Menü ≡

16. AMG-Novelle

Einleitung

Am 1. April 2014 ist nach vielen Diskussionen und langem Ringen die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) in Kraft getreten. Damit wird der rechtliche Rahmen für den Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin weiter verschärft. Die AMG-Novelle zielt darauf ab, den Einsatz von Antibiotika auf das zur Behandlung von Tierkrankheiten absolut notwendige Maß (= therapeutisches Mindestmaß) zu beschränken und die Befugnisse der zuständigen Kontroll- und Überwachungsbehörden der Bundesländer nochmals deutlich zu erweitern. Zudem ist sie Teil des Antibiotika-Minimierungskonzeptes des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das dazu führen soll, das Risiko der Entstehung und Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen zu begrenzen.

Durch die neuen Regelungen wird

  • die Antibiotika-Minimierung als permanente Aufgabe des Tierhalters etabliert
  • dem Tierhalter ermöglicht, den Einsatz von Antibiotika und dessen Ursachen in seinem Betrieb besser zu überprüfen,
  • der Tierarzneimittelüberwachung ermöglicht, sich aktiv und vor Ort ein Bild über den Antibiotikaeinsatz zu machen und angemessene Maßnahmen ergreifen zu können.

Das Antibiotika-Minimierungskonzept des BMEL berücksichtigt

  • die Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen,
  • die Verschärfung der Regelungen im Tierarzneimittelrecht und
  •  die Förderung von Alternativen zum Antibiotikaeinsatz

Mitteilungspflicht für Landwirte

Die Paragrafen § 58 a-d richten sich direkt an Landwirte und verpflichten gewerbliche Tierhalter, die Rinder, Schweine oder Geflügel zu Mastzwecken halten, der zuständigen Behörde spätestens bis zum 1. Juli 2014 die Stammdaten des Betriebes zu übermitteln. Die Mitteilungen können elektronisch oder schriftlich erfolgen und auch durch Dritte wie den Tierarzt oder die QS GmbH der zuständigen Behörde gemeldet werden. Allerdings muss der Landwirt den Bevollmächtigten zuvor schriftlich der Behörde melden. Der Mitteilungsumfang je Tierart und Tierhaltungsbetrieb umfasst den Namen des Tierhalters sowie die Anschrift des Betriebes unter Angabe der Registriernummer gemäß Viehverkehrsverordnung (VVVO). Angaben zur Tierart müssen differenziert nach der Nutzungsart vorgenommen werden:

  • Mastkälber: < 8 Monate
  • Mastrinder: > 8 Monate
  •  Ferkel: < 30 kg
  • Mastschweine: > 30 kg

Änderungen sind spätestens 14 Tage nach deren Beginn bzw. deren Eintreten anzuzeigen.

Milchvieh- und Legehennenhalter sind bislang von der Mitteilungspflicht ausgenommen.

Am 13. Mai 2014 wurde der Bundesrat von der Bundesregierung aufgefordert, über eine Ausnahme der Meldepflicht in Abhängigkeit von der Tierzahl zu entscheiden. Demnach müssen Betriebe, die im Jahr im Schnitt weniger als 20 Mastrinder, 250 Mastschweine, 1.000 Mastputen oder 10.000 Masthühner halten, die Daten über die Antibiotikaanwendungen laut Arzneimittelgesetz (AMG) künftig nicht melden ("Verordnung über die Durchführung von Mitteilungen nach §58b").

Weiterhin ist der Landwirt verpflichtet, die zuständigen Behörde im Halbjahresturnus über jede Behandlung mit einem antibiotisch wirksamen Arzneimittel für jeden Tierhaltungsstandort und jede Nutzungsart (Registriernummer nach VVVO) zu informieren. Diese setzt die datumsgenaue Angabe zur Tierhaltung voraus, wobei die Anzahl der je Tierart gehaltenen Tiere zu Beginn des Kalenderhalbjahres sowie Zu- und Abgänge im laufenden Halbjahr gemeldet werden müssen. Die Dokumentation der Antibiotikaanwendung erfordert folgende Angaben:

  • Bezeichnung des angewendeten Arzneimittels
  • Anzahl und Art der behandelten Tiere
  • Anzahl der Behandlungstage bzw. bei der Verwendung von Langzeitantibiotika (Wirksauer länger als 24 Stunden) die Wirkungsdauer in Tagen

Voraussetzung für die Verwendung der Angaben aus dem Arzneimittelanwendungs- und Abgabebeleg ist, dass der Tierhalter gegenüber dem Tierarzt und der zuständigen Behörde schriftlich versichert, dass die Behandlungsanweisung eingehalten wird.

