergeordnet muss es eine zentrale Kontrollstelle (vergleichbar mit dem TÜV beim PKW) geben, die diese fachlich hochqualifizierten Tierärtze kontrolliert. Diese Kontrollstelle muß unabhängig sein (nicht aber zwangsläufig "verbeamtet").

Welche Anforderungen sind an die Landwirte, welche an die bestandsbetreuenden Tierärzte der Zukunft zu stellen ?

Die fachliche Qualifikation der Landwirte hat sich in den letzten Jahren stark verbessert. Dies belegen auch die Statistiken. Dort wo früher ungelernte, berufsfremde oder auch Landwirte mit landwirtschaftlicher Lehre den Hof führten, sind heute zumeist Agrartechniker , Landwirtschaftsmeister oder Dipl.-Ing.agr. (FH oder Uni) Betriebsleiter.
Soll eine Bestandsbetreuung durch den Tierarzt etwas bringen, muss die Qualifikation des Tierarztes ebenfalls sehr hoch sein. Dies hat zur Folge, daß zukünftig weniger "Allgemeinmediziner" und mehr Spezialisten gebraucht werden. Die berufliche Weiterbildung der Tierärzte muss noch stärker als bisher gefordert und umgesetzt werden.

Was ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung für durchgehende Qualitätssicherungssysteme in Ihrem Bereich ?

Hier sind mehrere Dinge zu nennen: a) Die Unmenge an anfallenden Daten zu erheben und auszuwerten
b) Die Frage der gerechten Verteilung der Kosten
c) Die Frage, ob Qualitätssicherungssysteme in unserem zum Teil recht klein strukturierten Land nicht eine enorme Produktionskostensteigerung bedeuten würden- und dies einen "schleichenden" Marktverlust zur Folge hätte
d) Ist der Verbraucher bereit, hierfür mehr Geld auszugeben, etc.

Es sollte also ein System sein, welches die Produktionskosten am Standort Deutschland nicht enorm in die Höhe schnellen läßt, trotzdem aber dem Verbraucher die Sicherheit gibt, die er haben möchte (Stichwort Produktsicherheit).

Bitte nennen Sie einige spezifische Anforderungen an den Tierarzt bei der Umsetzung von Qualitätssicherungssystemen im Schweinebereich.

Der bestandsbetreuende Tierarzt muß teamfähig sein, da er die Beratung zum Beispiel zusammen mit einem Stallbauberater, einem Futtermittelberater oder einem produktionstechnischen Berater duchführen muss. Dies hat den Vorteil, daß jeder Spezialist auf seinem Sektor sein/werden oder bleiben kann und die Schnittmengen der Aufgabengebiete zusammen erörtert werden können.
Wichtig ist, daß der Tierarzt auf ein schlagkräftiges Labor zurückgreifen kann.
Es ist sicher nicht notwendig, daß der Tierarzt alle Behandlungen und Impfungen in den Betrieben selbst durchführt (Stichwort Dispensierrecht) - es wäre vielmehr fatal aus tierseuchenrechtlichen - und produktionskostentechnischen Gründen. Die Dokumentation aller Maßnahmen ist entscheident. Sie sollte so effektiv wie möglich durchgeführt - und von unabhängiger Seite kontrolliert werden.
Als letzter wichtiger Punkt wäre hier der Informationsaustausch der Tierärzte/Landwirte in den vor- und nachgelagerten Bereichen zu nennen. Die schnelle Informationsweiterleitung, z.B. bei einem Krankheitsproblem im Jungsauenvermehrungsbetrieb an den Ferkelerzeuger, Ferkelaufzüchter und Mäster muss gewährleistet werden (Stichwort "Kommunikation"). Dies ist sehr gut in "Integrierten Produktionssystemen" möglich.


Dr. Tobias Held, Rinderpraktiker und BPT

Warum ist die Einbindung des Tierarztes in Qualitätssicherungssysteme wichtig?

Nach dem Codex Alimentarius sind in allen Bereichen der Lebensmittelherstellung Eigenkontrollsysteme zu implementieren. Diesen WTO - Vorgaben folgt die Kommission konsequenterweise in ihrer Gesetzgebung, die einer nationalen Umsetzung bedarf. Wir müssen also langfristig rechnen, dass in Deutschland alle Beteiligten an der Lebensmittelkette vom Feld bis auf den Tisch dementsprechende Qualitätssicherungssysteme (QSS) einzurichten haben. Dieser Weg ist unumkehrbar.

QSS stellen keinen Selbstzweck dar, sie sollen den Verbraucher vor gesundheitlichen Gefahren bei der Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln und Täuschungen schützen. Die Gefährdungen sind vielfältig und ändern sich ständig. Deshalb ist es unerlässlich, dass auf allen Stufen der Zulieferung, der Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln der Unternehmer (in der Primärproduktion ist das der Landwirt) wissenschaftlichen Sachverstand zur Verfügung hat. Da er in den wenigsten Fällen diesem Anspruch selbst genügen wird, ist er angewiesen, sein QSS zusammen mit Experten einzurichten und zu betreiben. Diese Experten erfüllen in gewisser weise eine Lotsenfunktion, in dem sie dem Unternehmer helfen, mögliche Gefahren zu umschiffen. Im Falle der Produktion von Lebensmitteln tierischer Herkunft wird das in der Regel ein vom ihm beauftragter Tierarzt/Tierärztin sein.

