Das Bundeskabinett hat am 25. Mai 2022 die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgelegte Neufassung der Tierärztegebührenordnung abgenickt.
Die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) regelt die Honorare für tierärztliche Leistungen. Durch die Novelle sollen diese nach mehr als 20 Jahren nun sowohl an den veterinärmedizinischen Erkenntnisstand als auch an die wirtschaftlichen Erfordernisse für den Betrieb einer Tierarztpraxis angepasst werden. Die letzte GOT-Anpassung bzw. die letzte umfassende Änderung erfolgte 1999. Hierin fließen auch nach 1999 entwickelte, diagnostische Methoden wie die Kernspintomografie ein.
Eine durch die Anpassung der GOT bedingte Preissteigerung ist nach mehr als 20 Jahren nicht nur angemessen, sondern auch notwendig, da sie das Fortbestehen vieler Tierarztpraxen ermöglichen wird. Nur so kann die kurative Versorgung der Tiere, vor allem in ländlichen Räumen, nachts oder am Wochenende weiter gewährleistet werden, erklärt das BMEL in einer entsprechenden Pressemitteilung.
Weiterhin erfolgt die Anpassung der Gebührensätze auf wissenschaftlicher Basis. Ihr liegt eine vom BMEL bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahre 2021 zu Grunde. Diese hat ergeben, dass die einfachen Gebühren nicht mehr ausreichen.
Die GOT soll in ihrer geänderten Form am 22. November 2022 in Kraft treten. Sie wurde im Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 30 am 22. August 2022 veröffentlicht.
Zuletzt wurde die Tierärztliche Gebührenordnung (GOT) 2017 geändert. Das war die erste Novelle seit neun Jahren: Die Tierärzte in Deutschland konnten damit für ihre Leistungen mehr verlangen. Nachdem dies über vier Jahre von der Tierärzteschaft gefordert worden war, wurde am 7. Juli 2017 ein entsprechender Entwurf vom Bundesrat beschlossen. Dieser trat am 27.7.2017 in Kraft. Die Änderung von 2017 sah eine Preissteigerung von pauschal 12 Prozent vor. Für Beratungsgespräche im Zuge der landwirtschaftlichen Bestandsbetreuung stieg der Gebührensatz um 30 Prozent. Die Bundestierärztekammer (BTK) und der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) lehnten den Entwurf der GOT damals jedoch ab und waren auch nach der Abstimmung enttäuscht.
Eine umfassende Novellierung der GOT ist für die Zukunft geplant, dem soll ein Forschungsvorhaben vorausgehen.von Sophia Neukirchner
Eingeführt wurde die Tierärztliche Gebührenordnung (GOT) 1999. Sie regelt die Entgelte für circa 800 tierärztliche Leistungen. In §1(1) steht geschrieben: „Den Tierärzten stehen für ihre Berufstätigkeit Vergütungen (…) nach dieser Verordnung, insbesondere nach dem in der Anlage vorgeschriebenen Gebührenverzeichnis zu.“
Eingeführt wurde sie unter anderem, um zu verhindern, dass die Qualität der flächendeckenden, tierärztlichen Versorgung unter einem Unterbietungswettbewerb leidet. Weiterhin sollte mit der GOT auch mehr Transparenz für die Tierhalter geschaffen werden. Auch andere Freie Berufe greifen in ihrer Rechnungsstellung auf gesetzliche Gebührenordnungen zurück.
Die GOT schreibt für jede Tätigkeit eine Empfehlung aus (Beispielsweise 51,54 Euro für die Kastration einer weiblichen Katze; Material, Narkose, Medikamente etc. sind dabei nicht inbegriffen), erlaubt es den Tierärzten jedoch, sich frei zwischen diesem einfachen und ggf. vierfachen Satz zu bewegen.
