Die Maul- und Klauenseuche ist weit gefürchtet
Als am 21. Februar 2001 in Großbritannien nach mehr 20 Jahren Seuchenfreiheit die Maul- und Klauenseuche (MKS) in der Grafschaft Essex ausgebrochen ist, hielt nicht nur Europa den Atem an. Die EU, USA, Kanada und Nordkorea erliessen sofort ein totales
Import- und Exportverbot für Tiere und tierische Erzeugnisse aus Großbritannien. Die MKS zählt zu einer der kontagiösesten Tierseuchen.
Sie wird durch einen
Aphtovirus der Familie Picornaviridae hervorgerufen. Das Virus verursacht flüssigkeitsgefüllte Bläschen an den Schleimhäuten des Nasen-Rachenraumes und am Kronrand der Klauen. Nachdem die Bläßchen geplatzt sind, werden die Schleimhautläsionen durch bakterielle Keime besiedelt, was zu schmerzhaften Sekundärinfektionen führen kann. Dadurch stellen die Tiere das Fressen ein und zeigen Lahmheiten. Außerdem geht die Infektion mit Fieber einher.
Da das Fleisch kranker Tiere aus
lebensmittelhygienischen Gründen nicht verwertet werden darf und aus
alle Klauentiere eines Bestandes getötet und anschließend unschädlich beseitigt werden müssen, stehen den betroffenen Landwirten hohe Verluste ins Haus. Die Verluste sind sowohl materieller als auch emotionaler Natur. Die Massenkeulungen sind auch aus Sicht des Tierschutzes nicht unumstritten.
In dem Monatshema "MKS" halten wir Sie über die Situation in Großbritannien auf dem Laufenden. Darüber hinaus informieren wir Sie über die Pathogenese und die Klinik der MKS bei verschiedenen Tierarten sowie über die tierseuchenrechtlichen Maßnahmen. Zur Diskussion wird die Impfproblematik bei MKS gestellt, die anhand der Position verschiedener Experten beleuchtet wird. Klinik allgemein
Bei der Maul- und Klauenseuche (MKS) handelt es sich um eine anzeigepflichtige Viruserkrankung, die durch ein Virus des Genus Aphtovirus der Familie Picornaviridae ausgelöst wird.
Es sind bislang sieben nicht kreuzreagierende Serotypen (A, O, C, SAT 1, SAT 2, SAT 3, Asia 1) bekannt. Für jeden
Serotyp existieren verschiedene Subtypen, wie z. B. O1, A22, usw.
Der Virustyp, der gerade in Großbritannien grassiert ist der hochinfektiöse pan-Asiatic O Typ. Tiere, die sich mit einem der Serotypen infiziert haben, besitzen, nachdem sie sich von den Krankheitssymptomen erholt haben, eine geringe oder keine
Immunität für die übrigen Serotypen.
Tenazität: Das Picornavirus besitzt eine geringe Tenazität gegen Strahlung, Wärme und Trockenheit. Mit herkömmlichen Desinfektionsmitteln kann das Virus zertstört werden. Dagegen ist die Überlebensfähigkeit bei Nässe und Temperaturen um den Gefrierpunkt oder darunter sehr hoch.
Das Virus ist für Klauentiere hoch
kontagiös und besitzt eine kurze
Inkubationszeit. Das ist der Grund für die sehr rasche Ausbreitung innerhalb von Populationen von Paarhufenr, wobei das Virus ungehindert von Rindern auf Schweine oder auf kleine Wiederkäuer und umgekehrt übergeht. Bei Schaf und Ziege verläuft die Krankheit meist milder als bei Rind und Schwein (s.u.).
Auch andere Tierarten und der Mensch sind für dieses Virus empfänglich, wobei der Grad der Ausprägung der Krankheitserscheinungen sehr unterschiedlich ist. Der Mensch erkrankt außerordentlich selten. Die Symptome sind Fieber, Mattigkeit und Bläschen an Händen, Füßen und im Mund-Rachen-Raum. Nach wenigen Tagen klingen die Symptome ab. Einhufer sind für MKS nicht empfänglich.
Als Virusträger ohne klinische Krankheitssymptome kommen vor allem Wildwiederkäuern eine hohe Bedeutung zu. Diese stellen ein Erregerreservoir dar, welches für die Weiterverbreitung von MKS und für die Erkrankung von landwirtschaftliche gehaltenen Paarhufern von grosser Bedeutung ist.
Die Seuche kann in zwei Formen eingeteilt werden, die milde und die bösartige Form.