Welche Qualifikationen sollte er idealerweise besitzen?

Tierärzten sind umfassend auf den Gebieten der Tiergesundheit, Krankheitsvorbeugung, Pharmakologie und Toxikologie, Fleisch- und Lebensmittelhygiene etc. ausgebildet. Sie sind nicht nur für Teilaspekte der Herstellung von Lebensmitteln tierischer Herkunft ausgebildet, sondern sollten ganzheitlich die Gefahrensituationen auf jeder Ebene des Herstellungsprozesses beurteilen können. Um allerdings als kompetenter Experte bei der Implementierung von QSS auftreten zu können, erscheint es notwendig, dass er sich weiter- und fortgebildet und über eine Reihe von Jahren auf seinem Gebiet praktische Erfahrung gewonnen hat. Das Hochschulstudium hat durch seine mehr theoretische Ausbildung die Grundlage dafür geschaffen.

Konkret gesagt, sollte er eine entsprechende tierärztliche Zusatzbezeichnung besitzen (z.B. Tierärztliche Bestandsbetreuung Rind) und den Status eines Qualitätsbeauftragten oder -managers bei einer anerkannten Ausbildungsstelle erworben haben.

bpt-Positionspapier Einleitung

Einleitung
Die jüngsten Krisen in der landwirtschaftlichen Produktion vom Tier stammender Nahrungsmittel - BSE, Tierarzneimittelskandal, MKS - stellen nur das vorläufige Ende einer Entwicklung dar, die der Bundesverband praktizierender Tierärzte e. V.(bpt) bereits seit Jahren kritisch begleitet. Jedoch hat sich der zahlenmäßig kleine Berufsstand der Tierärzte selten das politische Gehör verschaffen können, das Tierärztin und Tierarzt kraft ihrer Kompetenz bezüglich der Produktionsprozesse bei der Erzeugung tierischer Nahrungsmittel zukommen sollte.

Der bpt wendet sich unter geänderten Vorzeichen an das jetzige Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, um erneut seine konstruktive Mitwirkung, diesmal in der Konzeption und Umsetzung der Agrarwende anzubieten.

Dafür hat der bpt einen umfassenden Lösungsansatz als Positionspapier entwickelt, der die Belange des vorbeugenden Verbraucherschutzes, der ökologischen Wirtschaftsweise und des Tierschutzes in allen Teilbereichen, in die der Tierarzt als integraler Bestandteil Produktionskette eingebunden ist, berücksichtigt.

Engagierte Kollegen und aktive Mitglieder der Integrierten Tierärztlichen Bestandsbetreuung (ITB) Rind trafen sich am 12.05.2001 in Kassel (Kasseltreffen) und veröffentlichten im Anschluss folgende kritisch- konstruktive Stellungnahme zum Positionspapier des bpt.

Hierzu zehn Thesen von Prof. Th. Blaha, Epidemiologe an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, in Anlehnung an die Ergebnisse eines sehr kunstruktiven Treffens einiger "Aktiver" am 22.06.2001 in Hannover. Inhalt der Thesen ist:

a) Bestandsaufnahme und Notewendigkeit zum Handeln
b) Wertung der zwei "Papiere", und
c) Vorschlag fuer das weitere Vorgehen, um als Tierärzteschaft nicht aussen vor" gelassen zu werden.

Unter anderem nahmen an dem Treffen teil: Ch. Wenderdel, M. Hoedemaker, K. Loehmann-Mueller, V. Kostka, Ch. Pahlitzsch, R. Mansfeld, J. Schulte-Wuelwer, H. Bossow, B. Iben, Kollege Roers und Th. Blaha.

bpt-Positionspapier

Positionspapier des BPT zu den Grundsätzen einer Neuausrichtung der vom Tier stammenden Nahrungsmittel

Der Bundesverband Praktischer Tierärzte e. V. hat einen umfassenden Lösungsansatz entwickelt, der die Belange des vorbeugenden Verbraucherschutzes, der ökologischen Wirtschaftsweise und des Tierschutzes in allen Teilbereichen, in die der Tierarzt als integraler Bestandteil Produktionskette eingebunden ist, berücksichtigt. Dieser Vorschlag orientiert sich an integrierten Produktionssystemen, die in anderen europäischen Ländern bereits seit einigen Jahren erfolgreich zum vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutz beitragen: das "Herd Health Surveillance Program" [Dänemark], das "Integrale Ketenbeheersingssystem" [Niederlande] und das "National Beef Assurance Scheme" [Irland]. Der Vorschlag des Bundesverbandes Praktischer Tierärzte e. V. wird anhand des folgenden Themen- und Sachfragenkataloges detailliert erläutert.

1. Tierärztliche Konzepte für die Sicherung der Produktion vom Tier stammender Lebensmittel

1.1. in der Primärproduktion
Das einzig geeignete tierärztliche Instrument einer insgesamt verbesserten Tierhaltung und -produktion ist die "Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung". Dabei handelt es sich keinesfalls um eine aktuelle Neuentwicklung, sondern um einen umfassenden systemorientierten Ansatz, der von tierärztlicher Seite der Landwirtschaft bereits seit 10 Jahren angeboten und inhaltlich kontinuierlich entsprechend aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen weiterentwickelt wird.