Im §2 ist zur Bemessung der Gebührenhöhe geschrieben: „Die Gebühr ist innerhalb dieses Rahmens nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des einzelnen Falles zu bestimmen, insbesondere unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der Leistungen, des Zeitaufwandes, des Zeitpunktes des Erbringens der Leistungen gemäß des Satzes 4, des Wertes des Tieres und der örtlichen Verhältnisse.“
Hinzu kommen Nacht- und Notdienstzuschläge.Viele Tierärzte bewegen sich konstant am unteren Rand der GOT, etwa um im Konkurrenzkampf zu bestehen. Laut Tierarzt Ralph Rückert reiche dies in den meisten Fällen aber nicht aus, um eine Praxis rentabel zu führen, beziehungsweise Fortbildungen zu finanzieren oder Investitionen zu tätigen. Klienten dieser Praxen könnte eine plötzliche gesetzlich geforderte Erhöhung der Sätze um 12 Prozent, wie es derzeit in der Planung ist, unerwartet viel erscheinen, obgleich diese 12 Prozent Erhöhung den tierärztlichen Verbänden längst nicht ausreichen. Sie hatten eine pauschale Erhöhung der Sätze um bis zu 26 Prozent gefordert. Für die Bestandsbetreuung sollte sich das Honorar für die tierärztliche Leistung gar verdoppeln. Begründet wurde ersteres mit einem Anstieg der Praxiskosten und letzteres damit, dass die Beratung von Nutztierhalter zunehmend an Bedeutung, jedoch auch an (Zeit)aufwand gewonnen habe.
Die letzte Anhebung der Gebührenordnung für Tierärzte war bereits neun Jahre her. Damals hatten die Tierärzteverbände eine Steigerung von 28 Prozent gefordert, schließlich wurden es wie auch in diesem Jahr - 12 Prozent. Seit 2008 beträgt der relative Kaufkraftverlust jedoch knapp 11 Prozent. Die nun geplante Gebührenerhöhung deckelt demnach gerade mal die Auswirkungen der Inflation!
Hinzu kommt, dass auch die Angestellten in Praxen und Kliniken (Tierärztliche Fachangestellte) im Frühjahr dieses Jahres neue Tarifverträge mit erhöhten Sätzen errungen haben, wodurch die betrieblichen Kosten für die Tierarztpraxis ebenfalls weiter ansteigen.
Ohnehin gilt Deutschland bei den Honoraren für tierärztliche Leistungen im Vergleich mit anderen europäischen Ländern wie Großbritannien oder den skandinavischen Ländern immer noch als „Billiglohnland“. Selbst nach der Erhöhung der GOT liegt das Stundenhonorar für eine Beratung in der Bestandsbetreuung (rund 89 Euro) beispielsweise immer noch unter dem in Österreich üblichen Stundensatz von 103 Euro. In Dänemark liegt der Stundensatz für die staatlich geforderte Betreuung der Schweinepraxen bei über 200 Euro.
Der Gesetzesentwurf erntet Kritik
In der Beratungsphase zur neuen Verordnung wurde nicht nur der betroffene Berufsstand der Tierärzte einbezogen. Ungewöhnlicherweise ließ man auch Tierschutz- und Nutztierhalterverbände zu Wort kommen bzw. in die Diskussion einsteigen.
Tierschutzverbände: Für Tierschutzverbände sieht der Entwurf, für den abgestimmt wurde, in bestimmten Fällen eine Öffnung der GOT vor. Thomas Schröder, Präsident des Tierschutzbundes, begründete diese Forderung im Vorfeld der Entscheidung damit: „Wir brauchen eine Regelung, dass die Tierärzte, die Tierheimen helfen wollen, nicht mit dem Kammerrecht in Konflikt kommen, weil ihnen vorgeworfen wird, die GOT nicht einzuhalten.“ So soll nun die Kastration freilebender Katzen für (steuerrechtlich) gemeinnützige Organisationen auch unterhalb des einfachen Gebührensatzes abgerechnet werden dürfen. Das soll außerdem für Leistungen gelten, die „als Folge der Kastration erforderlich sind bzw. üblicherweise mit einer Kastration durchgeführt werden“. (http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2 017/0401-0500/499-17.pdf? __blob=publicationFile&v=1).
