Der Status quo
Bei der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie (BSE) handelt es sich um eine Transmissible Spongiforme Enzephalopathie (TSE), die bei Rindern vorkommt und bei diesen Wesens-, Bewegungs- und Sensibilitätsstörungen mit fatalem Ausgang hervorruft.
Am 24. November 2000 wurde BSE zum ersten Mal bei einem in Deutschland geborenen Rind in Schleswig-Holstein festgestellt. Den letzten bestätigten Fall der klassischen Variante der BSE gab es im Juni 2009. Anfang 2014 wurden außerdem zwei atypische Fälle der Erkrankung bei Rindern festgestellt.
Die Zahl der bisher in Deutschland bestätigten BSE-Fälle (Stand Juli 2020): 415
Die BSE ist inzwischen bei Rindern aus nahezu allen Bundesländern festgestellt worden. Die meisten der betroffenen Tiere stammen jedoch nach wie vor aus Bayern.
Im Jahr 2001 lag die Zahl der BSE-Fälle mit 125 geringgradig höher als in 2002, wo lediglich 106 BSE-Fälle festgestellt wurden. 2003 sank die Zahl auf 54 Fälle. 2004 stieg die Zahl leicht auf 65 Fälle an. Im Jahr 2005 wurden dagegen nur noch 32 BSE-Fälle in Deutschland registriert. Im Jahr 2006 sank die Zahl weiter auf 16 Fälle und im Jahr 2007 auf nur noch 4 Fälle. Im Jahr 2008 und 2009 waren es dann jeweils noch zwei Fälle. Dann wurde erst wieder im Oktober 2013 und im Januar sowie Februar 2014 jeweils ein BSE-Fall festgestellt.
Im Folgenden können Sie sich über die Geschichte der BSE, die Details der Krankheit sowie die Diagnosefindung als auch über die verschiedenen Entstehungstheorien und die epidemiologischen Verbreitungswege informieren.
BSE-Statistiken
Hier finden Sie die aktuelle Statistik über die BSE-Fälle in Deutschland.
BSE in Deutschland
Nachdem am 24. November 2000 in Deutschland der erste BSE-Fall bei einem Rind aus Schleswig- Holstein festgestellt worden ist, sind heute (Stand: Juli 2020) bereits 415 BSE-Fälle von der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere, die das BSE-Referenzzentrum für Deutschland darstellt, bestätigt worden. Im Jahr 2001 lag die Zahl der BSE-Fälle mit 125 geringgradig höher als in 2002, wo lediglich 106 BSE-Fälle festgestellt wurden. 2003 sank die Zahl auf 54 Fälle. 2004 stieg sie leicht auf 65 Fälle an. In 2005 wurden jedoch nur noch 32 BSE-Fälle registriert. Die Zahl sank in den Jahren 2006 bzw. 2007 weiter auf 16 bzw. 4 Fälle. Im Jahr 2008 und 2009 traten nur noch jeweils 2 Fälle von BSE auf. Bis Oktober 2013 wurde dann in Deutschland kein BSE-Fall mehr festgestellt. Der jüngste Fall wurde Anfang Februar 2014 diagnostiziert.
Hier findet sich die aktuelle
BSE-Fall-Statistik des BMEL.
Während Politiker und Wissenschaftler anfänglich davon ausgingen, dass sich die Zahl der BSE-Fälle in Deutschland noch um ein Vielfaches erhöhen werde, wurden die anfänglich beschlossenen BSE-Schutzmaßnahmen inzwischen gelockert. So wurden in Deutschland von Januar 2001 bis Juni 2006 alle Schlachtrinder ab einem Alter von 24 Monaten mittels eines BSE-Schnelltests untersucht. Im Juni 2006 wurde das BSE-Testalter dann von 24 auf 30 Monate heraufgesetzt. Ab dem 1. Januar 2009 stand es den EU-Mitgliedsländern frei, das BSE-Testalter auf 48 Monate herauf zu setzen. Ab dem 1.Juli 2011 konnten die Mitgliedsstaaten die Grenze für das Testalter dann sogar auf 72 Monate erhöhen. Seit dem 1. Januar 2013 ist die EU-weite Pflicht für systematische Tests generell aufgehoben. Aufgrund der Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BFR) und des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) bleibt in Deutschland die allgemeine Untersuchungspflicht für gesundgeschlachtete Rinder jedoch bestehen. Seit dem 5. Juli 2013 müssen in Deutschland allerdings nur noch Rinder getestet werden, die ein Mindestalter von 96 Monaten aufweisen.
Sehen Sie hier die
Statistik der jedes Jahr auf BSE untersuchten Rinder in Deutschland.
Weiterhin werden im Rahmen des BSE-Überwachungsprogramms alle klinisch auffälligen Tiere sowie alle Krank- und Notschlachtungen auf BSE getestet.
Für Wildwiederkäuer und kleine Wiederkäuer ab einem Alter von 18 Monaten ist die Durchführung von
stichprobenartigen TSE-Tests.im Rahmen sogenannter Monitoring-Programme seit dem 1. Januar 2002 Pflicht.
Jeder durch einen BSE-Schnelltest ermittelte BSE-Verdacht wird abschließend in der Bundesforschungsanstalt für Viruserkrankungen der Tiere in Tübingen überprüft.
Anzahl der BSE-Fälle in den einzelnen Bundesländern
|
Anzahl
der BSE- Fälle (1.7.2020)
|
Baden-
Württemberg |
47 |
Bayern |
143 |
Berlin |
0 |
Brandenburg |
18 |
Bremen |
0 |
Hamburg |
1 |
Hessen |
11 |
Mecklenburg-
Vorpommern |
14 |
Niedersachsen |
76 |
Nordrhein-
Westfalen |
23 |
Rheinland-
Pfalz |
14 |
Saarland |
1 |
Sachsen |
15 |
Sachsen-
Anhalt |
10 |
Schleswig-
Holstein |
32 |
Thüringen |
9 |
|
|
Total |
415 |
Quelle:
Eine Übersicht über den BSE-Status der Länder weltweit finden Sie bei der
OIE.
TSE
TSE steht für Transmissible Spongiforme Enzephalopathien, die aufgrund ihrer Pathogenese auch als Prionenkrankheiten bezeichnet werden. Die Gruppe der TSE ist gerade in den letzten Jahren in das Interesse der Öffentlichkeit geraten, nachdem ein Zusammenhang zwischen der BSE des Rindes und der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) beim Menschen vermutet wurde.
Die Charakteristika von Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien
Die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) gehört ebenso wie die Neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) in die Gruppe der Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien (TSE). Bei den TSE handelt es sich um übertragbare degenerative Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS), die chronisch progressiv verlaufen und stets tödlich enden.
Es gibt verschiedene Formen der TSE, die sich hinsichtlich ihrer Genese unterscheiden. Man kennt beim Menschen heriditär bedingte Formen, iatrogen erworbene und die sogenannten sporadischen/spontanen Formen mit ungeklärter Ursache. Beim Tier sind dagegen nur TSE bekannt, denen eine infektiöse Genese zugrunde liegt.
Bislang sind TSE erst post mortem zweifelsfrei feststellbar. Dennoch gibt es einige wenige spezielle diagnostische Kriterien, die eine Diagnosestellung erleichtern. Post mortem liefert die Neuropathologie den abschließenden Beweis über ein Vorliegen einer TSE Erkrankung.
Alle Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien sind neuropathologisch durch sehr charakteristische Veränderungen der Gehirnsubstanz (Enzephalopathie) gekennzeichnet
(
Lantos
1992,
Fraser
1993). Diese stets symmetrisch auftretende, schwammartige (spongiforme) Vakuolenbildung, kann entweder in den Nervenzellen selbst auftreten oder das umliegende Parenchym (Neuropil) betreffen. Außerdem lässt sich immer ein Untergang von Nervenzellen sowie eine Astrogliose beobachten (
Landis
et al 1981). Zudem ist eine pathologische Isoform eines körpereigenen Glykoproteins (das sogenannte Prion) mit immunologischen Methoden im Gehirn entweder in fibrillärer oder granulomatöser Form nachweisbar (
Narang
2002). Bei unterschiedlich vielen Individuen einer Spezies läßt sich darüber hinaus auch eine Akkumulation dieses Glykoproteins zu sogenannten Amyloid-Plaques beobachten (
DeArnold
et al 1985).
Transmissible Spongiforme Enzephalopathien beim Tier
Die bei Tieren bislang bekannten spongiformen Enzephalopathien (SE) sind ausnahmslos infektiösen Ursprungs. Erbliche Erkrankungen dieser Art sind bei Tieren bisher unbekannt.
In der Tabelle sind die unter "natürlichen" Bedingungen bei Tieren auftretenden TSE aufgeführt. Jede dieser SE lässt sich experimentell nicht nur auf andere Tiere der entsprechenden Spezies übertragen, sondern auch auf andere Tierarten. Neben der Spezies ist auch das Jahr der Erstbeschreibung sowie in Klammern das Jahr, in dem die Übertragbarkeit der jeweiligen Krankheit nachgewiesen werden konnte, angegeben.
Transmissible Spongiforme Enzephalopathien des Menschen
In der Vergangenheit wurden die TSE des Menschen auch häufig als 'subakute spongiforme Enzephalopathien', 'Slow Virus Disease' oder 'Transmissible Dementias' bezeichnet. Beim Menschen ist eine erworbene, eine angeborene und eine spontane Genese von TSE bekannt. Die Genese der spontan/sporadisch auftretenden TSE-Form ist unklar.
PrPc und PrPres
Aufbau und Funktion:
Zelluläre Prionproteine (PrPc) werden von nahezu allen Spezies physiologischerweise durch ein chromosomales Gen, das Prionproteingen (PRNP), codiert (
Chesebro
et al 1985). Prionproteine sind aus etwa 255 Aminosäuren aufgebaut und weisen eine Molekularmasse von 29- 35 kD auf. Die Aminosäuresequenzen des Prionproteins ist bei den Säugetierspezies zu 85 bis 97 Prozent identisch. Das bedeutet, dass es sich um ein im Rahmen der Evolution hoch konserviertes Protein handelt (
Gabriel
et al 1992). Prionproteine sind in der Zellmembran verankerte, kupferbindende Glykoproteinmoleküle (Glykosylphosphatidylinositol, GPI), die in besonders großer Zahl auf der Oberfläche von Nervenzellen anzutreffen sind (
Horiuchi
1995). In geringerer Zahl sind sie aber auch auf der Oberfläche von Zellen des lymphatischen Gewebes sowie auf anderen Zellen nachweisbar. PrPc wird in der Zelle synthetisiert, aus der Zelle auf die Oberfläche transportiert und zu gegebener Zeit zum Zweck des Abbauvorganges wieder in die Zelle internalisiert (
Caughey
et al 1989).
Die Funktion der PrPc ist bislang unklar (
Lledo
1996). Es wird zum einen eine pleiotrope Rolle von PrPc sowohl für die Zellen des Nervensystems als auch für andere Zellen vermutet (
Martins
et al 2002), zum anderen wird eine synaptische Funktion sowie ein Einfluss der Lebensdauer von Purkinje-Zellen (
Sakaguchi
et al 1996) diskutiert. Mäuse, bei denen durch die Inaktivierung des PRNP die Synthese der Prionproteine verhindert wurde, sogenannte Knock-out-Mäuse, zeigten weder Auffälligkeiten in der physiologischen Entwicklung noch in ihrem Verhalten. Daraus wurde geschlossen, dass die physiologische Bedeutung des PrPc nur gering oder aber durch andere zelluläre Mechanismen kompensierbar sein muss (
Büeler
et al 1992,
1993).
Prionen, die auch Scrapie-assoziierte Prionen (PrPsc, PrPres) genannt oder abstrakt als PrPres abgekürzt werden, sind ebenfalls reine Glykoproteine mit einem Molekulargewicht von 27-30 kDa. Die Aminosäuresequenz der PrPc ist mit denen der PrPsc identisch und sie lassen sich nach teilweiser Proteolyse aus den leicht größeren Prionproteinen gewinnen. Dabei werden die ersten 60 Aminosäuren der PrPc proteolytisch abgebaut, während der Rest des Proteinmoleküls eine Resistenz gegen das Enzym Proteinase K aufweist (PrP27-30).
Physikalisch-chemische Eigenschaften:
Die physikalisch-chemischen Eigenschaften der beiden Proteine PrPc und PrPres variieren jedoch erheblich. Prionen sind proteaseresistent und wasserunlöslich, was ihren Abbau im Organismus nahezu unmöglich macht und sich sich sowohl intra- als auch extrazellulär ablagern. Die Folge ist die Abblagerung des pathologischen Glykoproteins und in vielen Fällen die Akkumulation zu sogenannten Amyloid-Plaques.
Außerdem sind sie sehr stabil und gegen Umwelteinflüsse weitestgehend resistent. Weder Säuren, DNSsen und RNSsen angreifende Desinfektionsmittel, sehr hohe Temperaturen, UV-Strahlen, ionisierende Strahlung (
Bellinger-Kawahara
et al 1987) noch andere anerkannte Inaktivierungsverfahren konventioneller Erreger können der pathologischen Form des Proteins vollständig die Infektiosität nehmen, die mit dem proteaseresistenten Teilstück PrP27-30 in Verbindung gebracht werden.
Die hohe Widerstandsfähigkeit erfordert eine besondere Auswahl von Desinfektions- und
Sterilisationsmaßnahmen, um eine Übertragung durch Medizinprodukte sicher ausschließen zu können.
Mindestens
partiell wirksame Verfahren / Mittel |
Unwirksame
Verfahren / Mittel
|
-
sorgfältige (insbesondere alkalische) Reinigung
- 1 M NaOH mind. 1 h, 20° C
- 2,5 - 5 % NaOCl mindestens 1h; 20° C (mindestens 20.000
ppm Chlorgehalt)
- mind. 4 M GdnSCN mind. 30 Minuten; 20° C
- Dampfsterilisation |
-
Alkohol
- Aldehyde; Formaldehyd-Gas
- Ethylenoxid-Gas
- H2O2
- Phenole
- Iodophore
- HCl
- Trockene Hitze
- UV-Strahlung
- Ionisierende Strahlung |
Die Protein-only-Hypothese
Schon Griffiths hatte 1967 den Protein-only-Verdacht geäußert.
Stanley
B. Prusiner postulierte diesen Verdacht
1982
in der "Protein-only-Hypothese" konkreter. Laut Prusiner handelt es sich bei dem Erreger von TSE um sogenannte "proteinaceous infectious particels", die er kurz als Prionen bezeichnete. Prionen enthalten demnach keinerlei genetisches Material, was für eine klassische Replikation nach heutigem Kenntnisstand zwingend notwendig ist. Stattdessen verändern PrPres in einem postranslationalen Prozess die räumliche Struktur (Sekundär- und Tertiärstruktur), nicht aber die Aminosäuresequenz (Primärstruktur) der zellulären Prionproteinen. Dies geschieht durch den Kontakt eines PrPc mit einem PrPres, indem sich ein PrPc und ein PrPres zu einem PrPc/PrPres - Heterodimer zusammenlagert, auf die eine Transformation zu einem PrPres/PrPres - Homodimer folgt. Anschließend dissoziiert das Dimer in zwei PrPres- Monomere. Die PrPres können dann wieder andere PrPC transformieren und der Vorgang setzt sich lawinenartig fort. Als Ort der Transformation wird entweder die Zelloberfläche oder das Innere der Zelle angesehen. Ungeklärt ist dabei, wie dieser energetisch ungünstige Vorgang katalysiert wird. Fest steht dagegen, dass die Entstehung eines PrPres wesentlich mehr Zeit benötigt, als die Synthese eines PrPc. An der Umfaltung des Proteins sind möglicherweise sogenannte Hitzeschockproteine (Chaperone) beteiligt (
Edenhof
et al 1996).
PrPc besitzen im Kern zu einem hohen Prozentsatz Alpha-Helices und so gut wie keine Beta-Faltblattstrukturen, hingegen bei den PrPres die Beta-Faltblattstruktur überwiegt. Diese Konformationänderung bewirkt den pathogenen Charakter der Prionen.
Wie die Schädigung der Zellen durch die gebildeten infektiösen Prionen letztlich zustande kommt, ist bislang ungeklärt. In kultivierten Nervenzellen reichert sich das körperfremde Protein in den Lysosomen an, deren Aufgabe im Abbau von Material besteht. Prusiner vermutet, dass übervolle Lysosomen die (Nerven)zelle schädigen könnten, was aber bislang nicht bewiesen werden konnte. Beim Absterben der Nervenzelle würde das in den Lysosomen gespeicherte Material erneut freigesetzt und könnte weitere Nervenzellen in seiner Umgebung schädigen. Der Untergang vieler Nervenzellen macht sich in entsprechend fortgeschrittenem Stadium der Erkrankung in zentralnervösen Störungen bemerkbar.
Andere Wissenschaftler halten ein Slow-Virus für die Ursache von TSE, während wieder andere die "Virino-Hypothese" propagieren.
BSE
Bei der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie (BSE) handelt es sich um eine Transmissible Spongiforme Enzephalopathie (TSE), die bei Rindern vorkommt und bei diesen Wesens-, Bewegungs- und Sensibilitätsstörungen mit fatalem Ausgang hervorruft. Die Ursache dieser Störungen resultieren bei der BSE aus einer progressiven Degeneration der Zellen des ZNS, die durch sogenannte "proteinaceous infectious particels" - kurz Prionen - hervorgerufen wird. Diese Prionen stehen im Verdacht, neben der BSE des Rindes, auch die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK, vCJD) beim Menschen zu verursachen. Die vCJK gehört auch zu den TSE, und ist vermutlich die Folge einer Infektion mit BSE-kontaminierten Rinderprodukten, insbesondere über Nahrungsmittel.
Am 24. November 2000 wurde die BSE auch bei einer in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kuh registriert. Seitdem sind 413 BSE-Fälle (Stand Okt. 2013) in Deutschland auf mehrere Bundesländer verteilt festgestellt worden. Die meisten der betroffenen Tiere Stammen aus Bayern.
Im Folgenden können Sie sich über die Geschichte der BSE, die Details der Krankheit sowie die Diagnosefindung als auch über die verschiedenen Entstehungstheorien und die epidemiologischen Verbreitungswege informieren.