In der Milchproduktion hat dieser Ansatz bereits eine erkennbare Akzeptanz erfahren. In allen anderen Bereiche der Tierproduktion (Rindermast, Kälbermast, Schweinezucht und -mast, Geflügelmast, Konsumeiproduktion, Fischzucht) ist die Implementierung bislang allenfalls im Ansatz erfolgt - dies liegt jedoch nicht in konzeptionellen Mängeln der "Integrierten Tierärztlichen Bestandsbetreuung" begründet, sondern schlichtweg in der mangelnden Bereitschaft der Landwirte, eine über die Versorgung kranker Tiere im akuten Fall hinausgehende, umfassende Beratungsleistung auch nur im Ansatz zu honorieren - obwohl diese geeignet ist, dem Landwirt durch die Ausrichtung auf eine Prozessoptimierung kosten einzusparen.

Bereits 1994 hat der Bundesverband praktizierender Tierärzte zwei Fachgruppen für die Integrierte Tierärztliche Betreuung sowohl in Schweine- als auch in Rinderbeständen eingerichtet. Über 700 Tierärzte sind freiwillig Mitglieder dieser Gruppen und bilden sich regelmäßig in diesen Spezialgebieten fort. Die Tierärztinnen und Tierärzte können ihren ganzen Beitrag zur Verbesserung der jetzigen Situation jedoch nur leisten, wenn dies auch politisch gewollt ist.

Was bedeutet "Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung"?
- Gesellschaftliche und betriebliche Anforderungen in Einklang bringen.
Das Konzept der "Integrierten Tierärztlichen Bestandsbetreuung" ist auf die Optimierung von Prozess- und Produktqualität ausgerichtet. Dabei beachtet es auf Betriebsebene die Wirkfaktoren für Tiergesundheit und -leistung, Tierschutz, Verbraucherschutz und betriebswirtschaftliche Aspekte gleichermaßen. Überbetrieblich kommen Aspekte des Tiertransportes und des Umweltmanagements hinzu. Die Einbindung weiterer, auch nicht unmittelbar monetärer Nutzenaspekte ist jederzeit möglich.
Grundlage ist eine strategische, das heißt eine genau geplante intensive Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsleiter, dem bestandsbetreuenden Tierarzt und weiteren beteiligten Beratern von der Planung der Produktionsziele über die Strategieentwicklung und -umsetzung bis hin zur betriebsinternen Kontrolle. Die Prozesssteuerung und die Überwachung einzelner "Kontrollbereiche" erfolgt durch die Festlegung von Einzelaktivitäten und Maßnahmen, den sogenannten "Kontrollpunkten".
Durch regelmäßige Soll-Ist-Vergleiche werden Prozess- und Produktqualität überwacht und optimiert. Als Prüfkriterien dienen sogenannte "Indikatoren", das sind nicht direkt beeinflussbare, den einzelnen Kontrollpunkten zugeordnete Mess- und Rechengrößen, die sich innerhalb zuvor festgelegter Grenzen bewegen müssen. Damit ist die "Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung" mit HACCP-basierten Kontrollsystemen voll kompatibel.

- Kontinuierliche Verbesserung durch regelmäßige Datenbewertung
Wichtige Grundlage der "Integrierten Tierärztlichen Bestandsbetreuung" ist daher eine exakte produktionsbegleitende Dokumentation. Die modernen Informationssysteme und Datentransfermöglichkeiten erlauben die wichtigsten periodisch vorzunehmenden Auswertungen ohne allzu großen Arbeitsaufwand. Manche Indikatoren können heute bereits voll automatisch ermittelt und bewertet werden.

- Den unterschiedlichen betrieblichen Anforderungen Rechnung tragen
Die Intensität dieses Systems ist variabel gestaltbar. Jedem Kontrollbereich werden aufeinander aufbauende Intensitätsstufen zugeordnet. Das bedeutet, dass der Aufwand für die Durchführung und damit die "Maschenweite" des Kontrollnetzes je nach Ausgangssituation und Ziel dem Bedarf des jeweiligen Betriebs oder gegebenenfalls auch einer aktuellen überbetrieblichen Situation genau angepasst werden können. Dies ist für eine rationelle und damit kostengünstige Umsetzung des Konzepts in der täglichen Praxis von entscheidender Bedeutung.
Nicht alles Kontrollierbare, sondern das für die Qualitätssicherung Erforderliche wird kontrolliert. Kommt es zu Abweichungen der routinemäßig berücksichtigten Indikatoren von vorgegebenen Sollwerten, wird die Intensität in dem betreffenden Kontrollbereich stufenweise erhöht.

Beispiel Milcherzeugung Die Schwerpunkte beispielsweise der "Integrierten Tierärztlichen Bestandsbetreuung" in Milcherzeugerbetrieben liegen derzeit in den Bereichen Herdeneutergesundheit und Milchqualität (und damit Verbraucherschutz), Herdenfruchtbarkeit, Jungtieraufzucht sowie prophylaktische Maßnahmen gegen Infektionskrankheiten und Parasitosen zur Minderung des Tierarzneimitteleinsatzes. Dabei werden nicht nur die direkte Überwachung auf Einzeltier- und Bestandsebene, sondern auch die strategische Kontrolle der Hauptfaktoren der einzelnen Kontrollbereiche, wie z.B. adäquate Fütterung, tiergerechte Haltung, Management, Abstammung der Tiere usw. berücksichtigt.