Die Infektion der Tiere erfolgt
aerogen oder
oropharyngeal, also über die Schleimhäute des Nasenrachenraumes. Dadurch kommen als Vektoren sowohl infizierte Tiere als auch andere belebte und unbelebte Faktoren in Frage.
In der Eintrittspforte, der Pharynxschleimhaut, entstehen innerhalb weniger Stunden nur
histologisch nachweisbare herdförmige
Primäraphthen. In diesen vermehrt sich das Virus und es entstehen, im Zuge einer
Virämie, in ein bis vier Tagen die makroskopisch sichtbaren Sekundäraphthen an den entsprechenden
Prädilektionsstelle. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Blasenbildung ihren Höhepunkt erreicht, ist das Virus im Blut nicht mehr nachweisbar. Im Laufe der Virusvermehrung lösen sich die Zellen der unteren Hautschichten (Stratum spinosum) auf, und die darüberliegenden Zellschichten heben sich in Form einer Blase (
Aphthe) ab. das Stratum germinativum bleibt unversehrt. Die entstandenen Blasen platzen dann, entweder automatisch oder durch mechanische Einflüsse, und es tritt der nur noch vom Stratum basale bedeckte rote Papillarkörper zu Tage. Durch das Platzen mehrerer solcher Blasen und dem anschließenden Zusammenfließen kommt es zu dem charakteristischen landkartenartigen Aussehen der Erosionen. Nach ein bis zwei Tagen trocknen die Erosionen ab und sind mit einem gelblichen oder grau- weissem Exudat bedeckt. Mit Beginn der Stomatitis speicheln die betroffenen Tiere ("MKS-Bart") und schmatzen in eigenartiger Weise. Wegen der Schmerzen an den Füßen Trippeln, zuckendes Anheben der Füße.
Ohne das Angehen einer bakteriellen
Sekundärinfektion erfolgt in den meisten Fällen in etwa fünf Tagen eine
Restitutio ad integrum. An den betroffenen Hautstellen zeigt sich für ca. ein halbes Jahr lang noch eine
Leukoplakie, die anhand weisslicher Hautstellen erkennbar ist. Kommt es dagegen zu bakteriellen Sekundärinfektionen, entstehen
diphtheroid-nekrotische Prozesse, die nur unter Narbenbildung ausheilen.
Die Krankheit verläuft beim Rind als fieberhafte Erkrankung mit hoher
Morbidität aber nur geringer
Mortalität (2 - 50%). Das bedeutet, dasssehr viele Tiere erkranken, aber nur wenige sterben. Bei Schwein, Ziege und Schaf ist das Allgemeinbefinden in der Regel wenig gestört, meist haben die Tiere kein Fieber. Morbidität und Mortalität verhalten sich wie beim Rind.
Das Ausbrechen der Krankheit hat hohe wirtschaftliche Verluste zur Folge, insbesondere durch den hervorgerufenen Milchrückgang und das Auftreten von
Mastitiden beim Rind.
Aborte, Sterilitäten und Wachstumsverzögerungen bei erkrankten Tieren tun ihr übriges. Auch die veterinärbehördlichen Maßnahmen sind von bedeutendem finanziellen Ausmaß.
Klinik Rind
Die MKS ruft beim Rind charakteristische Krankheitssymptome hervor.
Pathogenese
Nach einer
Inkubationszeit von zwei bis sieben Tagen entwickeln sich bei der milden Form der MKS, die vor allem bei älteren und weniger gut genährten Tieren vorkommt, in der Mundschleimhaut einzelne oder multiple bis hühnereigrosse Blasen, die mit einer klaren oder gelblich- roten Flüssigkeit gefüllt sind.
Diese Phase der Erkrankung ist durch ein schlechtes Allgemeinbefinden und meist von Fieber begleitet.
Besonders häufig sind Blasen an der Zungenspitze lokalisiert, auf dem Zungenrücken, an den Zungenrändern, an der Zahnplatte, am Zahnfleisch und an der Lippen- und Backenschleimhaut.
Seltener sind die Aphthen am Flotzmaul, an der Nasenöffnungen und am harten Gaumen zu finden.
Neben den Veränderungen in der Mundschleimhaut kommt es auch zur
Aphthenbildung in der
Mukosa des Pansenpfeilers, wobei es hier nicht selten zu einer direkten Koagulationsnekrose der Epithelzellen kommt.