GESCHICHTE
Großbritannien:
Seit April 1985 beobachteten einige Tierärzte in Großbritannien (GB) vereinzelt ungewöhnliche neurologische Symptome bei Kühen. 1986 wurden dann zwei solche Kühe im Zentralen Veterinärlabor in Weybridge (CVL) näher untersucht. Dabei konnten bei der histopathologischen Untersuchung der Gehirne der Tiere ähnliche Veränderungen wie bei der Scrapie der Schafe und Ziegen festgestellt werden. Auffällig war die spongiforme Degeneration bestimmter Areale. Seitdem wird diese spongiforme Enzephalopathie ber Rindern wissenschaftlich als Bovine Spongiforme Enzephalopathie bezeichnet. Umgangssprachlich wurde auch der Begriff Mad Cow Disease oder Rinderwahnsinn für diese Krankheit benutzt.
Bereits Ende 1985 wurden deutlich mehr Rinder mit nerologischen Symptomen in GB beobachtet. Die Zahl der erkrankten Tiere belief sich in diesem Jahr auf ungefähr 60 Tiere, während im Jahre 1987 bereits 446 BSE-Fälle gemeldet wurden. In den kommenden Jahren stieg die Zahl der BSE-Fälle in GB sprunghaft an, um 1992 ihren Höhepunkt zu erreichen. In diesem Jahr wurden 37.000
infizierte Tiere registriert. Anschließend war die Zahl der BSE-Fälle in GB konstant rückläufig.
Im Jahre 2000 wurden in GB "nur" noch 1.500 BSE Fälle gemeldet. Eine Abnahme der BSE-Fälle in GB wird auf das Tiermehlverfütterungsverbots an Wiederkäuer im Jahre 1988 zurückgeführt.
Von 1986 bis heute ist bei mehr als 178.000 (178.644) Tieren des britischen Königreichs BSE nachgewiesen worden (Statistik des DEFRA und der OIE). Die meisten der registrierten, betroffenen Tiere gehörten der Rasse Holstein Friesian an und wurden im Jahre 1987 geboren. Aber auch die Jahrgänge 1985, 1986, 1988 und 1989 sind stark mit der BSE infiziert gewesen (BSE-Inquiery-Report). 81 % der Tiere, bei denen BSE registriert worden ist, waren Milchrinder, nur 11,8 % Masttiere und 5,9 % konnten einer Zwei-Nutzungsrasse zugeordnet werden. Weiterhin sind die meisten der betroffenen Rinder in den Mastbetrieben aus Milchviehbeständen zugekauft worden. Die Kälber der Milchrinder wurden meist kurz nach der Geburt von den Muttertieren getrennt und anstelle von Vollmilch mit Milchaustauschern aufgezogen, die tierische, aus Schlachtabfällen gewonnene Fette enthielten. Zusätzlich erhielten die Jungtiere bereits sehr früh mit Tiermehl angereichertes Kraftfutter.
Die in GB von der BSE betroffenen Tiere stammten aus 35.328 verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben, wobei es sich in der Mehrzahl der Fälle um Einzeltiererkrankungen des Bestand handelte. Kamen in einem Bestand mehrere Rinder mit einer BSE-Infektion vor, so handelte es sich meist um Tiere der gleichen Herde, die alle das gleiche Futter erhalten haben.
In Großbritannien wurde in 61,5 % aller Milchviehherden und 16,8 % aller Mastviehbestände mindestens jeweils ein Fall registriert. Insgesamt wurden in nahezu 38 % aller Herden Großbritanniens BSE-Fälle registriert.
Zusätzlich konnte ein Nord-Süd-Gradient für die Inzidenz in Milchviehherden in GB mit mehr infizierten Tieren im Süden als im Norden ausgemacht werden. Für dieses Gefälle fanden sich verschiedene Erklärungen:
1. In Schottland wurde bei der Fettextraktion bei der Tiermehlherstellung nicht auf Hydrocarbonsäuren verzichtet.
2. Viele der Futtermittelhersteller im Norden verzichteten auf die Beimischung von Tiermehl unter das Milchviehkraftfutter.
3. Bei der Tiermehlherstellung wurde hier außerdem Griebenfett verwendet, was eine doppelte Hitzebehandlung notwendig machte.
Nordirland:
In Nordirland trat der erste BSE-Fall Ende des Jahres 1988 auf. Seitdem sind dort rund 1.800 Fälle registriert worden. Anfang 1989 wurde das Tiermehlverfütterungsverbot sowie die Anzeigepflicht für BSE eingeführt. Der bisherige Höhepunkt der "BSE-Epidemie" ist 1994 aufgetreten. Seitdem ist die Zahl der betroffenen Tiere konstant gesunken. Die Inzidenzfaktoren stimmen weitestgehend mit denen in Großbritannien überein (Denny et al 1992, 1997). Auch hier erkrankte nur ein sehr geringer Prozentsatz der Nachkommen von BSE infizierten Kühen. Auffällig ist hier allerdings, dass die meisten BSE-Tiere kurz nach der Einführung des Verfütterungsverbots geboren wurden (Born-after-ban, BAB). Erklärt wird dieser Tatbestand durch die Annahme, dass die Tiere noch Futtermittel erhielten, die vor dem erlassenen Verbot hergestellt worden sind, bzw. es sich um Kreuzkontaminationen handelt (Denny et al 1997). Weiterhin wurde aufgrund von epidemiologischen Untersuchungen die Vermutung manifest, dass der Erreger in den Jahren 1983/1984 durch aus GB importiertes Tiermehl eingeführt wurde.
Republik Irland:
In der
Republik Irland trat der erste BSE-Fall Ende Januar 1989 auf. Bis zum Jahre 2002 wurden 894 BSE-Fälle registriert, von denen die meisten bislang auf das Jahr 2001 entfallen. Dies lässt sich durch die Einführung der BSE-Schnelltests in den EU-Ländern, als auch durch die verschärfte TSE-Überwachung seit Beginn des Jahres 2001 erklären. Bereits seit 1996, als das TSE-Überwachungsprogramm und die BSE-Schutzmaßnahmen in den EU-Mitgliedsstaaten erstmalig verschärft wurden, stieg die Zahl der BSE-Fälle an. Seit 1990 ist das Verfüttern von Tiermehl an Wiederkäuer verboten.
Schweiz:
In der
Schweiz wurde der erste BSE-Fall Anfang November 1990 entdeckt. Bis zum März 2012 sind dort insgesamt 467 infizierte Tiere registriert worden. Der Höhepunkt konnte hier bisher für das Jahr 1994 mit 68 bestätigten Infektionen ermittelt werden. Seit 2001 ist die Zahl der BSE-Fäll stark rückläufig. Zwischen 2007 und 2010 wurde kein einziger Fall registriert. Zuletzt (Stand März 2012) wurden 2011 und 2012 im Rahmen des Monitoring-Programmes insgesamt drei Infektionen bestätigt.
Frankreich:
In Frankreich trat der erste BSE-Fall offiziell im Jahre 1991 auf. Seitdem ist die Zahl der BSE-Fälle auf 572 gestiegen. Besonders viele Fälle sind hier im Westen des Landes zu beobachten. Der bisherige Höhepunkt trat 1995 (1994) auf, seither ist die Zahl der BSE-Fälle stark zurückgegangen.
Deutschland:
Erst Ende November 2000 ist auch in Deutschland der erste BSE-Fall bekannt geworden. Die Infektion wurde bei einem Tier aus Schleswig- Holstein festgestellt, als der Landwirt das Tier einem freiwilligen BSE-Test unterzog.
Zwar sind seit Mitte der 90er Jahre in Deutschland sechs BSE-Fälle bei Importrindern registriert worden, maßgebliches Kriterium für den Status "BSE- frei" ist jedoch das Geburtsland des Tieres.
Seither wurden 413 BSE-Fälle (Stand Okt.2013) in Deutschland festgestellt. Die regionale Verteilung der BSE-Fälle in Deutschland ist sehr unterschiedlich. Es gibt zum einen BSE-freie Bundesländer und zum anderen den Freistaat Bayern, der eine BSE-Statistik von derzeit (Stand: Okt. 2013) 143 Fällen aufweist. Länder wie Niedersachsen und Baden-Württemberg folgen mit 76 und 47 BSE-Fällen. Dies ist einerseits durch die unterschiedlich hohe Viehdichte der einzelnen Länder, andererseits aber wahrscheinlich auch auf die angewandten Fütterungspraktiken sowie die Hauptbezugsquellen der Futtermittel der Länder zu erklären. Seit 2009 wurde in Deutschland keine BSE-Infektion mehr registriert.
BSE IM DETAIL
Seit im November 2000 die BSE auch bei Rindern in Deutschland festgestellt worden ist, mussten sich vor allem die Rinderpraktiker mit dieser "neuen" Krankheit auseinandersetzen, um eine BSE-Erkrankung richtig diagnostizieren zu können. Bei der BSE handelt es sich um eine anzeigepflichtige Krankheit.
Bei Rindern, die an der Bovine Spongiforme Enzephalopathie leiden, ist ein charakteristisches Krankheitsbild mit schleichendem Verlauf zu beobachten. Dabei magern die Tiere bei erhaltener Fresslust mehr und mehr ab und die Milchleistung geht zurück. Diese Erkrankung ist aber besonders durch Störungen des Verhaltens, der Bewegung und der Sensibilität gekennzeichnet (
Braun et al 1998, Cranwell et al 1988,
Wells et al 1987).
Das folgende Kapitel berücksichtigt hauptsächlich die Untersuchungen des Schweizers Prof. Dr. Ueli Braun von der Universität Zürich von lebenden Rindern auf das Vorliegen einer BSE-Erkrankung.
Spezies:
Die BSE ist eine Erkrankung des ZNS, die beim Rind vorkommt.
Eine experimentelle Übertragung erregerhaltigen Materials über eine Injektion direkt in den Liquor mit anschließender Erkrankung der Individuen ist bei 18 Spezies nachgewiesen unter anderem bei Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen, Makaken, Nerzen, Ratten und Mäusen (
Bradley 1993). Bei verschiedenen dieser Spezies konnte auch eine orale Infektion beobachtet werden (
Patterson et Dealler 1995). Beim Schwein dagegen konnten laut Dawson und Mitarbeitern auch 60 Monate nach einem oralen Infektionsversuch noch keine Anzeichen einer Infektion festgestellt werden. Bei Hühnern konnte eine Infektion mit dem BSE-Erreger weder parenteral noch oral hervorgerufen werden (Dawson). Hingegen die anamnestischen, klinischen und mikroskopischen Befunde eines weiblichen Strauß in einem deutschen Zoo auf eine orale Infektion mit dem BSE-Erreger hindeuten könnten (
Schoon et al 1991).
Neibergs (
Neibergs et al 1994) und Mitarbeiter äußerten den Verdacht, dass auch bei Rindern eine genetische Prädisposition für eine BSE-Infektion bestehen könnte.
Erreger:
Am weitverbreitesten ist die Annahme, dass es sich bei dem Erreger der BSE um sogenannte Prionen handelt.
Proteinaceous infectious particels = Prionen (PrPsc; PrPres)
PrPc = zelluläres Prionprotein
Bei PrPc handelt es sich um ein reines Glykoprotein, dass keinerlei genetisches Material besitzt, von einem chromosomalen Gen codiert und in den Zellen des Organismus synthetisiert wird. Es befindet sich in sehr großer Zahl auf der Oberfläche von Nervenzellen, aber auch auf der Oberfläche von anderen Zellen, unter anderem auch auf der Oberfläche von lymphatischen Zellen. Sie werden durch Proteinasen nach der Wiederaufnahme in die Zelle abgebaut. Bei den Prionen, den vermeintlichen Erregern von infektiösen TSE, handelt es sich dagegen um eine pathologische Isoform des PrPc. Der Unterschied zwischen dem PrPsc und dem PrPc liegt nur in der räumlichen Struktur, nicht in der Aminosäuresequenz. Anstelle von Alpha-Helices weist die pathologische Form einen großen Anteil an Beta-Faltblattstrukturen auf. Eine der chrakteristischen Eigenschaften von PrPscist zum einen eine Resistenz gegenüber der Proteinase K, und zum anderen die extreme Widerstandsfähigkeit gegenüber herkömmlichen Inaktivierungsverfahren.
Aufgrund der Proteinase K Resistenz können die PrPsc nicht abgebaut werden, stattdessen aggregieren sie in der Zelle oder im Neuropil. Auch eine Akkumulation zu sogenannten Amyloid-Plaques (
Van Keulen et al 1995) kann bei etwa 5 % (
Wells et al 1991)der BSE-infizierten Rinder beobachtet werden.
Infektiosität und Infektionswege:
Für die BSE des Rindes wird wie für alle anderen natürlicherweise bei Tieren vorkommenden TSE ein infektiöses Geschehen vermutet. Einige Wissenschaftler halten aber auch eine genetische Prädisposition der Rinder für die Voraaussetzung der Entstehung einer BSE-Infektion (
Neibergs et al 1994) für möglich.
Die BSE-Infektion des Rinds erfolgt laut Wilesmith oral über infizierte Futtermittel. Bei diesen Futtermitteln handelt es sich um solche, die Anteile von tierischem Eiweiss enthalten, das die pathologischen, infektiösen Prionen beherbergt.
Eine horizontale Übertragung des Erregers durch den Kontakt von Tier zu Tier sowie eine vertikale Übertragung von dem Muttertier auf das Kalb spielt als Infektionsweg wahrscheinlich keine große Rolle (Wilesmith et al
1988,
1991,
1992,
1997). Dennoch kann auch die Möglichkeit einer vertikalen Infektion weiterhin nicht ausgeschlossen werden und sie wird unter den Wissenschaftlern kontrovers diskutiert.
Experimentell konnte ermittelt werden, dass die Infektiosität des Erregers an den Infektionsweg gebunden ist. Es konnte gezeigt werden, dass bei einer oralen Erregeraufnahme die Infektiosität des Erregers etwa 1000 Mal geringer ist als bei einer intrazerebralen Infektion (
Kimberlin 1979), was sich auch in der Länge der Inkubationszeit bemerkbar macht. Die Infektiosität des Erregers nimmt in folgender Reihenfolge ab und die Inkubationszeit zu:
intrazerebral > intravenös > intraperitoneal > subcutan > oral.
Infektionszeitpunkt:
Es ist nicht möglich, den genauen Zeitpunkt der BSE-Infektion zu bestimmen. Sehr wahrscheinlich sind die Tiere für eine Infektion in den ersten Monaten nach der Geburt besonders empfänglich. Dieser Zeitraum gilt als häufigster Infektionszeitpunkt (
Wilesmith et al 1988).
Inkubationszeit:
Die Inkubationszeit liegt zwischen 18 Monaten und mehreren Jahren.
Die mittlere Inkubationszeit von Rindern in GB beträg fünf Jahre. Es scheint eine direkte Korrelation zwischen Erregerdosis, der Dauer der Inkubationszeit (
Prusiner et al 1982) und der Art der Erregeraufnahme (Infektionsweg) zu geben. Eine orale Infektion verlängert die Inkubationszeit gegenüber einer intrazerebralen Infektion erheblich (
Foster et al 1993).
Erkrankungszeitpunkt:
Das jüngste Tier, bei dem eine BSE-Infektion nachgewiesen werden konnte, war 20 Monate alt, das Älteste bisher 19 Jahre. Die meisten von der BSE betroffenen Tiere waren älter als 30 Monate. Typische klinische Krankheitssymptome sind bereits ab einem Alter von 22 Monaten möglich (
Wilesmith et al 1992).
Anamnese:
Es ist besonders wichtig, eine ausführliche Anamnese über die beobachteten Verhaltensänderungen des betroffenen Tieres zu erheben. Wichtig sind die Fragen nach
- der Nervosität,
- der Schreckhaftigkeit,
- der Ängstlichkeit,
- der plötzlich auftretenden Agressivität von zuvor braven Tieren,
- dem Ausschlagen bei Annäherung von Personen und bei Berührungen und
- einem veränderten Verhalten beim Melken.
Die Anamnese über eine etwaige Verhaltensänderung ist besonders bei Tieren, die in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung oder aber gar im Endstadium vorgestellt werden von großer Relevanz. In diesen Stadien ist eine Fehldiagnose sehr leicht möglich, da die Tiere hier häufig sehr unspezifische Symptome zeigen wie ein stark gestörtes Allgemeinbefinden, Festliegen und Dekubitus.
Gegen eine BSE sprechen folgende anamnestische Erhebungen:
- Alter: < 3 Jahre oder > 10 Jahre,
- gleichzeitige Erkrankung mehrerer Tiere eines Betriebes,
- akute Symptome,
- Symptome, die nur das Verhalten, nur die Bewegung oder nur die Sensibilität betreffen und nicht in allen drei Bereichen gleichzeitig Störungen auftreten oder
- das generelle Fehlen von Verhaltens-, Bewegungs- und Sensibilitätsstörungen.
Symptomatik / Untersuchungsgang:
Beginn:
Anfangs können viele unspezifische Symptome beobachtet werden. Bei sehr genauer Beobachtung der Tiere wird meist eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes, speziell des Ernährungszustandes, und ein struppiges Haarkleid festgestellt. Der Appetit ist meist nicht beeinträchtig, wohingegen die Wiederkauzeit oft reduziert ist. Bei einigen lässt sich eine erhöhte Rektaltemperatur (> 39.0 °C) messen und eine verminderte Intensität der Pansenmotorik sowie dessen reduzierte Füllung feststellen. Häufig ist eine Bradykardie feststellbar, obwohl die gesteigerte Nervosität eher eine Tachykardie erwarten ließe.
Der anfänglich nur geringe Rückgang der Milchleistung wird immer ausgeprägter. Häufig werden die Tiere auch vorzeitig trocken gestellt und es fällt ein schlaffes, zum Teil kleines Euter auf. Noch laktierende Euter reagieren auf den Schalmtest oft positiv, der in diesem Fall meist auf einer chronischen Sekretionsstörung beruht.