Die Daten über die eingesetzten Antibiotikamengen je Tier müssen spätestens 14 Tage nach Ablauf des jeweiligen Erfassungszeitraums übermittelt worden sein, also spätestens zum 14. Januar bzw. 14. Juli jeden Jahres.

Der Landwirt kann auch Tierärzte oder bestimmte Einrichtungen mit der Meldung der Daten beauftragen. Dies muss der Landwirt jedoch zuvor bei der zuständigen Behörde schriftlich melden und den Zuständigen benennen

Zuständige Behörde

Die zuständige Behörde gemäß AMG ist die Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbehörde. Die konkrete Aufgabenverteilung der Überwachungsbehörden kann aber von Bundesland zu Bundesland variieren.

Die Einrichtung der zur Erfassung der gemeldeten Daten benötigten Datenbank ist wiederum Sache der einzelnen Bundesländer. Die Länder werden dazu voraussichtlich eine bereits vorhandene Datenbank ausbauen. Als Grundlage könnte die Datenbank des Herkunfts- und Informationssystems für Tiere (HI-Tier) dienen. Aber auch die Nutzung der QS Datenbank ist im Gespräch.

Ermittlung der Therapiehäufigkeit

Die aus den übermittelten Daten von der Behörde errechnete betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit wird anschließend mit den bundesweit erhobenen Kennzahlen (1 und 2) zur bundesweiten halbjährlichen Therapiehäufigkeit verglichen (s. a. Maßnahmen zur Antibiotikaminimierung LINK).

Die Ermittlung der Therapiehäufigkeit (TH) je Tierart / Nutzungsart erfolgt auf folgender Berechnungsgrundlage:

  Σ[(Anzahl behandelter Tiere) x (Anzahl Behandlungstage)]
TH = ------------------------------------------------------------------------
  Durchschnittliche Anzahl gehaltener Tiere pro Halbjahr

Beispiel: 30 von 200 Tieren werden einmal im Halbjahr für 11 Tage behandelt. Das ergibt eine Therapiehäufigkeit von 1,65.

Maßnahmen zur Antibiotikaminimierung

Spätestens zwei Monate nach Bekanntwerden der Kennzahlen muss der Tierhalter prüfen, ob seine betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit (pro Tierart, pro Nutzungsart, pro Betrieb laut Registriernummer) oberhalb der bundesweiten Kennzahlen liegt. Der Tierhalter ist verpflichtet, das Ergebnis in seinen Betriebsunterlagen aufzuzeichnen. Wird dabei die anhand des Bundesdurchschnitts für diesen Betriebstyp ermittelte Kennzahl 1 oder 2 überschritten, müssen Maßnahmen zur Antibiotikaminimierung erarbeitet und ergriffen werden.

  • Kennzahl 1 Liegt ein Betrieb dabei in der oberen Hälfte aller Betriebe (Kennzahl 1), sind Landwirt und Tierarzt lediglich aufgefordert, gemeinsam die Ursachen für den erhöhten Antibiotika-Einsatz aufzudecken und Maßnahmen zu ergreifen, die zur Reduktion der Antibiotika-Verwendung führen.
  • Kennzahl 2 Liegt ein Betrieb im oberen Viertel (Kennzahl 2), muss der Tierhalter nach Beratung mit seinem Tierarzt innerhalb von zwei Monaten unaufgefordert einen schriftlichen Maßnahmenplan zur Senkung des Antibiotika-Einsatzes bei der zuständigen Behörde einreichen. Lassen sich die Maßnahmen nicht innerhalb von sechs Monaten umsetzen, ist dem Konzept ein Zeitplan beizulegen.
  • Bei mehrfachem Überschreiten der Kennzahl 2 kann der Landwirt von der zuständigen Behörde aber auch zu weiteren Maßnahmen verpflichtet werden. Dazu zählen
  • Anordnen bestimmter Schutzimpfungen
  • Änderung des Minimierungsplans
  • Änderungen in Haltung und Fütterung
  • Verringerung der Besatzdichte und Bestandgröße
  • Verbesserung der Hygienemaßnahmen
  • Übermittlung weiterer Daten zur Abgabe und Anwendung von Antibiotika