Beispiel Schweineproduktion
Die "Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung" in schweinehaltenden Betrieben basiert als Minimalanforderung auf den Kontrollpunkten der Schweinehaltungshygieneverordnung. Darüber hinaus werden entsprechend einer systematischen Planung von Landwirt und Tierarzt strategische Ziele festgelegt. Betreuungstierarzt und Landwirt erarbeiten dann einen Maßnahmenplan zur Erreichung des Ziels.
Berücksichtigt werden hierbei nicht nur die Erhaltung der Tiergesundheit durch prophylaktische Maßnahmen, sondern auch Kontrollpunkte wie Haltungshygiene, Fütterungsmanagement, tiergerechte Haltung u.a.. Von enormer Bedeutung sind hierbei im Betrieb erhobene biologische Leistungsdaten (Sauenplanerdaten, Mastleistungsdaten) und außerhalb des Betriebes erhobene Daten (Organbefunddaten von Schlachthöfen).

- Anreize schaffen für die Ausdehnung auf alle Produktionsbereiche
Im Rahmen zukunftsorientierter Qualitätsmanagementsysteme ist eine weitere Ausdehnung erforderlich und vor dem Hintergrund des wachsenden öffentlichen Interesses an Qualitätssicherungsmaßnahmen auch zu erwarten. Die flächendeckende Umsetzung entsprechender Konzepte in Fleisch erzeugenden Betrieben wird, zumindest anfänglich, nur mit Unterstützung durch öffentliche Kassen gelingen. Diese können mit dem starken öffentlichen Interesse an Lebensmitteln einwandfreier Qualität gerechtfertigt werden. Es entstünden flächendeckend landwirtschaftliche Produktionsbetriebe mit integriertem tierärztlichen Controlling-System.

Die "Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung" stellt somit ein flexibles System der Produktionsbetreuung dar, in das die verschiedenartigsten Anforderungen an die Tierproduktion ohne größere Probleme integriert werden können und das somit geeignet ist, die Qualität in der Erzeugung vom Tier stammender Nahrungsmittel in allen Produktionsverfahren (konventionelle Landwirtschaft, Qualitätslabel, ökologische Landwirtschaft) zu sichern.

1.2. in Schlachtung, Be- und Verarbeitung
Die gesamte Lebensmittelkette durch veterinärmedizinischen Sachverstand absichern!
Für die Sicherung der Lebensmittelqualität in Schlachtung, Verarbeitung, Transport und Handel steht mit der "Tierärztlichen Hygieneberatung und Qualitätsmanagement im Lebensmittelbetrieb" ein der "Integrierten Tierärztlichen Bestandsbetreuung" analoges Qualitätssicherungskonzept zur Verfügung, das bislang aus ähnlichen Gründen keine durchschlagende Verbreitung gefunden hat. Die gesetzliche Vorschrift von betrieblichen Eigenkontrollen und Personalschulungen für alle Lebensmittelbetriebe (Lebensmittelhygieneverordnung vom 08.08.1998) entbehrt der Festschreibung eines sachverständigen tierärztlichen Hygieneberaters - andernfalls sie unzweifelhaft einen Eckpfeiler im vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutz darstellen könnte. In der Kombination dieser beiden Systeme könnten Tierärztin und Tierarzt - wenn politisch gewollt und durchgesetzt - einen unmittelbaren, wesentlichen Beitrag zum vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutz, zu Tiergesundheit und Tierschutz sowie zu einer ökologischeren Nahrungsmittelproduktion leisten.

Die integrierte tierärztliche Bestandsbetreuung und die tierärztliche Hygieneberatung können ihre volle Wirksamkeit jedoch nur innerhalb eines umfassenden Sicherungssystems für die Nahrungsmittelproduktion entfalten, das alle Bereiche der landwirtschaftlichen Produktion einbezieht.

2. Ein integrierendes Sicherungskonzept für die gesamte Produktionskette!
2.1. Anforderungen
Ein auf die Anforderungen des Verbraucherschutzes, der Tiergesundheit und der ökologischen Wirtschaftsweise ausgerichtetes, zukunftsweisendes und dauerhaft tragfähiges Sicherungssystem muss.

2.1.1. so ausgelegt sein, dass Allgemeingültigkeit für alle vom Tier stammenden Produkte besteht und alle vom Tier stammenden Produkte erfasst werden,

2.1.2. eine verlässlich abgesicherte Basisqualität auf Grundlage der strikten Einhaltung gesetzlicher Vorschriften herstellen,

2.1.3. gehobene Qualitäten auf Grundlage der Basisqualität etablieren,

2.1.4. die gehobenen Qualitäten in allen Stufen nach HACCP-Gesichtspunkten absichern

2.1.5. Maßnahmen zur Beherrschung der HACCP´s vorschlagen,

2.1.6. das gesellschaftliche Leistungspotential aller Prozessbeteiligten voll ausschöpfen: das bedeutet für den Tierarzt die Integration sowohl als Berater als auch als Kontrolleur - in getrennten Funktonen - in alle Stufen der Lebensmittelproduktion,

2.1.7. die Qualitätssicherung der tierärztlichen Praxis und des tierärztlichen Fachwissens einbeziehen.

2.2. Grundlegende Elemente (Sieben-Punkte-Programm)
Die unerlässlichen Elemente dieses Sicherungssystems sind:
2.2.1. Eine zentrale Dokumentation für alle die Nahrungsmittelqualität unmittelbar oder mittelbar beeinflussenden Faktoren im landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieb.