Verhaltensänderungen werden in dieser Erkrankungsphase oft übersehen oder vom Landwirt falsch interpretiert. Dennoch, beobachtet man die Tiere genau, sind sie nervös, ängstlich, aggressiv, schreckhaft und sehr aufmerksam gegenüber ihrer Umwelt. 96 % der infizierten Tiere weisen Verhaltensstörungen dieser Art auf. Vereinzelt ist ein grundloses Zusammenzucken zu beobachten, während die Verhaltensänderungen während des Mistens, Melkens oder Fütterns deutlicher ausgeprägt sind. Oft sind Flotzmaullecken (Foto), Zähneknirschen und ängstlich aufgerissene Augen (Foto) zu bemerken. Teilweise äußern "eigentlich brave" Tiere auch Aggessionen durch Brüllen, Ausschlagen und Kopfschlagen.
Meist sind die BSE-infizierte Tiere überempfindlich gegenüber Licht, Lärm (Foto) und Berührungen (Foto), wobei eine Überempfindlichkeit meist nicht gegen alle drei Stimuli gleichzeitig vorliegt. Am stärksten und am häufigsten ist in der Regel die Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen ausgeprägt, besonders in den Regionen von Hals und Kopf. Nach kaudal nimmt die Überempfindlichkeit der Tiere gewöhnlich ab. Manipulationen am Kopf provozieren oft ausgeprägte Widersetzlichkeit. Oft kommt es neben dem Kopfstoßen zum Flehmen und zum Rümpfen der Nase, gelegentlich ist auch das unter dem Begriff "Bibbern" bekannte Bewegen der Lippen zu beobachten (Bostedt 1996). Berührt man die Hinterbeine des Tieres mit einem Besen, reagiert ein BSE-infiziertes Rind mit heftigem Ausschlagen (Foto).
Bei Lärm und bei Geräuschen ist ein starkes Zusammenzucken der Tiere zu beobachten, gelegentlich fangen die Tiere an zu brüllen oder brechen zusammen. Können sie die Quelle des Lärms orten, versuchen sie in Panik zurückzuweichen (Foto). Die Tiere zeigen keine Reizadaptierung. Bei dem plötzlichen Einfall von Licht zucken die Tiere ebenfalls zusammen. Auch hier erfolgt keine Adaptierung.
Fortgeschritten:
Der Allgemeinzustand der Tiere verschlechtert sich. Im weiteren Verlauf werden die Rinder zunehmend unruhig, schreckhaft, reizbar und zeigen unkoordinierte Bewegungen, Ataxie, Hypersensibilisierung sowie eine ausgeprägtere Lichtscheue. Es werden Bewegungstörungen in Form von Ataxie oder einer Beschränkung der Nachhand beobachtet. Beim Führen können leichte Wendestörungen ausgemacht werden. Oftmals ist es allerdings schwierig, diese BSE-induzierten Bewegungsstörungen von einer Lahmheit, ausgehend von einer anderen Ursache zu unterscheiden. Mit der Zeit wird der Gang des Tieres steifer und es setzt ein Schwanken in der Nachhand ein. Das extreme Anziehen der Hinterextremitäten beim Laufen der Tiere (Hahnentrittigkeit) ist sehr charakteristisch für die BSE, gelegentlich fallen die Tiere dabei auch um, haben Schwierigkeiten beim Aufstehen oder liegen fest. Muskelzittern und -Krämpfe können bei weit vorangeschrittenen Veränderungen in der Medulla oblongata auftreten.
Für die Untersuchung sollte man das Tier beispielsweise über einen Kotgraben oder gegen ein Hindernis führen lassen. Reagiert das Tier mit Angst und überspringt den Graben oder das Hindernis in übertriebener Art (Foto), kann es als ein dringender BSE-Verdacht gewertet werden.
Gelegentlich kann ein ausgeprägter Juckreiz wie bei der Scrapieerkrankung der Schafe beobachtet werden.
Die Wesensänderungen werden immer prägnanter, die Tiere sind kaum noch melkbar und schlagen mit den Hinterbeinen um sich. Die Aggressivität der Tiere nimmt stetig zu. Tiere, die auf der Weide gehalten werden, sondern sich häufig von der Herde ab und halten sich viel im Schatten auf.
Endstadium:
Die Gleichgewichtsstörungen des betroffenen Tieres werden mit dem Voranschreiten der Krankheit immer ausgeprägter. Tiere brechen beim Laufen in der Nachhand ein und haben immer öfter und immer deutlicher Probleme beim Aufstehen, bis es am Ende zum Festliegen kommt. An die Phase der Übererregbarkeit schließt sich bei einigen der Zustand der Somnolenz an.
Meist werden solche Tiere aber schon wesentlich eher im Zuge der Bekämpfungsmaßnahmen getötet.
Allerdings werden viele Rinder bereits vor dem Auftreten sichtbarer BSE-verdächtiger Symptome aufgrund anderer unspezifischer Leistungseinbrüche geschlachtet.
Untersuchungsgang:
Die klinische Untersuchung von Rindern auf die BSE ist diffizil, da die Symptome der Tiere je nach dem Stadium der Erkrankung und von Tier zu Tier unterschiedlich sein können. Prof. Dr. Ueli Braun von der Universität Zurüch hat das Verhalten von BSE infizierten Tieren sehr genau untersucht und schließlich einen klinischen Untersuchungsgang entwickelt, der es ermöglicht, die BSE bei lebenden Rindern zu diagnostzieren. Die Untersuchung kann auch angewendet werden, wenn sich die Krankheit erst im Anfangsstadium befinden.
Auf der Webseite der Klinik für Wiederkäuer- und Pferdemedizin der Universität Zürich finden Sie die Originaltexte von Prof. Ueli Braun sowie digitale Videos, die das oben Beschriebene besonders gut veranschaulichen.
Krankheitsverlauf / Krankheitsdauer:
Bei den meisten Rindern werden die ersten Symptome einer BSE-Infektion wie eine geringe Verschlechterung des Allgemeinzustandes und ein geringer Rückgang der Milchleistung nicht gleich bemerkt. Erst wenn die Tiere anfangen durch ungewöhnliches Verhalten und beginnende Bewegungsstörungen aufzufallen, wird die Erkrankung vom Landwirt registriert. Nach einem progressiven Krankheitsverlauf von 0-14 Wochen (40-60 Tagen) verenden die Tiere oder werden getötet (Hörnlimann und Braun 1993, Wilesmith et al 1992).
Ein Krankheitsverlauf von weniger als 14 Tagen wird selten beobachtet und ist in den meisten Fällen auf eine schlechte Beobachtung der Tiere durch den Landwirt zurückzuführen. Aber auch Krankheitsverläufe von mehr als einem Jahr sind selten (Braun et al 1998).
Immunologie:
Während des gesamten Krankheitsverlaufs lassen sich keine Anzeichen einer immunologischen oder entzündlichen Reaktion feststellen, da es sich bei Prionen um eine körpereigene Stuktur handelt. Nur die räumliche Anordnung der Aminosäuren des Proteins ist bei den PrPres verändert, nicht aber die Abfolge der Aminosäuren (Aminosäuresequenz).
Pathohisto:
Das Charakteristikum aller TSE ist die schwammartige löchrige Struktur der Gehirnsubstanz (spongiöse Neurondystrophie). Bei der BSE sind die histopathologischen Veränderungen im Vergleich zu anderen, natürlich auftretenden TSE sehr konstant (
Wells 1995).
Die typischen neuropathologischen Merkmale der BSE sind:
1. Vakuläre Degeneration
Eine bilateral symmetrische vakuoläre Degeneration der Nervenzellen des Hirnstammes einschließlich der Medulla oblongata, die zusammen mit der Pons und den Olivenkernen eine Prädelektionsstelle bei BSE darstellt. Regelmäßig betroffen sind der Nucleus tractus solitarius sowie der Nucleus tractus spinalis des Nervus trigeminus. Die spongiformen Veränderungen nehmen von kaudal nach rostral hin ab. Im Rückenmark sind sind meist nur die Dorsalhörner der oberen Zervikalsegmente betroffen. Das Kerngebiet der Veränderungen liegt am Übergang vom Zentralkanal in den IV. Ventrikel. Mikroskopisch sind im HE Schnitt 20-200 µm große feine Vakuolen, die teilweise zu größeren konfluieren, zu erkennen. Bei ungefähr einem Viertel der infizierten Tiere sind diese Degenerationserscheinung zu beobachten (Frazer et al 1995).
2. Neuronale Vakuolisierung
Am häufigsten sind die Nervenzellen der lateralen Vestibularkerne, die Formatio reticularis und der Nucleus dorsalis des Nervus vagus sowie der Kern des Nervus hypoglossus von einer Vakuolenbildung betroffen. Sie können einzeln oder multipel, oft auch gekammert auftreten. Sie erscheinen optisch leer oder enthalten granuläres oder amorphes Material. Die meisten der vakuolisierten Nervenzellen scheinen intakt zu sein, die Zellorganellen sind lediglich an den Rand gedrängt.
3. Gliose
Bei der BSE ist eine Gliose, hervorgerufen durch eine erhöhte Anzahl Astrozyten, im Gegensatz zu anderen TSE geringer ausgeprägt.
4. PrPsc - Akkumulation
Immunhistologisch können Ansammlungen des pathologischen Glykoproteins in den veränderten Bereichen der grauen Substanz und der Medulla nachgewiesen werden.
Labor:
Eine Untersuchung von Blut, Harn und Liquor ergeben keine direkten Hinweise auf eine BSE-Infektion. Durch das Fehlen solcher Marker ist die Entwicklung eines BSE-Lebendtests bislang erfolglos geblieben.
Dennoch müssen Proben dieser Körperflüssigkeiten bei allen lebenden Tieren, bei denen ein BSE-Verdacht besteht, gezogen und untersucht werden, damit bestimmte Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden können.
Erregernachweis:
Bislang existiert kein Tests, der die Erreger der BSE im lebenden Tier mit Sicherheit nachweist. Dagegen sind neben dem Verfahren der neuropathologischen post mortem Untersuchung des Gehirns weitere Tests entwickelt worden, die einen labordiagnostischen Nachweis liefern.
v
Western-Blot (Prionics-Test):
Dazu werden Gewebeteile aus dem Gehirn homogenisiert und mit Proteinase K behandelt. Anschließend erfolgt eine elektrophoretische Auftrennung nach dem Molekulargewicht und die Eiweiße werden auf eine spezielle Membran übertragen. Über eine immunologische Lumineszenzreaktion kann dann das Vorhandensein und die Position der PrPres ermittelt werden. Durch die Proteinase K-Behandlung werden die PrPc, die in dem Homogenat enthalten sind, vollständig abgebaut und sind demnach nicht mehr nachweisbar. Hingegen das proteolytische Enzym von den PrPres nur die ersten 60 Aminosäuren abspaltet und dadurch lediglich das Molekulargewicht von 33-25 kDa auf 27-30 kDa verringert. Übrig bleibt das proteaseresistente Teilstück PrP27-30, das auch für die Infektiosität der PrPres verantwortlich gemacht wird.
Elisa (Bio-Rad):
Auch dieses Testssystem basiert auf dem Nachweis der Proteaseresistenz des Proteins. Hierbei kann allerdings nicht die Verkürzung des PrPres zu PrP27-30 erfasst werden.
Diese beiden Testverfahren sind in Deutschland bereits zugelassen und werden zur Durchführung des vorgeschriebeben BSE-Schnelltests verwendet. Sie finden regional unterschiedlich Anwendung.
Nachdem die Infektion eines Individuums mit dem BSE-Erreger erfolgt ist, vergeht eine sehr lange Zeit, bis die Krankheit klinisch manifest wird. Aber auch bis der Erreger in nachweisbarer Konzentration im ZNS vorkommt, vergehen Monate. Selbst wenn man annimmt, dass die meisten Infektionen in den ersten Monaten nach der Geburt stattfinden, geht man davon aus, dass ein sicherer Nachweis der Prionen erst ab einem Alter von 24 Monaten möglich ist. Die Wahrscheinlichkeit, eine BSE-Infektion mit Hilfe von gängigen BSE-Schnelltests sicher festzustellen, nimmt mit voranschreitendem Alter des Tieres zu. Eine ausreichend große Sicherheit gewährleisten die Tests ab einem Alter von 30 Monaten.
Direkter Nachweis von Prionen-spezifischer Antikörpern:
In der jüngsten Vergangenheit ist ein PrPres-spezifischer Antikörper identifiziert worden, der zwischen dem zellulären PrPc und der pathologischen Form PrPres unterscheiden kann. Dieser Antikörper trägt den Namen 15B3 (Korth et al 1997,
Korth et al 1999). Mit Hilfe von Immunpräzipitation und anschließendem Western-Blot können PrPres, wenn sie in der Probe enthalten sind, sichtbargemacht werden. 15B3 kann aber nur rinderspezifisches PrPres erkennen.
Markerproteine als Nachweis:
Besonders intensiv wird nach sogenannten sekundär veränderten Markerproteinen geforscht, die die Entwicklung eines BSE-Lebendtests ermöglicht (
Green et al 2001).
Beim an CJK erkrankten Menschen kann man dazu in der Spinalflüssigkeit die Menge der Proteine 14-3-3, Tau und einer neuronspezifischen Enolase (NSE) bestimmen (
Budka 1998). Tau und NSE sind neuronale Proteine, die wahrscheinlich beim Tod von Nervenzellen frei werden. Auch das Protein S-100 wäre als ein Marker denkbar. Es handelt sich hierbei um ein Astrozytenprotein. Da bei sehr vielen TSE eine Astrozytose vorliegt, könnte auch S-100 in höherer Konzentration nachweisbar sein. Bislang konnte für keines dieser Markerproteine eine ausreichend hohe Spezifität und Sensitivität erzielt werden, um sie als Basis für einen Nachweistest einsetzen zu können.
In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends wurde sehr intensiv von mehreren Labors an einem BSE-Lebendtest geforscht. Denn die gängigen BSE-Schnelltests können den Prionennachweis erst nach der Schlachtung bzw. Tötung des Tieres erbringen.
Prof. Brenig vom Tierärztlichen Institut der Universität Göttingen gab 2005 bekannt, einen BSE-Lebendtest entwickelt zu haben. Nachgewiesen werden sollten dabei nicht die Prionen selbst, sondern DNA-Fragmente, die bei einer Infektion ins Blut abgegeben werden und dort nachweisbar seien. Kritiker weisen jedoch auf die noch zu hohe Fehlerquote des Testverfahrens hin, da auch gesunde Tiere als krank ausgewiesen würden. Bisher wurde der Test noch immer keinem Zulassungsverfahren unterzogen. Aufgrund des beinahen Verschwindens von BSE-Fällen in den letzten Jahren hat auch das allgemeine Interesse an der Entwicklung eines Lebendtests stetig abgenommen.
Erregerausscheidung:
Bisher konnte eine Erregerausscheidung noch nicht ermittelt werden. Der Erreger befindet sich bei infizierten Tieren mit klinischen Symptomen in sehr großer Zahl im ZNS und wurde in der Cornea gefunden. Ausserdem, wenn auch nicht in so großer Zahl, in den Tonsillen, der Milz, dem Thymus und den Pleyerschen Plaques des Darms. Dagegen konnte der Erreger bislang nicht in der Milch oder der Muskulatur von Rindern nachgewiesen werden.
Differentialdiagnose:
· Hypomagnesiämie
· nervöse Form der Ketose
· Bleivergiftung
· Kalziummangel
· Tollwut
· Tetanus
· Listeriose
· Borna
Bei all diesen Differentialdiagnosen können Abweichungen der physiologischen Parameter entweder des Blutes, des Urins oder des Liquors diagnostiziert werden.
Entstehungstheorien*und Verbreitung
Sowie es über das Wesen des auslösende Agens der BSE verschiedene Theorien gibt, gibt es auch unterschiedliche Entstehungstheorien. Auch die Vorstellungen über die Verbreitung der Krankheit gehen weit auseinander. Aus diesem Grunde werden die verschiedenen kursierenden Entstehungstheorien und der entsprechend vermutete Verbreitungsweg zusammen abgehandelt. Die ersten epidemiologischen Studien zur BSE begannen im April 1987 in Großbritannien.
1. Die Scrapie-Tiermehl-Theorie
Die unter den Forschern und Epidemiologen am weitesten verbreitete Ursprungstheorie der BSE ist die Herleitung über die Scrapie, einer TSE bei Schafen und Ziegen. Die Scrapie ist bereits seit dem 18. Jahrhundert bekannt und innerhalb der Schaf- und Ziegenpopulation Großbritanniens (GB) weit verbreitet. Aber auch in anderen Ländern, u.a. Tschechien, Island, Norwegen, den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland, kommen immer wieder Fälle der Scrapie vor, wenn auch eine so hohe Inzidenz wie sie in dem Vereinigten Königreich vorkam und vorkommt, in anderen Ländern nicht aufgetreten ist. Es sind mehrere Scrapiestämme bekannt, denen allen eine Neigung zur Mutation eigen ist (
Bruce 1993).
Laut der "Scrapie-Theorie" ist der Erreger der Scrapie von Schaf und Ziege auf die Rinder übergegangen und hat sich anschließend an diese Spezies adaptiert, so dass es sich jetzt um einen eigenständigen Erreger des Rindes, den BSE-Erreger, handelt (
Kimberlin et Wilesmith 1994).
Die Kadaver Scrapie-infizierter Schafe und Ziegen wurden in GB zu Tiermehl verarbeitet. Dieses Tiermehl wurde anschließend zur Herstellung verschiedenster Futtermittel verwendet, unter anderem auch zur Herstellung von Rinderkraftfutter und verschiedenen Formen von Kälberfutter. Über diesen Weg soll der Erreger auf das Rind übergegangen sein. Anschließend infizierten sich oder erkrankten unbemerkt Rinder an der Scrapie-ähnlichen BSE, die zum einen in die Nahrungskette gelangten, zum anderen zu Tiermehl verarbeitet wurden und in den Futtermittelkreislauf gelangten. Aufgrund der Verfütterung von kontaminösem Tiermehl an andere Rinder wurde die Verbreitung der BSE gefördert (Wilesmith et al 1988, Taylor 1989). Darüber hinaus wurden auch die bei der Schlachtung von "gesunden" Tieren anfallenden tierischen Fette für die Herstellung von beispielsweise Milchaustauschern oder anderem Kälberaufzuchtsfutter verwendet (
Wilesmith et al 1992). Durch die Erregeradaptation des Scrapieerregers an das Rind verkürzte sich zum einen die Inkubationszeit (
Kimberlin 1979) und zum anderen verringerte sich die für eine Infektion notwendige Erregerdosis.