Häufig entwickeln sich nach der Virämie auch Erosionen in der Haut des Zwischenklauenspaltes, des Kronsaums, der Euterhaut und der Haut der Zitzen. Durch die Lösung der Lederhaut der Klauen kommt es nicht selten zum Ausschuhen.
Bei der bösartigen Form der MKS, die bei Neugeborenen, Jungtieren und besonders wohlgenährten Tieren vorkommt, kommt es zu einer nicht- eitrigen Myokarditis mit Todesfolge, wobei die Aphthenbildung meist unterbleibt.
Differentialdiagnose
Mucosal Disease, bösartiges Katarrhalfieber, Rinderpest, bovine Leukozyten- Adhäsions- Defizienz (BLAD), infektiöse bovine Rhinotracheitis (IBR), Stomatitis papulosa.
Bezüglich der Veränderungen im Zwischenklauenspalt: MD, Dermatitis digitalis, Mauke.
Klinik Schwein
Auch beim Schwein ruft die MKS charakteristische Symptome hervor, die sich von denen beim Rind unterscheiden.
Die Inkubationszeit beim Schwein liegt zwischen ein und vier Tagen. In dieser Zeit entwickeln sich in der Mundschleimhaut die ersten Primäraphthen, in denen sich das Virus vermehrt. Der Virämie schließt sich die Bildung der Sekundäraphthen an Kronsaum und Sohle, bei der Sau auch an den Zitzen, an.
Weniger häufig ist die Rüsselscheibe und die Mundschleimhaut befallen. Die bösartige Form der MKS, die den Herzmuskel und die Skelttmuskulatur befällt, ist beim Schwein selten. Von der bösartigen Form sind überwiedend Saugferkel und Läufer betroffen.
Klinisch ergeben sich durch die Erosionen an den Klauen Bewegungsstörungen, die vom klammen Gang über Stützbeinlahmheit bis zum Festliegen der Tiere reichen können. Ansonsten ist das Allgemeinbefinden wenig gestört.
Nach der Genesung der Tiere kann als Spätfolge gelegentliches Ausschuhen beobachtet werden.
Ab dem fünften Tag nach der Infektion sind Serumantikörper im Blut nachweisbar.
Die Durchseuchungsimmunität gegenüber dem homologen Virustyp hält beim Schwein fünf- sieben Monate an.
Differentialdiagnose
Swine vesicular Disease, Stomatitis vesicularis infectiosa, vesikuläres Exanthem.Klinik Schaf und Ziege
Die Veränderungen beim Schaf gleichen weitgehend denen des Rindes , nur sind die Blasen kleiner und vorzugsweise die Klauen betroffen. An den Klauen kommt es oft zu einer bakteriellen Sekundärinfektion, aufgrund derer der Verlauf meist ungünstig ist.
Differenzialdiagnose
Peste des petits ruminants (Pseudorinderpest), Bluetongue Disease (Blauzungenkrankheit)
Ziege
Die Krankheitserscheinungen gleichen denen des Schafes, allerdings treten bei der Ziege häufig auch ödematöse Schwellungen der Lippen- und Backenschleimhaut auf.
Differenzialdiagnose
Peste des petits ruminants (Pseudorinderpest)
Geschichtliches
Die Maul- und Klauenseuche (MKS) war die erste Krankheit bei Mensch und Tier, bei der 1898 ein Virus als Erreger nachgewiesen werden konnte. Die großen Seuchenausbrüche der MKS verursachten enorme wirtschaftliche Schäden.
1966/67 kam es zu einem Ausbruch in Großbritannien: Fast 2350 Gehöfte waren betroffen; über 430 000 Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine mussten getötet werden.
1997 erkrankten bei einem explosionsartigen Seuchenausbruch in Taiwan mehr als eine Million Schweine.
In Deutschland trat die MKS zuletzt 1982 (neue Bundesländer) bzw. 1988 (alte Bundesländer) auf.
§§
Die Krankheit und der Verdacht sind anzeigepflichtig. Behandlungsversuche sind verboten. Alle Klauentiere des betroffenen Bestandes werden unter strengen Sicherheitsmaßnahmen getötet und unschädlich beseitigt (VO zum Schutz gegen die MKS i.d.F. d. Bek. v. 1.2.1994). In manchen Ländern der EU werden umfangreiche Vorkehrungen für den Ernstfall (= Ausbruch von MKS) getroffen, z.B. in Form von realistischen Übungen. In Bayern, das aufgrund seiner geographischen Lage als besonders gefährdet angesehen wird, existiert ein Notfallplan. Das Weltreferenzlabor für MKS ist in Pirbright, GB.