Begründung: Bislang findet eine derartige Dokumentation nicht oder in nicht transparenter Weise statt. Eine zentrale Dokumentation erleichtert die Überwachung z. B. hinsichtlich verwendeter Futtermittel, eingesetzter Tierarzneimittel usw. erheblich.

2.2.2. Sicherung der Prozess- und Produktqualität in der Primärproduktion durch die "Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung" in jedem landwirtschaftlichen Betrieb, der tierische Nahrungsmittel erzeugt.

Begründung: Einzig mit Hilfe der "Integrierten Tierärztlichen Bestandsbetreuung" können die Ziele einer Neuausrichtung der Produktion vom Tier stammender Nahrungsmittel auf Ebene der Primärproduktion erreicht werden durch:

· Verbesserung der Gesundheit und Leistung der Tiere
· Verbesserung der Qualität der tierischen Produkte
· Förderung der tiergerechten Haltung
· Sicherung der Tierseuchenprophylaxe auf höchstem Niveau
· Minderung des Tierarzneimitteleinsatzes

Die systematische Arbeit im Rahmen der "Integrierten Tierärztlichen Bestandsbetreuung" auf diese Ziele hin bewirkt somit - entsprechende Mitwirkung des landwirtschaftlichen Betriebsleiters vorausgesetzt - eine Verbesserung

· des Verbraucherschutzes im Allgemeinen (Z. B. Zoonoseninzidenz)
· des Verbraucherschutzes im Besonderen infolge der Reduzierung des Tierarzneimitteleinsatzes
· ein deutlich angehobenes Tierschutzniveau.

2.2.3. Verpflichtung zu HACCP-basierter Qualitätssicherung für alle Prozessbeteiligten einer über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehenden Qualitätsstufe.

Begründung: Die Einhaltung der über die gesetzlichen Vorschriften hinaus gehenden Qualitätsanforderungen muss durch ein transparentes Eigenkontrollsystem nachgewiesen werden.

2.2.4. Sicherung der Prozess- und Produktqualität in Schlachtung, Verarbeitung und Handel durch tierärztliche Hygieneberatung und -kontrolle.

Begründung: Die auf Ebene der Primärproduktion durch die "Integrierte Tierärztliche Bestandsbetreuung" abgesicherte Qualität kann einzig mit Hilfe der "Tierärztlichen Hygieneberatung und Qualitätsmanagement im Lebensmittelbetrieb" (ein anerkannter Weiterbildungsgang) über die nachfolgenden Verarbeitungsstufen bis hin zum Verbraucher aufrecht gehalten werden durch:

· Ausschöpfung aller Möglichkeiten auf Be- und Verarbeitungseben zur Verbesserung der Produktion vom Tier stammender Nahrungsmittel
· Schutz des Verbrauchers vor nachteiliger Beeinflussung durch Lebensmittel hinsichtlich
- hygienischer Qualität
- Rückständen in Lebensmitteln
mittels
· Exakte Dokumentation aller im Schlachtprozess erhobenen Abweichungen
· Rückmeldung dieser Abweichungen an die bestandsbetreuenden Tierärzte in der Primärproduktio
· regel- und planmäßige Hygieneberatung in Lebensmittelbetrieben
· regelmäßige Personalschulung in Lebensmittelbetrieben

2.2.5. Eindeutige Identifizierung der Tiere und Rückverfolgbarkeit der von ihnen stammenden Produkte. Begründung: Alleinig auf Grundlage einer sicheren Tieridentifizierung und Rückverfolgbarkeit der Produkte kann die Einhaltung aller Rechtsvorschriften wirksam und in für Zuwiderhandelnde abschreckender - weil transparenter - Weise gewährleistet werden. 2.2.6. Intensivierung der Rückstandskontrollmaßnahmen gemäss RL 96/23/EG Begründung: Die missbräuchliche Verwendung von Tierarzneimitteln muss stärker kontrolliert werden, um den Verbraucher wirksam schützen zu können. Die RL 96/23/EG schreibt Mindestkontrollen vor, die national intensiviert werden können und sollten. 2.2.7. Eine "Zentrale Datenbank Tierproduktion" zur systematischen Erfassung und Auswertung aller relevanten Produktionsdaten mit Datenfluss in beide Richtungen der Nahrungskette. Begründung: Schaffung von Transparenz im Sinne einer "gläsernen Produktion" zum Nutzen · des vorbeugenden Verbraucherschutzes (z. B. hygienische Qualität, Rückstandsbelastungen),
· der Tiergesundheit (z. B. Tierseuchen, Erkrankungshäufigkeiten),
· des Tierschutzes (z. B. artgerechte Haltung, tierschutzrelevante Produktionsverfahren),
· des Tierarzneimitteleinsatzes (z. B. bundesweit eingesetzte Tierarzneimittelmengen, -arten [Antibiotika], Tierarzneimitteleinsatz in den unterschiedlichen Qualitätsstufen)
· der Ökologie (z. B. unterschiedliche Ökobilanzen in den unterschiedlichen Qualitätsstufen)
· der Ökonomie (z. B. Erträge in den unterschiedlichen Qualitätsstufen)


Damit kommt dem Tierarzt die zentrale Rolle und Verantwortung im gesamten Produktionsprozess zu, die zu tragen er durch seine Ausbildung und durch permanente Fort- und Weiterbildung befähigt ist
· als bestandbetreuender Tierarzt in der Primärproduktion und
· als sachverständiger Tierarzt in der Lebensmittelverarbeitung und allen folgenden Stufen mit umfassenden Beratungsfunktionen,
· als amtlicher / beamteter Tierarzt in der staatlichen Kontrolle auf Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.