Dieser Entwicklungsprozess wurde außerdem noch dadurch gefördert oder vielleicht überhaupt erst ermöglicht, dass in den 70er Jahren der Herstellungsprozess von Tiermehl aufgrund von Energiesparmaßnahmen in GB verändert wurde. Es wurde auf die Verwendung von Hydrocarbonlösungen als Fettextraktionsmittel verzichtet, wodurch die für die Trocknung notwendigen Temperaturen gesenkt werden konnten. Die bis dato übliche Kerntemperatur von 133°C wurden nicht mehr erreicht. Außerdem wurde die Dauer der Erhitzung verkürzt und der bis dahin angewendete Druck verringert. Durch diese neue Verfahrenstechnik konnte zwar erheblich Energie gespart werden, der Erreger wurde bei dieser Prozedur aber nicht mehr vollständig inaktiviert, sodass von einer Restinfektion des entstandenen Tiermehls auszugehen ist (
Wilesmith 1994). Das kontaminöse Tiermehl wurde anschließend zur Herstellung von Rinderkraftfutter und Kälberaufzuchtsfutter verwendet und in vielen der britischen Betriebe eingesetzt. Wilesmith et al sind der Meinung, dass Rinder schon immer empfänglich für das Scrapie-Agens gewesen sind, aber erst durch den Anstieg der Exposition durch die ungenügende Erregerinaktivierung bei dem neuen Verfahren der Tiermehlherstellung, sei es zu einem Ausbruch der Erkrankung gekommen.
Die kannibalischen Fütterungspraktiken in GB sowie die veränderten Verfahren in der Tiermehlherstellung bewirkten wahrscheinlich, gekoppelt an eine zu dieser Zeit sehr hohe Schafdichte, die Entstehung der BSE des Rindes, die sich zu einer eigenständigen Erkrankung herausgebildet hat.
Als Konsequenz auf die durchgeführten epidemiologischen Untersuchungen von Wilesmith und Mitarbeitern (
Wilesmith et al 1988) und den daraus hervorgehenden Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen BSE, Scrapie und der Verfütterung von Tiermehl an Rinder, wurde 1988 die Verfütterung von Wiederkäuerprotein an Wiederkäuer in GB verboten. 1990 galt dieses Verbot auch in der Schweiz. In der EU wurde diese Gesetzgebung erst 1994 eingeführt. Durch die Einführung des Verbots konnte ein deutlicher Rückgang der BSE-Fälle in den nachfolgenden Geburtsjahrgängen in GB erreicht werden. Dennoch konnte die BSE auch bei Tieren, die nach diesem Verfütterungsverbot geboren wurden, bei sogenannten "born-after-ban" Tiere (BAB) festgestellt werden. Diese Feststellung weist zum einen auf zusätzliche Infektionsquellen und -wege neben tierischen Eiweißen hin. Zum anderen wurde eine sogenannte Kreuzkontamination von Rinderfutter mit Futtermitteln für Schweine und Geflügel, die nach wie vor mit tierisches Eiweiß enthielten, vermutet. Für den Zeitpunkt der Kontamination kommt einerseits die Produktionsanlage oder der Transport der Futtermittel in Betracht. Aber auch an eine Kreuzkontamination mit Schweine- und Geflügelfutter auf Betriebe mit mehreren Nutztierspezies muss als Risikofaktor gedacht werden (
Hoinville 1994,
Hoinville et al 1995).
Gegen diese Theorie spricht allerdings die geringe Ähnlichkeit der Aminosäuresequenz von Rinder- und Schafprionen, was einen Wirtswechsel des Scrapieerregers des Schafes zum Rind unwahrscheinlich erscheinen lässt. Desweiteren unterscheidet sich das Wirtsspektrum von BSE und Scrapie. Während Hamster sehr empfänglich für Scrapie sind, konnte diese experimentell nicht mit der BSE des Rindes infiziert werden. Dagegen weisen Schweine und Nerze eine hohe Resistenz gegenüber dem Scrapieerreger auf, unterliegen aber einer BSE-Infektion.
Außerdem unterscheidet sich das durch den Scrapieerreger hervorgerufene Krankheitsbild und die histopathologischen Veränderungen bei experimentell infizierten Rindern von dem Krankheitsbild der Scrapie bei Schafen. Auch die Infektiosität der verschiedenen Scrapie-Stämme ist nicht mit der des BSE-Stammes zu vergleichen. Desweiteren spricht gegen diese Theorie, dass die Inzidenz der Scrapie unter den kleinen Wiederkäuern in Großbritannien durch die Verwendung von tiermehlhaltigen Futtermitteln in der Schafproduktion nicht signifikant angestiegen ist. Noch korrelierte das Auftreten der BSE bei Rinder in den Region von GB mit den Regionen, die eine hohe Schafpopulation oder eine erhöhte Scrapie-Inzidenz aufwiesen.
2. Die Prionprotein-Mutationstheorie
Laut dieser Theorie handelt es sich bei der BSE des Rindes um eine erbliche Genese. Und zwar trat demnach vor langer Zeit eine Mutation im Prionproteingen (PrP-Gen) der germinativen Zellreihe eines Rindes auf (
Eddy 1995). Diese Mutation wurde daraufhin an die Nachkommen weitergegeben. Auf diesem Wege konnte diese Mutation auch an einen viel genutzten Zuchtbullen weitergegeben worden sein. Anschließend könnte die künstliche Besamung für eine sehr breitflächige und effektive Verbreitung der BSE an die Nachkommen des Bullen gesorgt haben.
Ist dagegen bei einem Rind eine Mutation in einer somatischen Zelle aufgetreten, könnte diese durch die Verarbeitung des Kadavers zu Tiermehl und anschließend zu Rinderfutter auf weitere Rinder übertragen sie über das Tiermehl an weitere Rinder übertragen werden. Aber auch eine Mutation in einer somatischen Zelle konnte an andere Tiere über Tiermehl weitergegeben werden, wenn das betroffene Tier zu Tiermehl verarbeitet wird und so in die Futtermittelkette gelangt.
Eine somatische Mutation könnte aber auch zu einer unerkannten TSE Erkrankung des Rindes geführt haben, das anschließend zur Herstellung von pharmazeutischen Produkten herangezogen worden ist. Diese pharmazeutischen Produkte könnten dann zu einer Verbreitung unter der Rinderpopulation geführt haben.
Diese Theorie erklärt viele der Punkte, die gegen die "Scrapie-Theorie" sprechen, lässt aber andere Fragen offen.
Einige Wissenschaftler halten es für möglich, dass der Umwandlung des normalen Prionprotein in die pathologische Form eine Induktion durch äußere Einflüsse zugrunde liegt.
Für die heriditär bedingte Form der klassischen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK, CJD) des Menschen sind Punktmutationen der germinativen Reihe als Ursache der Erkrankung erwiesen, sie werden autosomal dominant vererbt. Für die sporadische Form der CJK, bei der die Genese unbekannt ist, wird ebenfalls die Möglichkeit einer induzierten Spontanmutation diskutiert (Prusiner).
3. Die Organophosphat oder "Phosmet"- Theorie
Der Landwirt M. Purdey aus Sommerset publizierte in den 90er Jahren die Theorie, dass der Einsatz des Organophosphats Phosmet zur Dasselfliegenbekämpfung zusmmen mit der Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft, als Ursache der BSE anzusehen ist (Purdey
1996 a,
1996 b,
1998). Laut Purdey korreliert die intensive Anwendung von "Phosmet" in den Dasselfliegenbekämpfungszonen mit der Krankheitsinzidenz der BSE. Seine Theorie besagt, das eine Überdosierung von Phosmet zum einen zu einer Zellschädigung oder einem Zelltod führt und zum anderen die Umwandlung von PrPc zu PrPsc durch kovalente Bindungen bewirkt. Auch soll ein physiologischer Abbau "alter" zellulärer PrPc verzögert und so eine Zunahme der PrPc bedingt werden. Einigen Wissenschaftler halten eine gesteigerte Expression von PrPc für eine Möglichkeit, wodurch die Umwandlung des PrPc in PrPres ausgelöst wird.
Untersuchungen an Neuroblastomakulturen zeigten, dass das Organophosphat Phosmet in der üblicher Konzentration selektiv die Menge der PrPc auf der Zelloberfläche menschlicher Neuroblasten erhöht
(
Gordon et al 1998). Es konnte aber keine Zunahme der PrP-mRNA nachgewiesen werden, was einer direkten Interaktion zwischen Phosmet und PrPc widerspricht. Möglich wäre jedoch, dass Phosmet die Empfänglichkeit der Zellen für den Erreger von Prionenkrankheiten modifiziert.
1995 führte das Medical Research Council Experimente mit einem Organophosphat durch, um das Eingehen kovalenter Bindungen zwischen den Organophosphat und dem PrPc zu untersuchen. Es konnte kein Nachweis von solchen Bindungen erbracht werden.
Gegen die Phosmet-Theorie spricht außerdem, dass im Jahre 1988, als es zu einem Peak in der BSE-Epidemiologie kam, keine wesentlichen Änderungen in der Dasselfliegenbekämpfung durchgeführt worden sind.
4. Theorie über ein Kupfer-Mangan-Ungleichgewicht
Es konnte gezeigt werden, dass das PrPc eine Rolle im Kupferstoffwechsel von Organismen besitzt. PrPc bindet Kupfer an bestimmte Regionen, wo es wahrscheinlich die Aufgabe eines Antioxidants besitzt. Bei transgenen Mäusen, die kein PRPN besitzen und folglich auch kein PrPc synthetisieren, konnte man einen Kupfermangel an Nervenverbindungen feststellen, was bei diesen Tieren zu leichten neurologischen Veränderungen führte. Die Vermutung bei dieser Theorie ist, dass das PrPres die antioxidative Wirkung des Kupfers beeinträchtigt.
Auch Mangan (Mg) kann sich an PrPc binden. Solch eine Bindung kann häufig in Regionen, in denen ein Kupfermangel und ein Manganüberschuss besteht, nachgewiesen werden. Außerdem bedingt ein Mangel an Kuper (Cu) eine Oxidation des Mg 2+ zu Mg3+, das in den Mitochondrien von Astrozyten bestimmter Genotypen akkumuliert. Mn3+ initiiert außerdem autooxidative Reaktionen des Zellkerns, deren Folge die Degeneration der Nervenzelle ist. Dieser Zelluntergang könnte sich stimulierend auf die PrPc-Expression auswirken. Die erhöhte Umsatzrate des PrPc zusammen mit dem vorliegenden Kupfermangel und dem dadurch bedingten Wegfall der antioxidativen Wirkung, bewirken zum einen die neurologischen Symptome, zum anderen wird auch die Bindung des Mn an das PrPc gefördert, das letztlich die Umwandlung der PrPc zu PrPsc bewirken soll (
Purdey 2000). Ob die Umwandlung aber direkt durch die Manganbindung hervorgerufen wird, oder ob dafür noch andere Faktoren in Frage kommen, ist bislang unklar.
Für diese Theorie spricht, dass Organophosphate in den Gebieten eingesetzt worden sind, in denen BSE aufgetreten ist. Außerdem korreliert die Tatsache, dass sehr wenig BSE-Fälle in ökologischen Betrieben festgestellt worden sind, damit, dass diese keine Organophosphate zur Dasselfliegenbekämpfung einsetzten, aber auch kein tiermehlhaltiges Futtermittel verwenden. Dagegen spricht, dass der epidemiologische Verlauf der BSE nicht mit der Theorie erklärbar ist und sich die meisten Tiere als Kälber mit BSE infiziert haben, diese aber nicht mit Organophosphaten behandelt wurden. Außerdem wurden Organophosphate lange bevor BSE auftrat angewendet.
5. BSE ist eine Folge der CJK des Menschen
Laut dieser Theorie soll sich die BSE von der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK,CJD) des Menschen herleiten. Bei dieser Theorie wird zum einen davon ausgegangen, dass es einen Zusammenhang mit den in der 60er Jahren durchgeführten Tierversuchen mit Hormonen der menschlichen Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) durchgeführt worden sind, zum anderen könnte auch das Austreuuen der Asche nach der Einäscherung von Personen, die an der CJK gestorben sind, laut dieser Theorie eine Rolle spielen. Demnach hätte der Erreger der CJK die Artenbarriere Richtung Tierreich durchbrochen. Der Infektion nur eines Tieres, könnte sich eine Weiterverbreitung über Tiermehl anschließen.
Bei der Betrachtung all dieser Entstehungstheorien darf nicht vergessen werden, dass bis zum heutigen Tag nicht restlos geklärt ist, wie sich Prionen vermehren können. Auch ihre Aufgabe im Säugetierorganismus ist bislang nicht geklärt.
vCJK / CJK
Wie bereits erwähnt, wird ein Zusammenhang zwischen der BSE des Rindes und vCJK beim Menschen vermutet. Worauf genau sich diese Vermutung stützt, erfahren Sie hier.
BSE UND vCJK
Die Entdeckung
Bei der seit 1995 in Großbritannien auftretenden und kurz darauf auch in Frankreich beobachteten neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK, vCJD) handelt es sich, wie bei der sporadischen oder klassischen CJD, ebenfalls um eine Transmissible Spongiforme Enzephalopathie. Die vCJK ist der CJK zwar ähnlich, aber besonders die Klinik und die Neuropathologie weisen einige sehr wesentliche Unterschiede auf (
Will et al 1996). Außerdem erkranken und sterben im Allgemeinen viel jüngere Menschen an der neuen Variante, wohingegen von der klassischen CJK bislang nur alte Menschen betroffen waren.
Bislang gibt es für Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSE) keine Therapiemöglichkeiten, sie enden stets mit dem Tod.
Nachdem 1986 die BSE als eine progressive Degenerationskrankheit des ZNS bei Rindern definiert und zu den TSE gezählt wurde, ist 1990 auch bei britischen Hauskatzen eine TSE aufgetreten. Als Ursprung dieser Felinen Spongiformen Enzephalopathie (FSE) wird genauso wie für die bei verschiedenen Wildwiederkäuern aufgetretenen TSE die BSE des Rindes verantwortlich gemacht.
Diese Tiere sollen sich durch Futtermittel infiziert haben, die entweder kontaminiertes Rindfleisch oder aber kontaminierte Fleisch-oder Knochenmehle enthielten. Auch bei in Zoos gehaltenen Straußen sollen TSE bereits aufgetreten sein, die sich sich durch tiermehlhaltiges Tierfutter infiziert haben sollen. Bereits im Jahre 1990 ist aufgrund dieser Feststellungen im schottischen Edinburgh die britische CJD-Überwachungsstelle (CJD-Surveillance Unit) eingerichtet worden (
Will et al 1996), die alle abweichende, auffälligen oder verdächtigen Fälle der CJK festhalten und untersuchen sollte.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz (BgVV) hatten in einer gemeinsamen wissenschaftlichen Stellungnahme das Bundesgesundheitsministerium bereits 1993 darauf hingewiesen, dass eine Übertragung der BSE unter geeigneten Bedingungen auch auf den Menschen möglich sein könnte. Im Jahre 1996 veröffentlichten die beiden Institute diese Stellungnahme, um eben diesem Verdacht Nachdruck zu verleihen.
Damit schlossen sich die deutschen Wissenschaftler der Meinung der britischen Kollegen und des "Spongiformen Enzephalopathy Advisory Committee" (SEAC) an. Die SEAC ist ein Gremium, bestehend aus Experten, das die britische Regierung bei der Einschätzung und beim Vorgehen der BSE berät.
Der Zusammenhang zwischen der vCJK und der BSE
Die räumliche und zeitliche Korrelation von BSE und vCJK in Großbritannien ließen den Verdacht aufkommen, dass ein Zusammenhang zwischen der BSE und dem Verzehr von Rindfleisch besteht.
Inzwischen gibt es aufgrund epidemiologischer Untersuchungen, verschiedenster Forschungsarbeiten und der nachweislichen, sehr großen Ähnlichkeit der histopathologischen Veränderungen beider Krankheiten, kaum noch einen Zweifel, dass es sich bei der vCJK um ein infektiöses Geschehen handelt, das im Zusammenhang mit der BSE des Rindes steht (BSE-Inquiry Report,
Will 1999).
Vergleicht man das neuropathologische Läsionsprofil sowie die Inkubationszeit von mit Hirngewebe der vCJK und der BSE intrazerebral inokulierten Mäusen, stellt man fest, das es identisch ist (
Hill et al 1997). Auch die Strukturen der BSE-Erregers und des vCJK-Erregers scheinen nahezu vollständig übereinzustimmen, zumindest erbringt dieses Ergebnis die Analyse im Western Blot (
Collinge et al 1996). Makaken, denen BSE-erregerhaltiges Material intrazerebral inokuliert wurde, entwickeln ZNS-Veränderungen, ähnlich denen der vCJK. Auch die physikalisch-chemischen Eigenschaften der bei beiden Krankheiten gefundenen Prionen, lassen einen Zusammenhang wahrscheinlich erscheinen. Das PrPres der vCJK Patienten unterscheidet sich im Glykolisierungsmuster nach Proteinase-K-Behandlung von dem der CJK und ähnelt stattdessen dem Muster, das bei BSE-Übertragung auf
Mäuse entsteht.
Als Infektionsquelle werden hauptsächlich BSE-kontaminiertes Rindfleisch und Rindfleischprodukte angesehen (BSE-Inquiry-Report), es kommen aber auch Arzneimittel, Nahtmaterialien, mangelhaft sterilisierte Operationsbestecke, Organ- oder Bluttransfusionen in Betracht.
Sieht man die Möglichkeit einer menschlichen Infektion und anschließender vCJK-Erkrankung mit dem "BSE-Erreger" des Rindes als Faktum an, muss grundsätzlich von dem Überwinden der Artenbarriere ausgegangen werden.