Bpt und BTK befürchten hier jedoch zum einen den Missbrauch dieser Klausel, sehen zum anderen auch nicht die Rechtfertigung, eine „ordnungspolitische Aufgabe“, wie die Populationskontrolle freilebender Katzen, „auf dem Rücken der Tierärzte“ auszutragen und lehnten aufgrund dessen den aktuellen Entwurf der GOT- Änderung ab.
Landwirte: Auf Nutztierhalter kommt die größte Preissteigerung zu. 30 Prozent mehr wird das Beratungsgespräch im Stall nun kosten, also 89,33 Euro statt wie bisher 68,72 Euro pro Stunde. Vom bpt gefordert waren 100 Prozent mehr, dies könnte laut Bundesregierung jedoch eine „abschreckende“ Wirkung haben, was die Inanspruchnahme von Beratungsgesprächen durch Tierhalter reduzieren würde. Mit Blick auf den Tierschutz sei dies „nicht zielführend“.
Die scheinbar starke Preissteigerung ergibt sich aus dem erhöhten Aufwand, den Nutztierpraktiker etwa durch Bemühungen um Antibiotikaresistenzminderung, Tierwohl und Tierseuchenprophylaxe zu leisten haben. Da angenommen wird, dass nur ein Viertel der jährlichen Tierarztkosten von Landwirten auf Beratungskosten entfällt, ist die Mehrbelastung jedoch moderat. Im Entwurf wurden durchschnittlich 292,17 Euro errechnet, die in Betrieb nach der GOT-Erhöhung jährlich mehr aufbringen müsse.
Die EU: Tierärztliche Leistungen fallen unter eine Dienstleistungsrichtlinie der EU, nach der Mitgliedsstaaten im Binnenmarkt zu prüfen haben, ob eine Festsetzung von Mindest- und Höchstpreisen „nicht diskriminierend, erforderlich und verhältnismäßig“ ist. Die Deregulierungstendenzen der Europäischen Union machen gerade weiteren Freien Berufen zu schaffen. So hatte die EU-Kommission Deutschland Ende vergangenen Jahres wegen der Honorarordnungen für Ingenieure und Architekten verklagt. Gegen die österreichische Honorarordnung für Tierärzte hatte man ein Vertragsverletzungsverfahren angeordnet.
Die Bunderegierung sprach in ihrem Entwurf davon, dass die Forderungen hinsichtlich einer Anpassung an die wirtschaftlichen Entwicklungen „grundsätzlich als berechtigt anzusehen“ seien, jedoch müssten dem „berechtigten Interessen aller Beteiligter Rechnung“ getragen werde. Das Ergebnis ist eine Erhöhung der Gebührenordnung, die jedoch prozentual weit hinter den Forderungen, die betriebswirtschaftlich belegbar sind, zurückbleibt.
Tierärztliche Kliniken sind laut Standesrecht verpflichtet 24 Stunden am Tag die Anwesenheit mindestens eines Tierarztes und damit die Versorgung von Notfällen zu sichern. In der vergangenen Jahren hat eine zunehmende Anzahl von Kliniken ihren Klinikstatus zurückgegeben unter der Begründung, sich den Klinikbetrieb nicht mehr leisten zu können.
Damit ist die flächendeckenden tierärztliche Notdienstversorgung erheblich gefährdet. Darüber wurde hinreichend in den Medien berichtet.
Tierärztliche Fachverbände, wie die Bundestierärztkammer, haben die Bundesregierung auf diese Problematik aufmerksam gemacht. Das Ergebnis ist die vierte Änderung der Tierärztegebührenordnung (GOT), die in 2020 in Kraft tritt.