Stellungnahme zum bpt-Positionspapier

"Nachdenken über eine neue Konzeption der ITB in lebensmittelliefernden Nutztierbeständen und über die Rolle des Tierarztes bei der Einführung von Qualitätsmanagement in der Lebensmittelprimärerzeugung"

Edermünde (bei Kassel), den 12. 05. 2001

Einige progressive ITB-Kollegen befürchteten, dass die Agrarwende, besonders die Entwicklung von QM-Systemen, sich ohne die aktive Mitwirkung der Tierärzte vollzieht. Es ergab sich eine zunächst im kleinen Kreise beginnende E-mail-Diskussion über die Strategie zur Absicherung eines in der Gesellschaft wahrgenommenen aktiven Beitrages der Tierärzte an der Agrarwende und an der QM-Einführung.
Wir einigten uns bald darauf, dass ein moderiertes Treffen der konstruktiv interessierten Kollegen das geeignetste Mittel zur Erarbeitung solcher Vorschläge ist. Von Anfang an stand für uns fest, dass das die beiden ITB's und der BPT in die Überlegungen mit einbezogen werden müssen.
Im Laufe der E-mail-Diskussion um Termin und Tagesordnung des Treffens wurde die Diskussionsgruppe informiert, dass der BPT bereits im März 2001 eine AG Agrarwende gegründet hatte, und ein Positionspapier im Entwurf vorliegt.
Daraufhin konnte die Tagesordnung "Formulierung einer "neuen" ITB, erstes Brainstorming" erfreulicherweise um eine weitere Zielstellung erweitert werden:
konstruktiv-kritische Auseinandersetzung mit dem "Positionspapier des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte e.V. zu den Grundsätzen einer Neuausrichtung der Produktion vom Tier stammender Nahrungsmittel", das uns dankenswerterweise von Herrn Dr. Kostka zur Verfügung gestellt wurde.

Leider konnten viele derer, die Interesse an der Mitarbeit hatten und haben, nicht nach Edermünde am 12. 05. 2001 kommen.

Am 12. 05. 2001 trafen sich in Edermünde/Besse:

Prof. Dr. Thomas Blaha
(Leiter der Aussenstelle für Epidemiologie der TiHo Hannover)

TA Henry Brames
(prakt. Tierarzt, QMB, FTA für Reptilien, ITB-Rind + QM)

Dr. Georg Eller
(prakt. Tierarzt mit Spezialisierung auf "bestandsbegleitende Beratung zur Optimierung von Bestandsgesundheit und -leistung in auf Wettbewerbsfähigkeit orientierten Milchviehbetrieben).

Prof. Dr. Martina Hoedemaker
(Arbeitsbereich Bestandstiermedizin der TiHo Hannover)

QM-Berater Horst Schweiger
(EOQ-Quality Auditor) als Moderator, und

TÄ Ch. Wenderdel
(TÜV-zertifizierte Tierarztpraxis und Mitglied der fachlichen Leitung der ITB-Schwein).

Das Positionspapier des BPT stellt in folgenden Punkten einen hervorragenden Ansatzpunkt dar:
A. Anerkennung der Notwendigkeit des Handelns

B. Veränderung des Sich-Einbringens von Tierärzten in die gegenwärtigen Entwicklungen in der Landwirtschaft

C. Lernen des Sich-Einstellens auf Kundenanforderungen

Die von uns erstellte "Stellungnahme" ist eine Anregung zur weiteren Konkretisierung des Positionspapiers.
Sie ist kein "Gegen-Positionspapier"!

Zehn Thesen zur inhaltlichen und strategischen Neuorientierung

Zehn Thesen zur inhaltlichen und strategischen Neuorientierung der Tierärztlichen Bestandsbetreuung

Thomas Blaha, Tierärztliche Hochschule Hannover, 2001
1) Die sogenannte "Agrarwende" ist kein deutsches Phänomen, sondern es handelt sich um die Auswirkung eines in allen industrialisierten Ländern gemeinsam erlebten Vertrauensverlusts der Gesellschaft in die landwirtschaftliche Primärproduktion von Lebensmitteln.

2) Die Sehnsucht nach idyllischen Bauernhöfen und kleinstrukturierter Landwirtschaft sowie der Glaube an das automatisch Gute des biologischen Landbaus ist nicht Verblendung oder Dummheit der städtischen Bevölkerung reicher Länder, sondern das Ergebnis der von der Landwirtschaft jahrzehntelang vernachlässigten Verbrauchererwartungen.

3) Der Ausweg aus diesem Dilemma ist nicht die Rückkehr zu kleinstbäuerlichen Strukturen und nicht der biologische Landbau allein, sondern die Umstrukturierung der gegenwärtigen Landwirtschaft zu einem effizienten Zulieferer von Lebensmittelprimärprodukten in die Lebensmittelproduktionskette. Für diese Entwicklung sind Nachhaltigkeit, Transparenz, Umweltschonung, Tierschutz, Produktidentität, Rückverfolgbarkeit der Endprodukte sowie Produkthaftung auf der Grundlage von festen Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen die Garanten der gesellschaftlichen Akzeptanz der Landwirtschaft.