Der Weg der Prionen nach oraler Aufnahme vom Magen-Darm-Trakt zum Zentralnervensystem ist noch nicht restlos geklärt, möglicherweise gibt es unterschiedliche Wege. Im Tierversuch vermehren sich die Prionen nach der Aufnahme aus dem Darm zunächst im lymphoretikulären System (z.B. in Lymphknoten und der Milz); so sind bei der vCJK Prionen lange vor Ausbruch der klinischen Krankheit in Milz, Lymphknoten, Mandeln und Blinddarmwurmfortsatz nachweisbar. Der weitere Weg in das Gehirn läuft vermutlich über die peripheren Nerven des Verdauungstraktes, ein weiterer Weg über das Blut bzw. bestimmte Blutzellen ist jedoch nicht ausgeschlossen.
Im Gehirn setzen die Prionen einen Prozess in Gang, der zu einer massiven Vermehrung von fehlgefaltetem Prionprotein und dessen Ablagerung im Gewebe führt. In der Folge gehen Nervenzellen zugrunde. Die CJK hat eine lange Inkubationszeit, d.h. es vergehen Jahre bis Jahrzehnte von der Infektion bis zum Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen. Bei der Empfänglichkeit für die vCJK scheint auch eine genetische Veranlagung eine Rolle zu spielen. Menschen, die an einer bestimmten Stelle des Prionproteins bestimmte Aminosäuren tragen, scheinen für die Infektion empfänglicher zu sein oder früher zu erkranken.
vCJK-Statistik und Prognose
Weltweit sind bisher (Stand: 2010) weltweit 219 Fälle der vCJK beim Menschen bekannt. Dabei entfallen 219 Fälle auf Großbritannien, 25 auf Frankreich, fünf aus Spanien und vier wurden in Irland diagnostiziert. Eine sehr geringe Fallzahl lag in den Niederlanden, den USA, Portugal, Italien, Kanada, Japan und Saudi-Arabien vor. In Deutschland ist bisher kein vCJK-Fall nachgewisen worden. In den meisten Fällen handelt es sich bei den Betroffenen um Personen, die sich in den 90er Jahren längere Zeit in Großbritannien aufgehalten haben. Prognosen über die Zahl der in Zukunft zu erwartenden Opfer oder den Trend der weiteren epidemischen Entwicklung sind aufgrund der noch geringen Fallzahlen mit großen Unsicherheiten behaftet. Zu viele Faktoren sind unbekannt, wie die Inkubationszeit, Zeitpunkt der Erregeraufnahme oder Erregermenge, die zur Erkrankung führt. Ihren Höchstwert erreichte die Anzahl der jährlichen Todesfälle durch vCJK-Infektionen in Großbritannien im Jahr 2000. Damals starben 28 Menschen an der Prioneninfektion. Seitdem ist ein kontiuierlicher Rückgang verzeichnet worden. Die zuletzt dokumentierten Todesfälle entfallen auf die Jahre 2008 mit einem und 2009 mit drei Fällen.
Aber auch in der Deutschland können Erkrankungsfällen nicht ausgeschlossen werden. Die Wahrscheinlichkeit für vCJK-Infektionen in Deutschland dürfte in direktem Zusammenhang zur Menge verzehrter BSE-erregerhaltiger Nahrungsmittel stehen.
Zur retrospektiven Abschätzung dieser Gefährdung in Deutschland müsste laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) untersucht werden, welche Nahrungsmittel in den letzten 20 Jahren potenziell BSE-erregerhaltig waren.
In diesem Zeitraum lag eine
BSE-Exposition der Bevölkerung vor durch:
- Importe von Rindern bzw. Rindfleischprodukten aus UK von 1980-1996,
- entsprechende indirekte Importe aus UK über Drittländer,
- Importe aus anderen EU-Ländern mit eigener BSE-Problematik
- unerkannte BSE-infizierte Rinder in Deutschland selbst.
Näheres über die TSE beim Menschen sowie über die Epidemiologie und Schutzmaßnahmen finden Sie auf dem
Infoblatt des Robert Koch-Instituts.
DAS VERMEINDLICHE RISIKO
Das Risiko bestimmter Lebensmittel
Der derzeitige Stand der Wissenschaft geht davon aus, dass eine gastrointestinale BSE-Infektion über erregerhaltige Nahrung auch beim Menschen möglich ist. Daher ist es unbedingt zu verhindern, dass der Verbraucher mit BSE-infiziertem oder kontaminiertem Ausgangsmaterial in Kontakt kommt oder dieses in die Nahrungskette gelangt. Bislang konnte der Erreger, das Prion, nicht in Muskelfleisch und in der Milch nachgewiesen werden. Dagegen wurden sehr unterschiedliche Konzentrationen in den sogenannten Risikomaterialien (SRM), zu denen u.a. das ZNS, die Milz und Teile von Kopf und Darm gehören, festgestellt. Obwohl diese SRM bei der Schlachtung entfernt und unschädlich beseitigt werden, besteht bei der Schlachtung von Rindern dennoch die Möglichkeit der Verunreinigung von genusstauglichen Teilen. Hierbei handelt es sich um eine sekundäre Verunreinigung von Lunge, Herz und der Oberfläche der Skelettmuskulatur durch den Kontakt mit dem ZNS. Diese beruhen insbesondere auf den angewendeten Tötungs- und Zerlegemethoden. Die Änderung der Tötungsmethoden können hier teilweise Abhilfe schaffen, während die Paravertebralganglien bei der Zerlegung bislang ein unlösbares Problem darstellen.
Bislang konnten keine klärenden Erkenntnisse über die Erregerdosis gewonnen werden.
Allerdings soll die Infektiosität kontaminierter Nahrungsmittel während der Darmpassage um das 1000-fache abnehmen.
Getroffene und noch ausstehende Maßnahmen im Verbraucherschutz
Folgende Maßnahmen sind getroffen worden, um den Menschen künftig vor einer BSE-Infektion zu bewahren:
1. Kontrollierte Tiermehl-freie Fütterung der Rinder,
2. Unverwechselbare, rückverfolgbare Kennzeichnung der Tiere und des gewonnenen Fleisches von der Geburt bis in die Ladentheke,
3. Neurologisch / klinische Untersuchung / BSE-Schnelltest,
4. vollständige Elimination der Risikomaterialien,
5. Kontrolle der Fleischerzeugnisse auf die Inhalte und auf ZNS-Bestandteile.
Handlungsbedarf besteht nach Ansicht von Professor Goetz Hildebrandt von der FU Berlin dagegen bei
1. Weiterbildungsprogrammen einschließlich Dokumentationspflicht für Personen, die in der "Rinderkette" arbeiten,
2. der Förderung der angewandten Risikoanalyse,
3. der Forschung in den Themen Wild, tierische Fette und Blutplasma/ Trockenplasma,
4. der Entwicklung eines Monitoring für den Nachweis von ZNS und Seperatorenfleisch
5. der Intensivierung der tierärztlichen Überwachung im Sinne einer longitudinalen integrierten Qualitätssicherung
6. der Vernetzung der einzelnen Überwachungsinstitutionen,
7. bei der Beibehaltung staatlicher Kontrollorgane.
DIE NEUE VARIANTE DER CREUTZFELDT- JAKOB - KRANKHEIT
Allgemeines
Die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) gehört zu den Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien (TSE) des Menschen. TSE werden aufgrund ihrer Pathogenese auch als Prionenkrankheiten bezeichnet.
Seit Ende 1995 sind in Großbritannien, etwas später auch in Frankreich, mehrere sporadische Fälle der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK, CJD) bei sehr jungen Menschen aufgetreten (
Bateman et al 1995,
Britton et al 1995,
Chazot et al 1996). Das Auftreten der CJK bei so jungen Menschen war sehr ungewöhnlich und fiel daher bereits bei bei so wenigen Fällen auf, da die CJK normalerweise erst bei Personen in einem Alter zwischen 55 und 75 Jahre vorkommt. Außerdem hatte das Auftreten der BSE- Epidemie und die aus Forschungsarbeiten gewonnenen Erkenntnisse bereits 1990 dazu geführt, dass eine strengere Überwachung aller CJK-Fälle und eventuelle Unregelmäßigkeiten vermerkt wurden (
Will 1993). Darüber hinaus unterschieden sich diese Krankheitsfälle von denen der "normalen" sporadischen CJK durch einen längeren Krankheitsverlauf und ein verändertes histopathologisches Bild. Es wurden nähere Untersuchungen dieser Fälle sowie der zuvor als sporadisch eingestufte Fälle eingeleitet. Noch im Jahre 1996 war die Exsistenz einer neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gesichert, bei der ein Zusammenhang mit der BSE des Rindes vermutet wurde. Diese Vermutung wurde durch die zeitliche sowie histopathologische Übereinstimmung zwischen den beiden spongiformen Enzephalopathien gestützt (
Will et al 1996, 1999), sowie auch die bislang alleinige Exsistenz dieser der vCJK in Großbritannien, wo die BSE in einem bislang einzigartigen Ausmaß aufgetreten ist.
Die Inzidenz
Die vCJD ist nach ihrer Entdeckung im Jahre 1995 in Großbritannien heute bereits in mehreren Ländern innerhalb und außerhalb Europas diagnostiziert worden, die meisten vCJK-Fälle sind allerdings bisher in Großbritannien aufgetreten. Hier gibt es derzeit (Stand: 2010) 172 vCJK-Opfer beiden Geschlechts. Aber auch in Frankreich, Hongkong, Italien und Irland sind bereits Opfer dieser neuen Variante zu beklagen. Weltweit traten bisher 219 Fälle auf. Die betroffenen Personen sind, im Vergleich mit Betroffenen der sporadischen CJK, sehr viel jünger. Das Alter der Opeer variiert zwischen 16 und 48 Jahren.
Das Krankheitsbild der vCJK
Am Anfang der Erkrankung stehen starke Stimmungsschwankungen, Depressionen, Angstzustände, Apathie, Schlafstörungen, Verhaltensänderungen und psychiatrische Störungen im Vordergrund. Auch Dysästhesie ist oft diagnostizierbar. Meist geht dem Besuch bei einem Allgemeinmediziner eine psychatrische Behandlung voraus. Später können Gangataxien und Sensibilitätsstörungen wahrgenommen werden. Die Patienten klagen über Schluckbeschwerden und persistierende Schmerzen im Gesicht und in den Gliedern. Zu einem späteren Zeitpunkt sind neben einer progressiven Demenz Myoklonien und Bewegungsstörungen zu beobachten. Die Patienten sterben nach 7,5 bis 35 Monaten, die durchschnittliche Krankheitsdauer liegt bei 14 Monaten (
Zeidler et al. 1997a,
1997b).
Neuropathologie
Neuropathologisch weisen alle Fälle der vCJK ein stark übereinstimmendes und einzigartiges histopathologisches Muster auf, welches zuvor bei anderen Formen der CJK nicht beobachtet werden konnte.
Die für die Kuru, eine infektiöse TSE bei Menschen in Neuguinea in den 50er Jahren, typischen Ablagerungen, auch "floride" Plaques oder Amyloid-Plaques genannt, können histopathologisch auch bei der vCJK in der Rinde von Groß- und Kleinhirn nachgewiesen werden. Bei der sporadisch auftretenden CJK kommen diese nur in max. 5 % der Fälle vor. Dagegen sind sie von der Scrapie der Schafe und von der BSE des Rindes bekannt.
Immunhistochemisch lassen sich umfangreiche PrP-positive Ablagerungen innerhalb der Plaques, im Neuropil und in der Nachbarschaft von Vakuolen nachweisen. Neben den weitgestreuten spongiformen Veränderungen der Gehirnsubstanz (Stamm- und Basalganglien, Thalamus, Kleinhirn, weniger im Großhirn), lässt sich eine Nervenzelldegeneration und eine Astrogliose diagnostiziert.
Die neuropathologischen Befunde bei der vCJK stimmen sehr mit denen der BSE des Rindes überein, wenn auch Amylois-Plaques bei der BSE sehr viel seltener auftreten. Auch weisen experimentell mit BSE oder vCJK infizierte Mäuse sowie andere Spezies signifikante Ähnlichkeiten in der Histopathologie des Gehirns auf.
Labor und Diagnose
Die Laborwerte von Blut, Urin und Liquor der Patienten sind stets normal, bisher sind keine Anzeichen immunologischer Markern oder Akute-Phase-Proteine entdeckt worden (John Collinge. In: Prion Diseases 1997). Auch das vielfach bei der sporadischen CJK nachweisbare Protein 14-3-3, das den Untergang von Neuronen kennzeichnet, ist hier nicht nachweisbar.
Das EEG zeigt bei vCJK Patienten nicht die charakteristischen pseudoperiodischen triphasischen Komplexe, wie sie bei der sporadischen Form der CJK zu beobachten sind (Zeidler et al 1997). Gelegentlich ist ein hoher Ausschlag im Thalamus und den Basalganglien auszumachen.
Anhand der Genanalyse des Prionproteingens der Opfer konnte festgestellt werden, dass es sich dabei überwiegend um Personen handelt, die homozygot für die Aminosäure Methionin in Codon 129 sind. Auch für im Codon 129 für Valin homozygote Menschen scheinen für eine vCJK-Erkrankung prädisponiert zu sein .
Die Diagnose der vCJK kann endgültig erst nach dem Tod des Patienten gestellt werden. Dafür ist der Nachweis der PrP-positiven Ablagerungen im Gehirn notwendig.
Zuvor kann eine Verdachtsdiagnose anhand des Alters und bestimmter diagnostischer Kriterien ausgesprochen werden.
DIE CREUTZFELDT-JAKOB-KRANKHEIT
Allgemeines
Im Jahre 1920 wurde diese Erkrankung des zentralen Nervensystems erstmalig von dem Kieler Neurologe H.G. Creutzfeldt beschrieben. Ein Jahr später berichtete auch der Hamburger Neurologe A.M. Jakob von Krankungen mit sehr ähnlicher Symptomatik und bemerkenswerten anatomischen Befunden. Im Jahre 1922 wurde dan der Begriff Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK, CJD) geprägt. Dieser umfasste anfänglich eine recht heterogene Sammlung von zerebralen degenerativen Erkrankungen. Im Jahre 1968 ist von
Gibbs et al der Nachweis der Übertragbarkeit der CJK erbracht worden.
Die Inzidenz
Die klassische Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) gehört zu den Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien (TSE) des Menschen (TSE). TSE werden aufgrund ihrer Pathogenese auch als Prionenkrankheiten bezeichnet. Die CJD tritt genauso wie die übrigen beim Menschen bekannten TSE sehr selten auf. Die weltweite jährliche Inzidenz liegt bei 0,5-1,0 Fall pro einer Million.
Formen der CJK
CJK tritt bei beiden Geschlechtern gleichmäßig, in einem Alter zwischen 55 und 75 (60- 65) Jahren und hauptsächlich (85 %) sporadisch (= aus ungeklärter Ursache) auf (
Brown et al 1987).
Etwa 10 % der beobachteten CJK-Fälle werden dagegen autosomal dominant vererbt. Das verantwortliche Gen ist auf Chromosom 20 lokalisiert. Die Mutation (
Iwabuchi et al 1994)
betrifft dabei das Gen, welches das an der Pathogenese beteiligte Prion-Protein (PrPc) codiert (
Owen 1989).
Außerdem sind noch einige Fälle der erworbenen CJK bekannt. Hierbei sind die Opfer iatrogen infiziert worden (
Will and Matthews 1982). Bekannt sind Übertragungen dieser Art durch ungenügend sterilisierte chirurgische Instrumente, Gehirnelektroden, Transplantationen von Dura Mater (Nisbet et al 1989) und Cornea (
Duffy et al 1974) sowie durch von Leichen gewonnene Wachstumshormone aus der Hypophyse (
Gibbs 1985 ,
Brown 1988). Bei allen Fällen einer iatrogenen Übertragung scheint der Genotyp der Patienten für die Erkrankung von Bedeutung zu sein. Die Homozygotie des Kodons 129 scheint entweder eine Prädisposition für eine CJK-Erkrankung darzustellen oder aber heterozygote Menschen sind weniger empfänglich (
Collinge 1991). 90 % der bekannten iatrogenen waren homozygot. Auch für die sporadische Form der CJK wird eine Prädisposition für homozygote Menschen vermutet (
Petchanikow et al 2001,
Palmer 1991). Eine Infektion durch den Kontakt von Mensch zu Mensch wird ausgeschlossen.
Das Krankheitsbild
Sehr charakteristisch für die klassische CJK ist die auf eine lange Inkubationszeit folgende, schnell einsetzende und schnell voranschreitende progressive multifokale Demenz, die meist mit einem Myoklonus einhergeht.
Zu Anfang kennzeichnen Depressionen, Gedächnisverlust, leichte Lähmungserscheinungen, Zittern in Armen, Beinen oder des Kopfes und Lese- sowie Sprachschwierigkeiten das Krankheitsbild. Im weiteren Verlauf verstärken sich zum einen diese Symptome, zum anderen kommen unkoordinierte Bewegungen und Bewegungsstörungen hinzu, blitzartige Muskelzuchungen und -starre sowie immer stärker werdende Schluckbeschwerden. Teilweise bestimmen epileptische Anfälle das Krankheitsbild. Im Endstadium verfallen die Patienten in eine Art Demenz, die mit absoluter Kontaktunfähigkeit des Patienten mit der Umwelt schließlich zum Tode führt (
Informationen
des Robert-Koch-Instituts 1997).
Der Tod des Patienten tritt nach zwei bis acht Monaten der Tod ein. 70 % der Opfer sterben nach drei Monaten Krankheitsverlauf.
Labor und Diagnose
Die Laborwerte von Blut, Urin und Liquor der Patienten sind stets normal, bisher sind keine Anzeichen immunologischer Markern oder Akute-Phase-Proteine entdeckt worden (John Collinge.In:Prion Diseases 1997). Allerdings lässt sich oft aus dem Liquor der Patienten ein spezielles Protein nachweisen (Protein 14.3.3), das bei Patienten mit sporadischer CJD eine diagnostische Sensitivität von 96% und eine Spezifität von 99% aufweist (Aksamit 2001). Auch der Nachweis eines C-reaktiven Proteins sowie von Interleukin 6 (IL-6) im Plasma stellt einen vielversprechenden Ansatz einer in vivo Diagnose bei CJD dar (Volkel et al 2001).
Unter dem EEG zeigen die Patienten eine charakteristische pseudoperiodische "Scharfe-Wellen" (Sharp-Wave) Aktivität (Zerr et al 2000).