Die zuständige Behörde kann aber auch Daten und Erkenntnisse von anderen Behörden, die die Betriebe beispielsweise im Bereich Tierschutz und Lebensmittelhygiene kontrollieren, anfordern, wenn der Verdacht auf einen Verstoß gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften besteht.

Als ultima ratio kann die Behörde das Ruhen der Tierhaltung für bis zu drei Jahren anordnen.

Wenn die Meldungen nicht erfolgen oder Anordnungen nicht befolgt werden, können Bußgelder verhängt werden. Diese und weitere Maßnahmen sollen alle dazu führen, dass die Therapiehäufigkeit in den Betrieben insgesamt und von Erhebung zu Erhebung sinkt. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) stellte jedoch gleichzeitig klar: "Ein Zurückfahren auf null ist unrealistisch, denn wir können und wollen keinem kranken Tier eine angemessene Behandlung verwehren."

Weitere Effekte des Minimierungskonzeptes liegen darin, dass – wo notwendig – Konzepte für verbesserte Hygienebedingungen entwickelt werden, dass sich der Gesundheitsstatus von Tieren dadurch verbessert und dass alle Beteiligten sich mehr Sachkunde aneignen müssen als bisher. "Von den neuen Regelungen profitieren am Ende alle: Verbraucher, Tiere, Tierhalter und Tierärzte", so Schmidt.

Im Jahr 2019 ist eine Bewertung der in der 16. AMG-Novelle festgelegten Strategien geplant.

Zeitplan zur Umsetzung der 16. AMG-Novelle

  • Das Gesetz trat zum 1.4.2014 in Kraft
  • Erstmalige Meldepflicht für Daten zur Tierhaltung: 1.7.2014
  • Erstmalige Meldepflicht für Daten zur Arzneimittelanwendung und Anzahl gehaltener Tiere: 14.1.2015
  • Erstmalige Verpflichtung für die zuständigen Behörden der Länder, die halbjährliche betriebliche Therapiehäufigkeit an das BVL zu melden: 28.2.2015
  • Erstmalige Veröffentlichung der Kennzahlen 1 und 2 zur bundesweiten Therapiehäufigkeit im Bundesanzeiger durch das BVL: 31.3.2015
  • Erstmalige Verpflichtung des Tierhalters, seine betriebliche Therapiehäufigkeit mit den bundesweiten Kennzahlen abzugleichen: 31.5.2015
  • Erstmalige Einreichung eines Maßnahmenplans an die zuständige Behörde, wenn betriebliche Therapiehäufigkeit größer Kennzahl 2: bis 31.7.2015

Weitere Änderungen für Tierärzte

Zum einen können auch Tierärzte anstelle des Landwirts die halbjährliche Meldung der Daten zum Antibiotikaeinsatz an die zuständige Behörde übermitteln. Allerdings muss der Landwirt den Tierarzt zuvor bei der zuständigen Behörde schriftlich benennen.

Zum anderen enthält das AMG zahlreiche Ermächtigungen für Rechtsverordnungen, das heißt, die Umsetzung erfolgt erst durch Änderung der Tierärztlichen Hausapotheken-Verordnung (TÄHAV) bzw. der Verordnung über Nachweispflichten der Tierhalter für Arzneimittel, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind (ANTHV).