4) Der einzige Weg, die in These 3 aufgelisteten Charakteristika einer "neuen Landwirtschaft" dem Verbraucher und der Gesellschaft glaubhaft zu vermitteln, ist der Aufbau von transparenten und zuverlässigen Qualitätsmanagement- und Zertifizierungssystemen, die lückenlos von der Primärproduktion bis zum Einzelhandel durchorganisiert sind.

5) Die Aktivitäten der drei Interessengemeinschaften (ITB Rind, ITB Schwein und TSL = Hygiene in der Lebensmittelproduktion) haben nicht dazu geführt, dass Tierärzte als aktive Partner der Umgestaltung der Landwirtschaft und als "Fackelträger" der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen in der Nutztierhaltung gesehen werden.

6) Das Ziel einer "neuorientierten" Bestandsbetreuung sollte sein: Wo immer sich Qualitätsgemeinschaften in der Primärproduktion von herkunfts- und qualitätsgesicherten Lebensmitteln herausbilden, sind Tierärzte entweder die treibenden Kräfte als Architekten und Motoren der Entwicklung, oder zumindest unverzichtbare Partner bei der Implementierung der Qualitätsstandards, sowie bei der Auditierung und der Zertifizierung von definierter Qualität.

7) Das Positionspapier "Grundsätze zur Produktion vom Tier stammender Lebensmittel zur Umsetzung des 'stable to table-Konzeptes' in der Lebensmittelkette" des BPT vom 30. Mai 2001 (erarbeitet von der BPT Arbeitsgruppe "Agrarwende") ist ohne Zweifel an dem in These 6 formulierten Ziel orientiert, verlässt sich aber auf den traditionellen, lobbyistischen Anspruch: "wenn Qualitätsmanagement und Zertifizierung umgesetzt werden, dann MUSS aber der Tierarzt nicht nur berücksichtigt, sondern gesetzlich gesichert mit einbezogen werden …".
Die Zielstellung des Positionspapiers ist uneingeschränkt zu begrüssen, es ist aber anzuzweifeln, ob sie durch FORDERUNGEN der Tierärzteschaft zu erreichen ist.

8) Es ist anzunehmen, dass das in These 6 formulierte Ziel eher durch einen marktorientierten, auf die Bedürfnisse der Kunden der Tierärzteschaft abgestimmten Ansatz zu erreichen ist. Dies bedeutet, dass die Tierärzteschaft, statt zu fordern, sich durch Sachkenntnis und aktives Angebot von hochqualifizierten Tätigkeiten auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements in der Nutztierhaltung bei der Neugestaltung der Landwirtschaft unentbehrlich macht.

9) Um mit den Kunden der Tierärztlichen Bestandsbetreuung (Landwirte, Erzeuger- bzw. Qualitätsgemeinschaften, Lebensmittelproduktionsketten) in einen konstruktiven Dialog treten zu können, sind als wichtigste Voraussetzungen zwei bisher nicht in der "ITB-Philosophie" enthaltene Prinzipien für die Neuorientierung der Tierärztlichen Bestandsbetreuung einzuführen:
a) die Bestandsbetreuung muss vollkommen getrennt werden von der Vertretung von Berufsinteressen. Sie muss sich zur Vertrauensbildung mit den Kunden der Tierärzteschaft ausschliesslich auf sachlich-inhaltliche Fragen der tierärztlichen Tätigkeiten zur Implementierung von Qualitätsstandards und zur Auditierung und Zertifizierung konzentrieren.

b) die Bestandsbetreuung muss sich vollkommen öffnen für landwirtschaftliche Organisationen und Unternehmen, mit denen gemeinsam die Neuorientierung zu planen und zu realisieren ist.

10) Um diese zwei Prinzipien in die Arbeit der Tierärztlichen Bestandsbetreuung einbringen zu können ohne die bisherige Arbeit der drei Interessengemeinschaften in Frage zu stellen und grundlegend zu ändern, sollte eine neue Struktureinheit (etwa: "Partnerschaften für ITB und QM in der Nutztierhaltung und Lebens- mittelproduktion") ausserhalb des BPT gegründet werden. Diese Struktureinheit sollte sich den Grundsätzen und der Logistik der ITB unabhängig von der jeweiligen zu betreuenden Nutztierspezies widmen und allen am Aufbau von Qualitätsgemeinschaften interessierten Tierärzten und landwirtschaftlichen Organisationen und Unternehmen offenstehen. In dieser Struktureinheit sollte der BPT dann eines der gleichberechtigten Mitglieder sein wie Hochschuleinrichtungen, Verbände und jegliche andere Gruppierungen sowie Einzelpersonen, die ein echtes Interesse an der Förderung der Implementierung von Qualitätsmanagement in der Primärproduktion für Lebensmittel tierischen Ursprungs haben. Die bisherigen Interessengemeinschaften "ITB Rind", "ITB Schwein" und "TSL" bleiben bestehen und übernehmen in bewährter Weise die Ausbildung von Tierärzten zur Befähigung der Tätigkeiten, die den Tierarzt zum unentbehrlichen Partner bei der Neugestaltung der Landwirtschaft machen können.