Neuropathologie
Neuropathologisch wird die CJK anhand spongiformer Veränderungen in der Gehirnsubstanz, einer Nervenzelldegeneration, einer Astrogliose und dem immunhistochemischen Nachweis von Protease-resistenten Prion-Protein (PrPsc) diagnostiziert. Amyloid-Plaques treten üblicherweise bei der klassischen CJK nicht auf.
WEITERE TSE
Neben der sehr selten auftretenden "alten oder klassischen" Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), die entweder spontan aus ungeklärter Ursache auftritt, iatrogen erworben wurde oder aber erblich bedingt ist und der vCJK, kommen beim Menschen noch das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSSS) und die Fatale Familiäre Insomnie (FFA) als erblich bedingte spongiforme Enzephalopathien vor. Die Kuru ist dagegen eine erworbene, infektiöse TSE, die als Folge eines Stammesrituals der Fore in Neuguinea besonders bei Frauen und Kindern auftrat, die Teile von Verstorbenen einschließlich ihrer Gehirne verzehrten. (Siehe dazu auch "TSE")Maßnahmen
Zum Schutz der Verbraucher vor einer Infektion mit BSE, durch die eventuell eine vCJK-Erkrankung ausgelöst werden kann, sind viele unterschiedliche Maßnahmen ergriffen worden. In der EU basieren die länderspezifischen Vorschriften und Regelungen auf der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien. Die in Deutschland und der EU ergriffenen Maßnahmen und Eckdaten sind hier chronologisch erfasst.
Datum
der Einführung des Beschlusses
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Beschluss/
Maßnahme/Gesetz
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1988
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- Die
britische Regierung verbietet die Verfütterung von
Wiederkäuerprotein an Wiederkäuer und macht die
BSE zu einer meldepflichtigen Krankheit.
- Innereien
und Milch.
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28.
Juli 1989 |
- Die
EU verhängt ein Exportverbot für britische Rinder,
die vor dem 18. Juli 1988 geboren wurden, sowie für
Kälber von BSE- verdächtigen Kühen.
- Deutschland
und Frankreich erlassen ein Importverbot für britisches
Kälberfleisch und Innereien.
- Deutschland
stoppt den Import von Tiermehl aus Großbritannien.
- Laut
der WHO gab es zu diesem Zeitpunkt keine Vermutung über
eine Übertragbarkeit der BSE auf den Menschen.
|
6.
März 1990 |
- Die
EU verhängt ein Exportverbot für britische Rinder,
die älter als 6 Monate sind.
|
9.
April 1990 |
- GB
darf keine sogenannten Risikomaterialien
mehr in andere EU- Mitgliedsstaaten verbringen, die von
Tieren stammen, die älter als 6 Monate sind.
|
01.
Juni 1990 |
- Deutschland
verbietet den Import für lebende Rinder aus GB, die
Einfuhr von Rindfleisch bleibt uneingeschränkt erlaubt.
|
07.Juni
1990 |
- Die
EU beschließt, dass Rindfleisch aus erkrankten britischen
Beständen nur exportiert werden darf, wenn zuvor sogenannte
Risikomaterialien entfernt werden. Der Export britischer
Kälber wird wieder zugelassen.
|
September
1990 |
- In
einer einberaumten Spezialkonferenz hält die WHO fest,
dass von Milch, MIlchprodukten, Samen, Embryos, Häuten
und Fellen keine Infektionsgefahr ausgeht.
- Es
wurden verschiedene Empfehlungen für eine BSE-Prävention
gemacht, u.a. sollte über die Klinik der BSE informiert
werden, die Ausbildung von Pathologen gefördert und
die EU weite Meldeplicht einzuführen.
- Außerdem
wird beschlossen die Liste mit den Risikomaterialien (SRM)
zu überarbeiten und die SRM ausser aus der menschlichen
Nahrungskette auch nicht mehr in die von Wiederkäuern
gelangen zu lassen.
|
1.
Dezember 1990 |
- Die
EU und die Schweiz verbieten das Verfüttern von Tiermehl
(Wiederkäuerprotein) an Wiederkäuer.
- Die
Meldepflicht von BSE wird in den Ländern der EU und
der Schweiz eingeführt.
- Die
Schweiz verbietet das Inverkehrbringen von Milch BSE verdächtiger
Tiere und schließt die SRM für die menschliche
Ernährung aus.
|
1992
|
- Die
OIE erlässt ausführliche Empfehlungen zu der BSE.
- Deutschland
richtet in der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten
der Tiere in Tübingen das nationale Referenzzentrum
für BSE und Scrapie ein.
|
27.
Juni 1994 |
- In
der EU wird das Verfüttern von "aus Säugetiergewebe
gewonnenen Futtermitteln" an Wiederkäuer verboten.
- Die
Zulassung für alternative Verfahren der Hitzebehandlung
zur Verarbeitung von Wiederkäuerabfällen im Hinblick
auf die Inaktivierung der Erreger der BSE werden beschlossen.
|
Juli
1994 |
- In
Deutschland wird das Schlachtverbot für über sechs
Monate alte britische Rinder wieder weitgehend aufgehoben.
|
März
1996 |
- Die
britische Regierung veröffentlicht einen Bericht, dass
von BSE auch eine Gesundheitsgefahr für den Menschen
ausgehen könnte.
|
27.
März 1996 |
- Die
EU und die Schweiz verhängen ein Exportverbot für
britische Rinder und Rinderprodukte.
|
April
1996 |
- Großbritannien
wird von der EU verpflichtet, vier Millionen Rinder, die
älter als 30 Monate sind zu töten und zu vernichten.
|
Juni
1996 |
- Das
über Großbritannien verhängte Exportverbot
wird von der EU teilweise gelockert. Ein Plan, das Abkommen
von Florenz, zur schrittweisne Aufhebung des Exportverbots
wird beschlossen.
|
Juli
1996 |
- Es
wird ein Untersuchungsausschuss vom Europaparlament eingesetzt,
der mögliche Versäumnisse bei der BSE- Bekämpfung
aufdecken soll.
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18.
Juli 1996 |
- Die
EU legt eine Norm für die Tiermehlherstellung fest.
Zukünftig müssen alle tierische Produkte bei der
Tiermehlherstellung mindestens 20 Minuten, bei einem Druck
von 3 bar und einer Kerntemperatur von 133°C behandelt
werden.
|
Oktober
1996 |
- Die
Schweiz beschließt, dass alle direkten Nachkommen von an
BSE erkrankten Rindern getötet und verbrannt werden
müssen.
|
Dezember
1996 |
- Die
Schweiz beschliesst alle Rinder, die vor dem 1. Dezember
1990 (Tiermehlverfütterungsverbot) geboren wurden, zu
töten, wenn in einem Bestand die BSE aufgetreten ist.
Stimmt der betroffene Bestand nicht mit dem Herkunftsbestand/
Aufzuchtsbestand überein, wird diese Maßnahme
in beiden Betrieben durchgeführt.
|
März 1997 |
- Die
Bundesregierung erlässt die 2. BSE-Schutzverordnung,
nach der alle aus Großbritannien und der Schweiz nach
Deutschland importierten Rinder getötet werden müssen.
Die Bundesländer stimmen der Tötung der 5.200
aus Großbritannien und der Schweiz importierten Rinder
in Deutschland zu.
|
März
1998 |
- In
Großbritannien beginnt die unabhängige "Spongiform
Encephalopathy Advisory Committee" (SEAC) mit ihrer Arbeit zur Aufklärung der BSE-Krise.
|
16.
März 1998 |
- Teilweise Aufhebung des Verbringungsverbots für Rinder
und Rindfleischprodukte. Sogenannte Export Certified
Herds (ECHS) = Freigabe von Herden für die Ausfuhr
dürfen wieder nach Nordirland eingeführt werden.
|
23.
April 1998 |
- Die
epidemiologische Überwachung auf TSE tritt in Kraft.
BSE- Schnelltests werden eingeführt. Damit ist es möglich,
einen ersten BSE- Verdacht schon nach acht Stunden vorliegen
zu haben. Diese Tests sind so konzipiert, dass falsch negative
Ergebnisse nahezu ausgeschlossen werden können.
|
Juni
1998 |
- Nordirland
darf wieder Rinder aus BSE-freien Herden ausführen.
- Das
Verwaltungsgericht Osnabrück hebt die Tötungsverordnung
(2. BSE- SchutzVO) für Rinder aus Großbritannien
und der Schweiz auf. BSE sei keine Seuche im Sinne des Tierseuchengesetzes,
heißt es in der Begründung. BSE sei zudem nur
eine ?Sackgassenkrankheit?, die nur durch Fütterung
erkrankten Tier entstehe.
|
18.
November 1998 |
- Rinder und Rindfleischerzeugnisse aus Portugal dürfen
nicht mehr in EU-Mitgliedsstaaten verbracht werden.
|
25.
November 1998 |
- Das Verbot der Ausfuhr von Rindern und Rindfleischerzeugnissen
aus GB wird teilweise aufgehoben. Es wird beschlossen, dass
an seine Stelle das Date-Based Export Scheme (DBES) = datumsgestützte Ausfuhrregelungen
tritt (1.August 1999)
|
05.
Mai 1999 |
- In
Deutschland wird die BSE zusammen mit den übrigen bekannten
TSE zu einer anzeigepflichtigen Krankheit. Damit kommt die
Regierung der EU-Entscheidung E 98 272/ EG (Artikel 2 Abs.
1) nach.
|
Juli
1999 |
- Das
Exportverbot für britisches Rindfleisch und Rinder
im Rahmen des DBES
wird von der EU aufgehoben. Ab sofort ist GB der Exporthandel
mit Rindfleisch und Rindern wieder erlaubt.
|
Mai
2000 |
- Die
Länder der EU beschließen, dass die Anwendung
von BSE- Schnelltests bei klinisch auffälligen und
verendeten Tieren vom 01. Januar 2001 verstärkt werden
sollen (TSE-Überwachungsprogramm).
- Es
wird vereinbart, ab dem 1. Januar 2001 alle Schlachtrinder,
die über 30 Monate alt sind, einem BSE- Schnelltest
zu unterziehen.
|
Juni
2000 |
- Die
EU beschließt, dass sogenannte Risikomaterialien vom
1. Oktober 2000 an zu vernichten, damit mögliche
Erreger nicht in die Futter- und Nahrungsmittelkette gelangen
kann.
Liste der spezifischen Risikomaterialien (SRM)
Tierart |
Gewebe |
Rind,
älter als 12 Monate |
Schädel,
einschließlich Gehirn und Augen, Tonsillen,
Rückenmark, vollständiger Darm
|
Schaf
und Ziegen, älter
als
12 Monate
|
Schädel,
einschließlich Gehirn und Augen, Tonsillen,
Rückenmark
|
Schafe
und Ziege aller Altersklassen |
Milz |
Zu den unspezifischen Risikomaterialien zählen die
spezifischen Risikomaterialien von Wiederkäuern, die
jünger als 12 Monate sind sowie Separatorenfleisch,
Gehirn und Rückenmark von anderen Schlachttieren.
Risikogruppe |
Tierart |
Gewebe |
1.
hohe Infektiosität |
Rind
|
Gehirn,
Augen, Rückenmark, Spinalganglien, Dura mater,
Hypophyse, Kopf (ohne Zunge), Wirbelsäule und
Lunge.
|
|
Schaf,
Ziege |
Gehirn,
Augen, Rückenmark, Spinalganglien, Wirbelsäule,
Milz , und Lunge
|
2.
mittlere Infektiosität |
Rind |
Darm
(Duodenum bis Rektum), Tonsillen, Milz, Plazenta,
Uterus, fetales Gewebe, Nebenniere, Cerospinalflüssigkeit,
Lympfknoten
|
|
Schaf,
Ziege |
Darm
(Duodenum bis Rektum), Tonsillen, Plazenta, Uterus,
fetales Gewebe, Nebenniere, Cerospinalflüssigkeit,
Lympfknoten
|
3.
niedrige Infektiosität |
Rind,
Schaf, Ziege |
Leber,
Pankreas, Thymus, Knochenmark, lange Röhrenknochen,
Nasenschleimhaut, periphere Nerven.
|
4.
keine Infektiosität nachweisbar |
Rind,
Schaf, Ziege |
Skelttmuskulatur,
Herz, Niere, Kolostrum, Milch, Fettgewebe, Speicheldrüsen,
Speichel, Schilddrüse, Ovarien, Hoden, Nebenhoden,
Knorpel, Bindegewebe, Haut, Haare, Blut, Urin, Galle,
Faezes. |
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1.
September 2000 |
- Die
EU- Verordnung zur Rindfleisch-
Etikettierung tritt in Kraft. Danach muss bei jedem
Stück Rindfleisch künftig für den Verbraucher
zu erkennen sein, wo das Tier geschlachtet und zerlegt wurde.
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31.
Oktober 2000 |
- Die
britische Behörde FSA fordert die EU- Kommission auf,
unverzüglich die Verfütterung von aus Säugetieren
gewonnenen Futtermitteln an alle Tiere zu verbieten.
|
26.
November 2000 |
- Deutschland
verbietet die Verfütterung von Tiermehl generell.
|
02.
Dezember 2000 |
- Das
Tiermehlverbot tritt in Deutschland in Kraft.
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04.
Dezember 2000 |
- Der
EU-Agrarministerrat beschliesst, ab dem 1. Januar 2001,
zunächst für die Dauer eines halben Jahres, die
Verfütterung von Tiermehl generell zu verbieten.
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06.
Dezember 2000 |
- Aufgrund
einer erlassenen Eilverordnung laufen in Deutschland verbindliche
BSE-Schnelltest für alle Schlachtrinder über 30
Monate an. Ebenfalls müssen alle Not- und Krankschlachtungen
einem BSE- Schnelltest unterzogen werden.
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14.
Dezember 2000 |
- Die
Regierung richtet den Arbeitskreis BSE ein, die eine Lösung
für das Problem der Kostenaufteilung erarbeiten soll.
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20.
Dezember 2000 |
- Das
deutsche Bundesgesundheitsministerium empfielt eine Rückrufaktion
älterer Wurstprodukte, da diese Separatorenfleisch
enthalten können.
|
29.Dezember
2000 |
- Sachsen
- Anhalt richtet als erstes Bundesland eine Gen- Datenbank
für Rinder ein, um die Herkunft des Fleisches lückenlos
dokumentieren zu können. Weitere Bundesländer
wollen diesem Beispiel folgen.
- Die
Regierung gibt eine Schwachstellenanalyse zur BSE- Krise
beim Bundesrechnungshof unter Leitung von Frau Hedda von
Wedel in Auftrag.
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01.
Januar 2001 |
- In
der EU ist die Verfütterung von Tiermehl generell verboten.
Diese Maßnahme gilt vorerst für ein halbes Jahr.
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05.Januar
2001 |
- Der
derzeitige Landwirtschaftsminister Funke legt ein Acht-
Punkte - Programm zum Umbau der Landwirtschaft vor.
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10.
Januar 2001 |
- Renate
Künast (Grüne) wird Ministerin in dem neugegründeten
Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft, nachdem Landwirtschaftsminister Funke
sowie Gesundheitsministerin Fischer zurückgetreten
ist.
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12.
Januar 2001 |
- Die
deutsche Fleischwarenindustrie will vollständig und
freiwillig auf die Verarbeitung von Seperatorenfleisch verzichten.
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13.
Januar 2001 |
- In
Schleswig- Holstein tritt zum ersten Mal ein zweiter BSE-
Fall in dem selben Betrieb auf.
|
14.
Januar 2001 |
- EU-
Verbraucherschutz- Kommissar David Byrne fordert von den
Mitgliedsstaaten einen BSE-Zwischenbericht.
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23.
Januar 2001 |
- Russland
erläßt ein Teilimportverbot für Rindfleisch
und Rindfleischprodukten aus einigen deutschen Bundesländern.
Es besteht bereits ein Importverbot für britisches,
portugiesisches und schweizer Rindfleisch.
|
29.
Januar 2001 |
- Die
bundesdeutschen Landwirtschaftsminister einigten sich über
ein bundeseinheitliches Vorgehen im Kampf gegen BSE. Unter anderem
soll in Zukunft nach der Einführung europaweiter BSE-
Schnelltests für Schlachtrinder, der Einführung
des Tests auch für Schafe und Ziegen gestrebt werden.
Außerdem soll das Alter der zu testenden Rinder auf
24 Monate herabgesetzt werden. Der Etat der Forschungsgelder
zur Erforschung von BSE und vCJD soll stark vergrößert
werden.
Der Kopf, inklusive Zunge und die Wirbelsäule von Wiederkäuern
soll nicht mehr in die Nahrungskette gelangen. In Deutschland
soll im Falle eines Auftretens eines BSE Falles weiterhin
die gesamte Herde getötet werden.
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31.
Januar 2001 |
- Es
werden einheitliche EU- Maßnahmen im Kampf gegen BSE
beschlossen. Danach werden künftig
1. die Wirbelsäulen aus Schlachtvieh entfernt.
2. Die Verarbeitung von Separatorenfleisch wird verboten.
3. Rinderfett, was zur Herstellung von Tierfutter verwendet
werden soll, muss in zukunft unter einem Druck von 3 bar
erhitzt werden.
4. In der EU sollen ältere Rinder aufgekauft, getötet
und auf BSE getestet werden. Anschließend soll das
Fleisch vernichtet werden. Diese Maßnahme soll den
durch die BSE Krise stark rückläufigen Rindfleischmarkt
entlasten.
- Polen
und Bulgarien erlassen ein Einfuhrverbot für Rinder
und Rindfleischprodukte aus Deutschland, Italien und Spanien.
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10.
Februar 2001 |
- In
Zukunft sollen potenzielle Schlachtrinder schon vor der
Schlachtung einem BSE- Lebendtest auf der Grundlage eines
Verhaltenstests unterzogen werden. Diese Tests sollen den
landwirt rund 50,- DM kosten und auf dem Herkunftsbetrieb
von einem geschulten Tierarzt durchgeführt werden.
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15.