Damit sind künftig 50 Euro Notdienstgebühr (Nettopauschale) für Tierärztliche Leistungen in der Nacht (18 – 8 Uhr), sowie an Feiertagen und Wochenenden verpflichtend.
Das "Wochenende" beginnt bereits Freitag 18 Uhr.
50 Euro sind der Nettobetrag, inkl. Mehrwertsteuer hat der Tierhalter einmalig 59,50 Euro zu entrichten.
Von der Notdienstgebühr ausgenommen sind reguläre Sprechzeiten (Samstagssprechstunde, verlängerte Abendöffnungszeiten).
Zudem ist der Tierarzt verpflichtet, einen erhöhten Gebührensatz (mindestens zweifacher GOT- Satz) zu erheben.
Auch erhöht sich der höchstmöglich erlaubte Gebührensatz von 3- auf 4-fach im Notdienst. (Damit kann z.B. die Mitwirkung von Hilfskräften, die der Tierarzt zu Vergüten hat, berücksichtigt werden.)
Die Notdienstgebühr gilt nur einmalig. Wenn mehrere Tiere eines Halters bei dem Notdiensteinsatz versorgt werden, wird die Gebühr nicht je Tier erhoben.
"Begründete Einzelfälle" und bestehende und künftige Betreuungsverträge sind von der Änderung der Verordnung ausgenommen.
Großtierpraktiker können sich freuen: Neben der neuen Notdienstregelung sieht die vierte Änderung der GOT außerdem die Einführung eines erhöhten Wegegeldes vor: Künftig sollen je gefahrenem Doppelkilometer 3,50 Euro, mindestens jedoch 13,00 Euro erhoben werden. Dieses gilt auch zu den regulären Praxisöffnungszeiten.
Mit der neuen Notdienstregelung (und der Erhöhung des Wegegeldes) soll die flächendeckende Versorgung der Tiere weiterhin gesichert werden. „Der Rückschritt im tierärztlichen Notdienst zur bloßen Rufbereitschaft wäre ein Rückschritt in der tierärztlichen Versorgung“, heißt es in der Begründung der Vierten Änderung der GOT.
Im Sinne des Tierschutzes (Staatsziel) und der Sicherung der öffentlichen Gesundheit (rasche Diagnose und Bekämpfung von Tierseuchen und Zoonosen) sei der Tierärztlicher Notdienst notwendig.
Der Notdienst, insbesondere im Klinikbetrieb, soll durch die neue Notdienstregelung wirtschaftlich und damit attraktiver gestaltet werden.
"Zum anderen soll die Hemmschwelle, den tierärztlichen Notdienst in Anspruch zu nehmen, erhöht werden, um die Inanspruchnahme des Notdienstes auf tatsächliche Notfälle zu beschränken." Damit sollen die Tierärzte (insbesondere in der Rufbereitschaft) entlastet werden.
50 Euro Notdienstgebühr seien immer noch zu wenig, sagen die Tierärztlichen Fachverbände und forderten eine Pauschale von 100 Euro. In der Stellungnahme der Bundestierärztekammer (BTK) zum Entwurf der Änderung der Verordnung vom August heißt es: "Betriebswirtschaftliche Berechnungen belegen, dass unabhängig von der Vergütung der tierärztlichen Leistung mindestens 100,00 Euro pro Fall zur Finanzierung des personellen Aufwandes im Notdienst eingenommen werden müssen. Die Gebührenhöhe ist für die Anwesenheit von hochqualifiziertem Personal und teurer Ausrüstung zu Zeiten, in denen andere Leute schlafen oder ihre Freizeit genießen, angemessen."
Die Bundesregierung argumentiert dagegen: 100 Euro würden eine zu hohe finanzielle Hürde für Tierhalter darstellen, den tierärztlichen Notdienst in Anspruch zu nehmen. Dies wäre mit Hinblick auf Tierschutz und Tierseuchenbekämpfung nicht zielführend, heißt es in der Begründung der Änderung.