Die folgenden Ausführungen betreffen die §§ 56a, 57 und 58 des Arzneimittelgesetzes:

  • Verbindlichkeit, der mit der Zulassung bestimmter Antibiotika in der Packungsbeilage festgelegten Anwendungsbestimmungen für den Tierarzt (Dosierungsanleitung, Art und Weise der Anwendung), vorausgesetzt, dass die Tiere jederzeit die notwendige arzneiliche Versorgung erhalten.
  • Verpflichtendes Antibiogramm (Laboruntersuchung über die Wirksamkeit eines Antibiotikums), z.B. beim Wechsel eines Antibiotikums und bei einer eventuell erforderlichen Umwidmung
  • Rechtsverbindlichkeit einzelner Vorgaben der „Antibiotika-Leitlinien“ unabhängig ob „Lebensmittel-Tier“ / „Nicht-Lebensmittel-Tier“.
  • Einschränkung des Einsatzes von humanen „Reserveantibiotika“ in Deutschland für die Tierhaltung durch Begrenzung der Umwidmung.

Neben dem Umgang, der Verschreibung und der Anwendung von Arzneimitteln, die zur Anwendung am Tier bestimmt sind, regelt die TÄHAV auch die Nachweispflichten und die Abgabe von Medikamenten. Daher können durch die TÄHAV auch weitere Verpflichtungen zur Nachweisführung, z.B. über Behandlung oder Art und Umfang durchgeführter Untersuchungen, bindend werden.

Weitere Strategien zur Verringerung von Resistenzen

Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie "DART"
Ziel der im Jahr 2008 ins Leben gerufenen Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie "DART" ist die Reduzierung und Verminderung der Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen in Deutschland, u.a. durch

  • Erfassung der Antibiotikamengen in der Veterinärmedizin
  • permanente Überwachung der Entwicklung der Antibiotika-Resistenzsituation
  • verbesserte Information von Tierärzten, Landwirten und Verbrauchern
  • Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes bei Verbesserung der Prophylaxe und Hygiene zur Verhinderung von Infektionskrankheiten

Arbeitsgruppe "Antibiotika-Resistenzen"

Aufgabe der von BfR und BVL geschaffenen Arbeitsgruppe "Antibiotika-Resistenzen" ist die Analyse aller neuen Erkenntnisse wie etwa der Ergebnisse des Resistenz-Monitorings oder der Daten zu Abgabemengen sowie die Erstellung von Risikobewertungen hinsichtlich der Antibiotika-Resistenzentwicklung. Zudem soll sie Strategien für das Risikomanagement erarbeiten.

Erfassung der Abgabemengen von Tierarzneimitteln (DIMDI)

Die DIMDI-Arzneimittelverordnung (DIMDI-AMV) verpflichtet pharmazeutische Unternehmer und Großhändler seit 2012, die Abgabemengen von Tierarzneimitteln mit antimikrobiellen oder hormonellen Wirkstoffen zu erfassen und zu melden. Erste Zahlen liegen für die Jahre 2011 und 2012 vor.

Literatur

1 Die 16. AMG-Novelle

  Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2014)
  Webseite
  Website


2 Weniger Antibiotika in der Tierhaltung: Novelliertes Arzneimittelgesetz verkündet

  Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaf (2013)
  Pressemitteilung Nr. 278 vom 16.10.13
  Website


3 Neues Arzneimittelgesetz für mehr Schutz vor Antibiotika-Resistenzen

  Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2014)
  Webseite
  Website


4 Start der systematischen Antibiotika-Minimierung in der Tierhaltung

  Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaf (2014)
  Pressemitteilung Nr. 83 vom 31.03.14
  Website


5 Abteilung 6 – Dezernat 600 - Tierarzneimittelüberwachung 16. Novellierung des Arzneimittelgesetzes (AMG) - Mitteilungspflichten der Tierhalter Elke Kleiminger: Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit -Dezernat 23 Tierarzneimittelüberwachung und Rückstandskontrolldienst (2014). Änderungen im Arzneimittelrecht für Tierärzte und Tierhalter 16. AMG-Novelle (Vortrag/Webinar) Ramona Schneichel (2014). Antibiotika im Visier. Veterinärspiegel 1:27-29 Ute Tietjen (2014)

  Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (2014)
  16. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. Inhalte und Hintergründe im Überblick. Deutsches Tierärzteblatt 1/2014; 12-15
  Website