Februar 2001 |
- Das
Bundesverwaltungsgericht in Berlin erklärt die 2. BSE-
Schutzverordnung vom März 1997, die eine vorsorgliche
Tötung aller aus Großbritannien und der Schweiz
nach Deutschland importierten Rinder vorsah, nachträglich
für ungültig (Aktenzeichen: BVerwG 3 C 9.00)
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16.
Februar 2001 |
- Der
Bundesrat erlässt ein Massnahmengesetz zur BSE- Bekämpfung.
Danach können ganze Rinderherden getötet werden,
wenn bei einem Tier der Herde BSE diagnostiziert wird. Die
Einführung neuer Schlacht- und Tötungsmethoden
sowie die Verschärfung der Kontrollen in Schlachthöfen
wird beschlossen.
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26.
März 2001 |
- Der
Bund übernimmt die vollen Kosten der Bauern, die für
die Entsorgung einschließlich des Warenwerts tiermehlhaltiger
Futtermittel anfallen. Dafür wird eine Summe von insgesamt
63 Millionen Mark zur Verfügung gestellt.
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18. April
2001
20.April
2001
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- Das
Rinderherauskaufprogramm wird bis zum 18. Mai verlängert,
da die Beteiligung bisher unter der Erwartung der Regierung
lag.
- Die
TSE-Überwachungsverordnung
tritt in D in Kraft.
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23.
Mai 2001 |
- Die
Bundesregierung verabschiedet nationales Forschungskonzept zu Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien von insgesamt 27 Millionen Mark.
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Juni
2001 |
- Eine
Kommissionsverordnung legt fest, dass alle mehr als 24 Monate
alten Rinder, die not- oder krankgeschlachtet werden müssen,
sowie verendete Rinder mittels BSE-Schnelltest getestet
werden müssen (TSE-Überwachungsprogramm).
- Deutschland
schreibt in nationalem Recht darüber hinaus fest, alle
< 24 Monate alten Rinder, alle verendeten Kühe und
alle < 30 Monate alten verendeten männlichen Rinder
mit dem BSE-Schnelltest zu untersuchen.
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1.
Juli 2001 |
- Die
EU-Verordnung Nr. EG 999/2001 (BSE-Vorsorgeverordnung) mit
Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter
TSE Erkrankungen tritt in Kraft. Damit ist künftig
ist eine Tötung der gesamten Herde bei der Diagnose
BSE in einem Bestand nicht mehr zwingend vorgeschrieben.
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10.
Juli 2001 |
- Die
Präsidentin des Bundesrechnungshofes, Hedda von Wedel,
legt das Ergebnis der von der Bundesregierung in Auftrag
gegebenen BSE- Schwachstellenanalyse vor.
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13.
August 2001 |
- Das Dritte Gesetz zur Änderung des Fleischhygienegesetzes
wird beschlossen. Es werden u.a. bundeseinheitliche Regelungen
festgelegt für:
- erforderliche Massnahmen in Schlachtbetrieben bei BSE
- Möglichkeit, schlampig arbeitenden Schlachtbetrieben
die Exportlizenz für Rindfleisch zu entziehen, wenn
verbotene Risikofaktoren an den Schlachtkörpern bei
der Ausfuhr gefunden werden. (Vom Bundesrat am 1.2.2002
gebilligt).
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1.
Januar 2002 |
- Eine
EG-Verordnung schreibt die Untersuchung mittels Schnelltest
für eine große Stichprobenzahl von über
18 Monate alten Schafen und Ziegen vor, die für den
menschlichen Verzehr geschlachtet werden.
- Die
Verwendung des Rückenmarkszerstörers für
die Betäubung von Rindern, Schafen und Ziegen ist EU-weit
verboten.
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1.
Februar 2002 |
- Das
Importverbot für Schweizer Rinder in EU-Mitgliedsstaaten
ist aufgehoben.
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1.
September 2003 |
- Hydrolisiertes Protein sowie aus tierischen Knochen von Nichtwiederkäuern gewonnenes Di- oder Tricalciumphosphat darf wieder an Nichtwiederkäuer verfüttert werden. Ebenso ist es wieder zulässig, Blutmehl oder andere Blutprodukte von Nichtwiederkäuern an Fische zu verfüttern.
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30.
Oktober 2003 |
- EU-weit bestehen bestimmte Ausnahmen von der Kohorten- und Nachkommenregelung für eventuell betroffene Bullen auf Besamungsstationen.
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November 2003 |
- Die EU hebt die letzten Importbeschränkungen für Schweizer Rinder auf.
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März 2004 |
- EU-Interventionsbestände an Rindfleisch nach 3,5 Jahren geleert.
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April 2004 |
- In Großbritannien wurde bei einem Schaf eine bislang unbekannte Form der Scrapie entdeckt.
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MAi 2004 |
- Russland verbietet den Import von lebenden Rindern aus allen Ländern, in denen bislang BSE-Fälle aufgetreten sind. Das Importverbot richtet sich damit gegen die gesamte EU.
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Juli 2004 |
- Bei einem Zwergzebubulle (Bos indicus) des Baseler Zoos ist BSE festgestellt worden.
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September 2004 |
- Die EU hebt das im Jahre 1998 erlassene Exportverbot für Rindfleisch, lebende Kühe und verwandte Produkte aus Portugal auf.
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16.
Juli 2011 |
- Die EU hebt die Testaltersgrenze auf 72 Monate an.
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16.
Juni 2006 |
- Der Bundesrat spricht sich für eine Anhebung des BSE-Testalters von 24 auf 30 Monate aus.
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1.
Januar 2013 |
- Nach EU-Recht können die Mitgliedstaaten vollständig auf systematische Tests auf BSE verzichten.
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5.
Juli 2013 |
- In Deutschland werden die systematischen BSE-Tests beibehalten. Das Testalter der Rinder wird jedoch von 72 auf 96 Monate angehoben.
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Der Bundesrat hat am 16. Februar 2001 ein Maßnahmegesetz zur Bekämpfung des Rinderwahnsinns verabschiedet.
Damit kann das Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft eine Rechtsverordnung zur Tötung gesamter Rinderherden bei einem bestätigten BSE-Fall erlassen.
Das BSE-Maßnahmegesetz sieht darüber hinaus folgende Regelungen vor:
- Bei Verstößen gegen das generelle Verfütterungsverbot von Tiermehl härtere Strafen auszusprechen -Einführung neuer Schlacht- und Tötungsmethoden Verschärfung der Kontrollen in Schlachthöfen -Ergänzung der Vorschriften zum generellen Verfütterungsverbot von Tiermehl an alle Nutztierarten sowie bei der Tierkörperbeseitigung und im Tierseuchenrecht Möglichkeit für von BSE befallene landwirtschaftliche Betriebe, ihre Milchquoten künftig an andere Betriebe zu übertragen
Der Gesetzesentwurf hatte bereits am Donnerstag in erster und zweiter Lesung den Bundestag passiert. Das Gesetz ist veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 8 vom 21.02.2001, Seite 226.
Außerdem ist eine Neuauflage des Tierseuchengesetzes (Bundesgesetzblatt) am 11. April 2001 veröffentlicht worden.
Auf dem EU-Agrarsonderrat vom 4. Dezember 2000 wurde beschlossen, in der EU etwa 2 Millionen Rinder, die älter als 30 Monate sind und nicht auf BSE getestet wurden, vom Markt zu nehmen.
Die entsprechende Verordnung ist damit seit dem 2. Januar 2001 unmittelbar geltendes Recht. Deutschland muss diese EU-Maßnahme demnach anbieten. Es bleibt allerdings den Landwirten überlassen, ob sie sich an dieser Aktion beteiligen wollen. Keiner wird zur Schlachtung seiner Tiere gezwungen. In Deutschland betrifft dieses Angebot, das zunächst bis zum 30. Juni 2001 gelten soll, etwa 400.000 Rinder. Für die Bundesrepublik entstünden damit Kosten von etwa 362 Millionen Mark.
Die Tiere werden mit staatlichen Geldern von den Landwirten gekauft, auf BSE getestet und dann vernichtet.
Die Maßnahme des Aufkaufprogrammes ist in der Folge der BSE-Krise in Europa nötig geworden, da der europäische Rindfleischabsatz sehr zurückgegangen ist. Dies ist eine Folge der Verunsicherung der Verbraucher. Da derzeit anzunehmen ist, dass die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit mit der BSE-Erkrankung des Rindes im Zusammenhang steht, sind dem Verbraucher Zweifel an der gesundheitlichen Unbdenklichkeit von Rindfleisch und Rindfleischprodukten gekommen.
Wahrscheinlich ist eine Ansteckung und Erkrankung des Menschen über die Aufnahme von BSE-kontaminierten Nahrungsmitteln möglich.
Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (Hintergrund) sieht in der Aufkaufmaßnahme auf EU-Ebene eine Kombination von Marktstützung und Seuchenverhinderung. Damit solle das Risiko für den Verbraucher minimiert werden und die Markstabilität erreicht werden.
Deutschland wurde es durch dieses erste BSE- Krisenprogramm ermöglicht, auch BSE-getestete Tiere zur Vernichtung anzukaufen. Tiere, die aus anderen Gründen nicht für den menschlichen Verzehr freigegeben werden können (z. B. Notschlachtungen), können im Rahmen dieser Maßnahme allerdings nicht angekauft werden. Die deutschen Landwirte stehen damit vor der Wahl, ihre Tiere auf BSE zu testen und anschließend - sowie der Test negativ ausfällt - zu vermarkten, oder sie von der EU zur Schlachtung aufkaufen zu lassen.
Auch das zweite BSE-Krisenprogramm ist von der EU beschlossen worden. Dieses Programm sieht einen neuen Aufkauf- und Schlachtplan für Rinder vor. Im Unterschied zum ersten BSE- Krisenprogramm besteht dieses Mal keine Verpflichtung zur Vernichtung des Rindfleisches. Im Gespräch war in diesem Zusammenhang die kostenlose Bereitstellung und Lieferung des gesundheitlich einwandfreien Fleisches an Nordkorea. Zur Zeit werden über die Einzelheiten dieses Deals noch Verhandlungen mit der nordkoreanischen Regierung geführt.
Jedes Teilnehmerland kann für sich entscheiden, für welchen Zweck das anfallende Rindfleisch verwendet wird. Teilnehmen an diesem Programm dürfen außer den EU- Staaten auch andere europäische Länder, die flächendeckend Schlachtrinder einem BSE- Test unterziehen. Identisch zum ersten Programm ist, dass staatliche Stellen den Bauern ältere Kühe, die derzeit wegen der BSE-Krise unverkäuflich sind, zu festen Preisen abnehmen. Schätzungen zufolge sind rund eine Million Tiere betroffen.
Kommissar Fischler beschrieb auf dem Treffen des EU-Agrarrates am 19. Dezember 2001
in Brüssel die aktuelle Situation auf dem Rindfleischmarkt so, dass die Nachfrage für Rindfleisch immer noch etwa 4,8 % unter dem Niveau vor der BSE-Krise liege. Während sich die Erzeugerpreise für männliche Rinder weitgehend normalisiert hätten, sei die Lage bei Kuhfleisch nach wie vor problematisch. Aus diesem Grund habe der Verwaltungsschuss für Rindfleisch am 14.12.01 beschlossen, die Ankaufmaßnahme für über 30 Monate alte Rinder bis zum 31. März 2002 zu verlängern.
Insgesamt hat die Bundesregierung für die Bewältigung der BSE-Folgekosten Mittel in Höhe von einer Milliarde Mark bereitgestellt. Damit gehen die Hälfte an den Nachtragshaushalt der EU, die andere verteilt sich auf die Kosten der Aufkaufaktion der EU und die Beseitigung der Rindermehl-Altbestände.
Meinungsbildner zum Fokusthema
'Nach der Krise' kann auch 'Vor der Krise' bedeuten (06.06.2003)
Ein Interview der Agrarzeitschrift
Milchpraxis mit Prof. Dr. Reiner Doluschitz , Fachgebiet Agrarinformatik und Unternehmensführung, Hohenheim, über die derzeitige BSE- und Fleisch-Krise und zum Thema "Krisenmanagement" .
"Die prophylaktische Überprüfung möglichst vieler, auch vermeintlich sicherer Bereiche auf ihre potenzielle Krisenanfälligkeit sollte in Verbindung mit der Etablierung jeweils geeigneter Maßnahmen zur Krisenprophylaxe die wohl wichtigste Aufgabe der Zukunft sein, die als Lehre aus der BSE-Krise zu ziehen ist."
Die MILCHPRAXIS stellt dieses Interview freundlicher Weise VETION.DE zur Veröffentlichung im Internet zur Verfügung.
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Milchpraxis |
Erst
BSE, dann der Tierärzteskandal. Die "Fleisch-Krise" nimmt
existenzbedrohende Formen an? War diese Krise unvermeidbar
oder hätte man sie durch ein vorbeugendes Krisenmanagement
verhindern oder zumindest im Rahmen halten können?
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Doluschitz
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In
der Theorie unterscheidet man Stör- und Unglücksfälle von so
genannten Produktkrisen und diese wiederum von Wirtschaftskrisen.
Im Falle von BSE würde ich eine Produktkrise (unsachgemäße Aufbereitung
von Futtermitteln und deren Komponenten) mit Elementen eines
Stör-und Unglücksfalles (aus Sicht landwirtschaftlicher Betriebe
z. B. das Abschlachten gesamter Herden) sehen, während es sich
beim "Tierärzteskandal" eindeutig um eine Produktkrise (unsachgemäße
Anwendung von Sub-stanzen) mit strafrechtlichen Elementen handelt.
Folge beider Krisen sind durch berechtigte Verbraucherreaktionen
verursachte Wirtschaftskrisen (Nachfragerück-gang, Preiseinbrüche),
auf die im Falle von Rindfleisch erst jüngst durch eine Abschlachtaktion
zur Marktstützung reagiert wurde. Während bei den jeweiligen
Ausgangskrisen eine Prophylaxe und Kontrolle aufgrund kurzfristig
äußerst eingeschränkter Beeinflussbarkeit der Beteiligten und
Zusammenhänge sicher schwierig gewesen wäre bzw. ist, lassen
sich die daraus entstandenen Wirtschaftskrisen vergleichsweise
gut handhaben, weil die notwendigen Instrumentarien und die
Wirkungszusammenhänge bei deren Einsatz hinreichend bekannt
und erprobt sind.
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Milchpraxis |
Was
hätte anders laufen müssen?
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Doluschitz
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Hier
wären sicherlich viele Punkte zu nennen, die zum Teil weit in
die Vergangenheit hineinreichen;
zum Beispiel hätte im Falle von BSE durch eine Beibehaltung
der offenen Deklaration bei Futtermitteln viel Unklarheit vermieden
werden können. Ich möchte mich aber nur auf einige wenige, aus
Sicht eines geordneten Krisenmanagements wichtige und darüber
hinaus aktuelle Elemente beschränken. In den Medien kursierten
unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Krankheitsfälle sehr
viele unvollständige und zum Teil auch unrichtige Informationen.
Dies ist bei der wirklich außerordentlich komplexen Problematik
auch kein Wunder. An dieser Stelle hätte durch eine geordnete
und mit Sachverstand aus allen beteiligten Fachgebieten ausgestattete
gezielte Informationspolitik viel Unruhe vermieden werden können.
Auch auf das vorübergehende "Schweigen" bei unklaren Zusammenhänge
hätte dabei zurückgegriffen werden müssen. Die zuständigen Stellen
reagierten darüber hinaus zum Teil sehr träge, was durch strukturell
vorbereitete Krisenstäbe mit einem straffen Management bereits
in krisenfreien Zeiten hätte vermieden werden können. Rücktritte
von politisch Verantwortlichen wirken häufig wie der bekannte
"Tropfen auf dem heißen Stein". Sie entschärfen die Situation
- wenn überhaupt - i.d.R. nur äußerst kurzfristig, indem sie
die Medien und die Öffentlichkeit dadurch einerseits etwas beruhigen,
dass scheinbar offensiv agiert und nicht nur reagiert wird.
Nachhaltig kommt es aber häufig zu einer Ausweitung der Turbulenzen,
weil meist mit den Nachfolgern auch neue Ideen in zahlreichen,
dem akuten Problem oft weit entfernten Bereichen etabliert werden
sollen, was häufig auch bisher recht stabile Strukturen ins
Wanken bringen kann, auf die man gerade in Krisenzeiten angewiesen
ist.
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Milchpraxis |
Die
Wissenschaft hat Methoden erarbeitet, wie man mit Krisen umgeht
und vor allem, wie man sie vermeidet. Könnte man mit diesem
Instrumentarium auch in der Landwirtschaft arbeiten?
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Doluschitz
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Ich
sehe keinen Grund, warum dies nicht möglich sein sollte. Eine
Analyse der Krisenanfälligkeit, die Etablierung von Frühwarnsystemen,
die Erstellung von Szenarien und von Prognosen sowie die Ergreifung
vorhandener Maßnahmen zur Konfliktbewältigung lassen sich beispielsweise
in der Landwirtschaft ebenso anwenden wie in jeder anderen Branche
auch. Viele der genannten Maßnahmen sind ja auch bereits seit
Jahren etabliert und werden erfolgreich bei der Krisenprophylaxe
angewandt; ich nenne nur Frühwarndienste im Bereich der Pflanzenkrankhei-ten
und Angebots-, Nachfrage- und Preisprognosen auf zahlreichen
Märkten für landwirtschaftliche Produkte und Produktionsmittel
als Beispiele.
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Milchpraxis |
Wer
müsste sich um das Krisenmanagement kümmern?
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Doluschitz
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Auf
der Ebene der Unternehmen wäre dies die Führungsebene, die bei
Bedarf beispielsweise Krisenstäbe als so genannte Stabsstellen
einsetzt, einen geeigneten Verantwortlichen bestimmt und die
personelle Zusammensetzung so beeinflusst, dass mit dem geschaffenen
Spektrum an Fachkompetenz ein möglichst breites Gebiet potenzieller
Krisenherde abgedeckt werden kann. Auch in Verwaltungs- und
anderen öffentlichen Einrichtungen sind an dieser Stelle die
Führungsebenen gefordert. In jedem Fall ist es notwendig, dass
alle Maßnahmen bereits außerhalb akuter Krisenzeiten vorbereitend
ergriffen werden, weil nach Auftreten einer Krise für ein geordnetes
und fundiertes Handeln im Regelfall keine Zeit mehr bleibt.