Tierarten Spezial

Verbraucherschutz ist ohne Tierärzte undenkbar - 50 Jahre BTK >>>
von Dr. Julia Henning

Tierärzte sind wichtige Säulen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Das machten alle anwesenden tierärztlichen Experten heute anlässlich der Pressekonferenz zum 50.-jährigen Bestehen der Bundestierärztekammer (BTK) im Berliner „Trichinentempel“ deutlich. Schlachttier- und Fleischuntersuchung, Lebensmittel- oder Futtermittelüberwachung, Hygienekontrollen, Tierseuchenbekämpfung oder integrierte tierärztliche Bestandsbetreuung (ITB), dies alles sind Aufgaben, die von Tierärzten durchgeführt werden.

Um die Sicherheit von Lebensmitteln tierischen Ursprungs zu garantieren, bedarf es Sachverstand sowie Fachkompetenz. Tierärzte sind heute integrativ im Verbraucherschutz tätig, das heißt, sie bringen ihre Fachkompetenz im Tierbestand ein, spielen eine wichtige Rolle als Berater und gewährleisten eine gewissenhafte Überwachung, so Dr. Arnold Ludes, der 1. Vizepräsident der BTK. Dieses integrative Vorgehen ist auch unter dem Begriff „from stable to table“ bekannt. Auf politischer Ebene soll ab 2006 das EU-Weißbuch die Sicherheit von Futtermitteln und Lebensmitteln auf allen Produktionsstufen gewährleistet. Sowohl in der Planung als auch an der Umsetzung sind Tierärzte beteiligt. In den Augen von Dr. Heinrich Stöppler, dem Präsidenten des Bundesverbandes der beamteten Tierärzte (BbT), ist die Verbesserung von Kommunikation, Transparenz und Dokumentation für einen guten Verbraucherschutz entscheidend.

Frau Professor Kerstin Müller, die Direktorin der Klinik für Klauentiere der FU Berlin, betonte ihrerseits noch einmal die Bedeutung der integrierten tierärztlichen Bestandsbetreuung für das Konzept „from stable to table“. Viele Betriebe verfügten bereits über Qualitätssicherungssysteme. Hier seien alle Prozesse in einem Qualitätshandbuch festgelegt, wodurch sich die Transparenz enorm vergrößere. Solch eine Zertifizierung sei inzwischen auch für Tierarztpraxen möglich, wodurch das tierärztliche Handeln transparent und nachvollziehbar werde. Außerdem betonte Müller die zunehmende Bedeutung des „Kuhkomforts“. „Nur gesunde und zufriedene Kühe liefern Lebensmittel von hoher Qualität“, so Müller. Daher arbeite der Landwirt gemeinsam mit dem Tierarzt konstant an der Verbesserung des „Kuhkomforts“, was auch ein wichtiger Beitrag im integrativen Verbraucherschutz sei.

Prof. Dr. Goetz Hildebrandt vom Institut für Lebensmittelhygiene der Freien Universität Berlin, verdeutlichte seinerseits die Wichtigkeit der Lebensmittelhygiene und –überwachung, indem er die Beurteilung des Genusswertes durch sachkundige Verkostung der bereitgestellten Verköstigung demonstrierte. Doch gab er auch zu bedenken, dass die Aufgabe der Lebensmittelüberwachung nicht nur im Schutz des Endverbrauchers vor gesundheitsschädlichen Lebensmitteln bestehe, sondern auch im Schutz vor Täuschung durch geschönte oder nachgemachte Erzeugnisse.

Heutzutage weniger in den direkten Verbraucherschutz involviert sind die Pferdetierärzte, da zumindest in Deutschland das Pferd immer mehr ein Sport- und Hobbytier ist, als ein Nutztier. Die Pferdemedizin stelle heutzutage eine Form der High-Tech-Medizin dar und der Pferdetierarzt stehe dem Sportmediziner in nichts nach, so Dr. Hans-Joachim Götz, Präsident des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (BpT). Der Besitzer entscheide, ob sein Pferd ein Schlachtpferd oder ein Nichtschlachtpferd ist. Diese Entscheidung beeinflusse maßgeblich die medikamentellen Behandlungsmöglichkeiten des Pferdes und werde im so genannten „Equidenpass“ festgehalten. In anderen Ländern der EU wie z.B. Italien, Spanien und Polen, sei das Pferd jedoch nach wie vor in erster Linie Schlachttier.

Prof. Leo Brunnenberg, Direktor der Klinik und Polyklinik für kleine Haustiere der Freien Universität Berlin, sieht in „Spezialisten im Team“ die zukünftige Form der Kleintierpraxis. Ganz wichtig dabei ist in seinen Augen der absolut Patienten orientierte Service auf außerordentlich hohem Niveau.

Alle stimmten überein, dass lebenslanges Lernen ein absolutes Muss für jeden Tierarzt sein muss. Durch den exponentiellen Wissenszuwachs und die sich ständig ändernden Verfahrensweisen sowie gesetzlichen Bestimmungen sei eine regelmäßige postgraduelle Fort- und Weiterbildung unabdingbar.


Links / Literatur

BTK

Bearbeitet von:
Dr. Julia Henning
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Lebensmittelsicherheit als Aufgabe des Veterinär- und Lebensmittelrechts
von Knipschild, Klaus;,
Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 2003

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Lebensmittelsicherheit - HACCP in der Praxis
von Sinell, H J; Meyer, H; [Ed.],
Behrs, B., Verlag GmbH & Co., 1996

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