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Milchpraxis |
Wer
sollte dem Krisenstab angehören? Welche Persönlichkeit sollte
ihn leiten? Ständig oder nur im Krisenfall?
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Doluschitz
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Der
Krisenstab ist das zentrale Gremium in der Krisensituation.
Er wird in krisenfreien Zeiten eingerichtet und tritt bei Bedarf
zusammen. Idealerweise setzt sich ein Krisenstab aus Mitarbeitern
mehrerer Abteilungen und Funktionsbereichen zusammen, da die
Ursachen einer Krise selten einem einzigen Bereich zuzuordnen
sind. Krisenstäbe sollten möglichst klein gehalten werden, damit
Entscheidungen so schnell wie möglich zu treffen sind. Organisatorisch
gesehen stellt der Krisenstab eine Entlastung der Linieninstanzen
und Unternehmensleitung dar und ist in der Regel als Stabstelle
angeordnet.
Besondere Bedeutung kommt dem Leiter des Krisenstabes zu:
Er organisiert und koordiniert das Projektmanagement in verantwortlicher
Weise, er stellt die Nahtstelle zur Geschäftsführung bzw. zu
anderen übergeordneten Hierarchien dar und ist verantwortlich
für die Hinzuziehung eventuell benötigter externer Berater.
Eine hohe Auffassungsgabe, Flexibilität, Verantwortungsbewusstsein,
Durchsetzungsvermögen und Belastbarkeit sind neben einer möglichst
breiten Fachkompetenz Merkmale, die diese Personen auszeichnen
sollten. Ein wesentliches Hilfsmittel des Krisenstabes ist das
Krisenhandbuch, in dem die Richtlinien für die Vorgehensweise
im Krisenfall enthalten sind. Dazu zählen beispielsweise organisatorische
Regeln, Zuständigkeiten, Informationsbefugnisse und Adressenlisten.
Zu einer guten Vorbereitung eines Krisenstabes gehört das Krisentraining,
das naturgemäß ebenfalls in krisenfreien Zeiten (quasi wie eine
Feuerwehrübung) durchgeführt wird. Neben Grundlagen wie der
Kenntnis über Ablauf von Kommunikations- und Gruppenprozessen
werden in Simulationen Krisensituationen beispielhaft dargestellt
und "durchgespielt".
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Milchpraxis |
Kann
man den Krisenverlauf jetzt noch beeinflussen?
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Doluschitz
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Wir
haben ja eingangs des Gespräches bereits festgestellt, dass
aus den ursprünglichen Unglücks- und Störfällen bzw. Produktkrisen
erhebliche Wirtschaftskrisen entstanden sind, deren Verläufe
nicht unbekannt sind, weil sie in ähnlichen Formen auch als
Reaktion auf andere Markterscheinungen bereits aufgetreten sind.
Es ist somit als sicher anzunehmen, dass der künftige Verlauf
deutlich beeinflussbar ist.
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Milchpraxis |
Welche
Anpassungen sind beispielsweise im Bereich der Futterwirtschaft
zu erwarten?
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Doluschitz
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Den Mischfutterherstellern fehlt mit dem Tiermehl künftig, zumindest
befristet, ein kostengünstiger Eiweißträger, der adäquat und
nach Möglichkeit auch kostenneutral substituiert werden muss.
Neben den etablierten pflanzlichen Eiweißträgern wäre hier zum
Beispiel auch an eine Anbauausdehnung bei heimischen Körnerleguminosen
(Ackerbohnen, Futtererbsen, Lupine) zu denken, die bezüglich
der Wirtschaftlichkeit den dominierenden Ackerkulturen nur unwesentlich
nachstehen und bezüglich des Vorfruchtwertes und der ökologischen
Vorteile in der Fruchtfolge eine wertvolle Ergänzung darstellen
können. Die feststellbare "Ausverkaufsstimmung" bei Körnerleguminosen-
Saatgut lässt vermuten, dass viele Landwirte diesen Weg schon
eingeschlagen haben. Darüber hinaus lassen sich Eiweißdefizite
in der Futterration durchaus durch eine ausgewogene und sachgerechte
Grundfutterration zumindest teilweise kompensieren. Zum Beispiel
gewinnen hier Futtermittel auf Grünland-Basis relative Vorzüglichkeit
gegenüber reinen Energieträgern wie z. B. Mais.
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Milchpraxis |
Wie
kann der Übergang zur chronischen Form, zur "Dauerkrise", verhindert
werden?
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Doluschitz
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Dies ist
die Aufgabe einer systematischen Krisennachbereitung. In der
Praxis fällt es allerdings schwer, den exakten Zeitpunkt zu
benennen, an dem die Krise vorüber ist. Selbst wenn das Unternehmen
bzw. der Krisensachverhalt aus den Schlagzeilen ist und auch
die finanzielle Situation wieder in Ordnung ist, können die
Folgen eines Image- und Vertrauensverlustes deutlich spürbar
bleiben. Eine wichtige Aufgabe der Nachbereitung ist es demnach
auch, aus der Krisensituation Lehren zu ziehen, denn in einer
dynamischen Umwelt kann "Nach der Krise" auch immer "Vor der
Krise" sein. Die Dokumentation des Krisenverlaufs ist eines
der wichtigsten Hilfsmittel bei der Nachbereitung, da hierbei
alle relevanten Daten und Fakten für eine Analyse bereitgestellt
werden. Anhand der Analyse und der Dokumentation von überstandenen
Krisen lassen sich auch Konsequenzen für den Krisenplan und
damit für das zukünftige Verhalten in Krisen ziehen, um in
vergleichbaren Situationen besser reagieren zu können. Falls
nötig, kann die Dokumentation auch als Beweissicherung für
mögliche juristische Auseinandersetzungen dienen.
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Milchpraxis |
Schwelende
Konflikte sind häufig Auslöser von Krisen. War dies auch bei
der derzeitigen Fleisch- Krise so? Wo wurden hier Fehler gemacht?
Wie kann man hier vorbeugen?
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Doluschitz
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Ich
denke, dass die durch das Auftreten der BSE-Erkrankungen allgemeine
Sensibilisierung der Medien, Öffentlichkeit und der Verbraucher
für alle möglichen Fragen der Fleisch-, ja sogar der ganz allgemeinen
Lebensmittelqualität und sicherheit nicht unwesentlich dazu
beigetragen hat, dass quasi "im Schlepptau" andere Problemkomplexe,
die man aufgrund ent-sprechender Skandale in der Vergangenheit
durchaus als "schwelende Konflikte" bezeichnen kann, in die
öffentliche Diskussion geraten sind. Auch in diesen Fällen ist
es notwendig, den aufgedeckten Missständen durch ein systematisches
und zeiteffizientes Krisenmanagement der bereits beschriebenen
Art zu reagieren.
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Milchpraxis |
Die
laufende Analyse der Krisenanfälligkeit und der Eignungstest
von Frühwarnsystemen sind Möglichkeiten, um Krisen erst gar
nicht entstehen zu lassen. Wie kann dafür Sorge getragen werden,
dass dabei aufgezeigte Schwachstellen auch beseitigt werden?
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Doluschitz
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Eine
Möglichkeit besteht darin, dass man beispielsweise nach dem
Muster einer Technikfolgenabschätzung die (potenziellen) Folgen
technischer Neuerungen und etablierter Produktionspraktiken
simuliert und diese Simulationsergebnisse, die häufig durchaus
den Charakter von Katastrophen haben können, den Entscheidungsträgern
und der Öffentlichkeit präsentiert. An dieser Stelle wäre auch
ein eindeutiger Appell an die Medien zu richten, die durch entsprechende
Berichterstattung auch bereits in krisenfreien Zeiten und ohne
aktuellen "Aufhänger" Aufklärungsarbeit leisten könnten.
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Milchpraxis |
Welche
Lehren sollte man aus der BSE-Krise für die Zukunft ziehen?
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Doluschitz
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Das
Wichtigste scheint mir zu sein, dass man sich ganz klar vor
Augen hält, dass - wie bereits gesagt - "Nach der Krise" immer
auch gleich "Vor der Krise" sein kann bzw. ist und dass es in
der Natur von Krisen liegt, dass deren Auftreten weder zeitlich
noch bezüglich des Ausmaßes und der Dauer vorhersehbar ist.
Es ist also keinerlei Garantie dafür gegeben, dass nicht jederzeit
- auch in kürzestem Zeitabstand - wieder eine krisenhafte Situation
entstehen kann. Die prophylaktische Überprüfung möglichst vieler,
auch vermeintlich sicherer Bereiche auf ihre potenzielle Krisenanfälligkeit
sollte in Verbindung mit der Etablierung jeweils geeigneter
Maßnahmen zur Krisenprophylaxe die wohl wichtigste Aufgabe der
Zukunft sein, die als Lehre aus der BSE-Krise zu ziehen ist.
Voraussetzung hierfür ist selbstverständlich die Bereitstellung
ausreichender personeller, materieller und finanzieller Ressourcen,
damit diese Aufgaben effektiv durchgeführt werden können. Auch
in der Forschung sollte ein stärkeres Augenmerk auf die Handhabung
von Krisen gelegt werden, was ansatzweise im breiten Feld der
Technikfolgenabschätzung bereits geschieht.
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Anschrift
des Autors:
Prof. Dr. Reiner Doluschitz
Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre (410 A),
Fachgebiet Agrarinformatik und Unternehmensführung,
Universität Hohenheim,
70593 Stuttgart
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Anstieg der Scrapiefälle in Deutschland - von Kari Köster-Lösche
In Deutschland haben jahrzehntelange Keulungsmaßnahmen dafür gesorgt, daß Scrapie nicht zum Problem wurde, da bei dem seltenen Vorkommen die ganze Herde gekeult wurde. Sofern Scrapie auftrat, handelte es sich nachweislich jeweils um Zukäufe aus ausländischen Herden.
Bemerkenswert ist deshalb der Anstieg von Scrapie seit dem vergangenen Jahr: in 2001 gab es 3 Scrapiefälle, jeweils 1 in Hessen, Sachsen-Anhalt und Konstanz. In den ersten drei Monaten dieses Jahres sind es bereits 9 Fälle. Von diesen gehörten 3 verendete Schafe zu einer Herde in Bocholt/NRW; unter den gekeulten Tieren fanden sich 4 weitere Scrapie-infizierte Schafe. Die jüngsten zwei Fälle traten Anfang April in Mecklenburg-Vorpommern bzw. Hessen auf.
Da die Scrapiefälle in Deutschland parallel zu den BSE-Fällen bei Rindern zugenommen haben, liegt der Zusammenhang mit BSE nahe. Am wahrscheinlichsten ist eine Infektion durch BSE-belastete Milchaustauscher. Milchaustauscher oder Starterfutter, eigentlich für Kälber hergestellt, wird Lämmern verabreicht, wenn das Muttertier diese nicht annimmt oder eine Amme nicht zur Verfügung steht. Es gibt handfeste Indizien, daß viele BSE-Fälle bei deutschen und dänischen Rindern durch Milchaustauscher verursacht wurden.
Literatur:
Kari Köster-Lösche: BSE - die heimtückische Gefahr. Wie schütze ich mich? Bergisch-Gladbach, 2001
Kari Köster-Lösche, 1997: BSE - eine Zoonose? TW Neurologie Psychiatrie 11, S. 279-281
Email:koeloe@t-online.de
Homepage der Autorin
BSE- Infektion oder Vererbung? Ein Kommentar von Dr. Kari Köster-Lösche
Zu BSE nehmen viele fachfremde Stimmen mit kuriosen Theorien Stellung, in der Annahme, es gäbe kaum wissenschaftliche Erkenntnisse zu BSE.
Dieses trifft so nicht zu, wenn man die Kenntnisse aus dem gesamten Krankheitskreis der Transmissiblen Spongiformen Encephalopathien (TSE) einbezieht, zu dem u.a. CJD, nvCJD, Kuru, Baku-Baku, BSE, Scrapie, TME, CWD und FSE gehören.
Nach den Erfahrungen aus anderen TSE-Erkrankungen handelt es sich bei BSE eindeutig um eine Infektionserkrankung, die hauptsächlich peroral übertragen wird (daß genetische Konstellationen eine Rolle spielen ist selbstverständlich: deshalb bekommen Menschen Masern und nicht Staupe, obwohl beide Erreger eng verwandt sind). Ob die Infektionserreger durch Milchaustauscher oder Kraftfutter oder beides übertragen werden, ist derzeit nicht entschieden. BSE müßte man aufgrund seiner Übertragbarkeit auf Menschen und andere Tierarten als Zooanthroponose ansprechen.
FSE (Feline spongiforme Encephalopathie) ist BSE der Haus- und Großkatzen, so wie nvCJD BSE des Menschen ist. Die Hauskatzen haben sich an Tischabfällen bzw. Dosenfutter infiziert, die Großkatzen an Tierkadavern. Die 98 FSE-Fälle bei Hauskatzen, davon je einer in Liechtenstein und Norwegen, die übrigen in Großbritannien, wurden hauptsächlich im Umfeld von Universitätsstädten diagnostiziert: Es ist deshalb davon auszugehen, daß es eine große Dunkelziffer gibt.
CWD (Chronic wasting disease) der Hirschartigen trat ab 1967 bei gehegten Großohr-, Weißwedel- und Maultierhirschen sowie Wapitis auf, alles Hirscharten, die Futter vom Boden aufnehmen. Offensichtlich infizierten sie sich durch Winterfutter (incl. Tiermehl) oder/und an Scrapieschafen, mit denen gemeinsam sie weideten. Derzeit breitet CWD sich mit gesteigerter Geschwindigkeit in der freien Wildbahn aus, vermutlich durch Speichel, Kot und Nachgeburten, möglicherweise können die Erreger sogar durch Wasser transportiert werden. (Elche sind entgegen der gelegentlich anzutreffenden Verwechslung von elk (Wapiti) mit Elch nicht betroffen.)
TME (Transmissible Minc Encephalopathie) der Nerze brach in den USA nachweislich gleichzeitig in Beständen aus, die vom gleichen Futterlieferanten beliefert worden waren; ob die Erreger von einer unbekannten Scrapievariante oder von Downer-Cows mit einer unbekannten TSE-Variante stammten, ist bis heute nicht entschieden.
Baku-Baku in der Slowakei war - nach Aussage von Menschen, die dort lebten - auf Dörfer beschränkt, in denen Schafzucht betrieben wurde, und betraf hauptsächlich Schäfer und Schlachter sowie deren Familien. Ähnlich wie Kuru beim Volk der Fore in Neuguinea trat die Erkrankung erstmals zu einem definierten Zeitpunkt auf und breitete sich dann aus.
Frauen, die in den Stamm der Fore einheirateten und danach erkrankten, sind der Beweis, daß die Erkrankung nicht auf Vererbung beruhte. Ursache war das Trauerritual, das offensichtlich nicht nur das Schlucken infizierter Gehirnteile beinhaltete, sondern durch verkürzte Infektionswege (von Augen- und Nasenschleimhäuten, Wunden bei Zahnwechsel, Mandelentzündungen u.ä. unter Umgehung des Magen-Darmtraktes in Blut- oder Nervenbahn) zu sehr kurzen Inkubationszeiten führte.
Obwohl lange vor BSE viele wissenschaftliche Veröffentlichungen erschienen sind, in denen die herkömmliche CJD in Zusammenhang mit Eßgewohnheiten und Scrapievorkommen gebracht wurde, obwohl auch in jüngerer Zeit CJD bei jungen US-amerikanischen Jägern (die als erstes den Schädel aufbrechen, um das Gehirn an Ort und Stelle zu verzehren) sowie bei Einwohnern von Kentucky, die traditionell Burgoo = mit Ei verklapptes Hörnchenhirn essen, diagnostiziert wird, und trotz der Erkenntnisse aus der Veterinärmedizin, beharrt die herkömmliche Humanmedizin darauf, 85% der CJD-Fälle als "sporadisch" zu bezeichnen, Ursache unbekannt.
Jedoch spricht alles dafür, daß es eine "sporadische" CJD überhaupt nicht gibt, sondern statt dessen nicht identifizierte TSE-Quellen in der Land- und Futterwirtschaft. Solange nur wenige Menschen an CJD starben, blieb diese Gefahr von der Allgemeinheit unbemerkt. Heute aber, mit einer paneuropäischen BSE-Epidemie, und mit dem Wissen, daß CJD unter unbekannten Umständen wie bei den Fore auch beim Menschen zur Epidemie werden kann, ist es dringend geboten, alle TSE-Quellen ohne Scheuklappen zu untersuchen. Leider äußern sich zu diesem Thema häufig "Fachleute" mit gegenteiligem Interesse.
Literatur:
Kari Köster-Lösche:
BSE - die heimtückische Gefahr. Wie schütze ich mich? Bergisch-Gladbach, 2001
Kari Köster-Lösche, 1997: BSE - eine Zoonose? TW Neurologie Psychiatrie 11, S. 279-281
Zur Autorin:
Frau Dr. Kari Köster- Lösche wurde 1946 in Lübeck geboren, aufgewachsen ist sie in Schweden,
- Grundschule schwedisch-sprachig,
- Studium der Tiermedizin in Gießen,
- Promotion in Bakteriologie,
- 10 Jahre Wissenschaftlerin bzw. Abteilungsleiterin eines internationalen Forschungsinstitutes (Battelle) in Frankfurt/M.
- Seit 1980 in Nordfriesland ansässig, verheiratet, 2 Kinder,
- seit 1985 freie Schriftstellerin, BSE- Expertin
Email: koeloe@t-online.de
Homepage der Autorin
Gesetze und Verordnungen
Gesetze und Verordnungen
Quelle
Fassung vom
Medien
Fatal Protein
von Ridley, Rosalind M.; Baker, Harry F.,
Oxford University Press, 2001
The Story of CJD, BSE, and Other Prion Diseases
Inhalt & Bestellung
BSE-Bekämpfung als Problem des Europarechts
von Baule, Sylvia,
Heymanns, 2003
Dissertation an der Universität Göttingen 2001
Inhalt & Bestellung
The BSE Crisis on the European Beef Market
von Schwarz, Gerald;,
Shaker Verlag GmbH, 2003
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