Verordnung zum Schutz gegen MKS
(s. Gesetze)
Vorschriften der EU
(s. Gesetze)
Rechtstexte BMVEL
Prophylaxe
In der BRD erfolgte bis 31.3.1991 eine jährliche Impfung mit inaktivierter trivalenter Vakzine. Seither ist die Impfung in der EU verboten. Es befindet sich kein Impfstoff mehr im Handel. Für Notfälle ist jedoch auf der Insel Riems eine Impfstoffbank eingerichtet worden. Auch das Pharmazieunternehmen "Bayer AG" unterhält eine Impfstoffreservebank. Dort lagern für die 12 bekannten Serotypen jeweils 100.000 Dosen zum sofortigen Gebrauch. Innerhalb einer Woche können eine Millionen Einheiten hergestellt werden. Es wird stetig weiter an der Fortentwicklung der Vakzinen gearbeitet.
Publikationen
Interview mit Prof. Dr. O. C. Straub zur Impfproblematik
Autor: Prof. Wolfgang Heuwieser
Professor für Physiologie und Pathologie der Fortpflanzung, FU Berlin
HomepageProf. Dr. O. C. Straub,
Präsident der Landestierärztekammer Baden-Württemberg,
im Interview mit Univ.- Prof. W. Heuwieser
zur Impfproblematik bei MKS.
Exklusiv für Vetion.de
Weitere Informationen
| Vetion.de | Wie sehen Sie die Problematik einer akuten Massennotfallimpfung? Wäre eine solche Impfung in Hinblick auf das vereinigte Königreich angebracht und welchen Vorteil würde eine solche Impfung bringen? | | Prof.Straub | Nur im Falle, dass die MKS außer Kontrolle gerät, wie dies offensichtlich im Vereinigten Königreich der Fall ist, ist zur Verhütung einer noch weiteren Verbreitung des Virus eine Impfaktion angezeigt. | | Vetion.de | Wie stehen Sie zu dem derzeit hitzig diskutierten Thema, eine MKS- Impfung als Prophylaxe wieder einzuführen, in der Art, wie sie bis 1991 praktiziert wurde? Welchen Impfstoff würde man dafür Ihrer Meinung nach am besten verwenden, und welche Tierarten müssten, in der Theorie, in das Impfprogramm in welchem Abstand einbezogen werden? | | Prof.Straub | Eine prophylaktische Impfung führt nicht zum gewünschten Erfolg, denn man kann nie im Voraus wissen, welcher Virustyp auftaucht. So grassieren z.B. in der Türkei O, A und Asia 1 Virustypen und in Argentinien Virustyp A. | | Vetion.de | Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Gefahren einer Viruseinschleppung nach Kontinentaleuropa und insbesondere Deutschland? Sind irgendwelche Schutzmaßnahmen Ihrer Ansicht nach noch nicht getroffen worden? Könnte man noch weiterreichende Maßnahmen ergreifen, um das Risiko einer Seucheneinschleppung zu minimieren? | | Prof.Straub | Wichtig sind Kontrollen bei der Einfuhr von Lebensmitteln bei Fluggästen aus verseuchten Ländern, wie z.B. der Mongolei. | | Vetion.de | Glauben Sie, dass die getroffenen Maßnahmen im Falle eines Seuchenausbruches in Deutschland ausreichen würden, um eine weitere Verbreitung zu verhindern? | | Prof.Straub | Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus meiner vorangehenden Antwort. Ich gehe aber davon aus, dass bei die bei uns getroffenen Massnahmen ein Desaster verhindern. (Siehe auch Presseerklärung der LTK Baden- Württemberg). | | Vetion.de | Woran, glauben Sie, liegt es, dass die Seuche in Großbritannien ein solches Ausmaß erreichen konnte? Sehen Sie ein Ende der Epidemie? | | Prof.Straub | Das Vereinigte Königreich erweist sich als unfähig, die MKS zielgerichtet zu bekämpfen. Ich verweise dabei auf die über 200 Tiertransporte aus verseuchten in nicht verseuchte Regionen und frei laufende Schafe. | | Vetion.de | Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Epidemie in England und der dort betriebenen Agrarpolitik in den letzten 15 Jahren? | | Prof.Straub | Eigentlich nicht. | | Vetion.de | In Frankreich ist ja seit dem ersten MKS- Ausbruch vor rund vier Wochen nur ein weiterer Ausbruch hinzugekommen. Was haben die Franzosen im Gegensatz zu den Engländern getan, um eine Weiterverbreitung zu verhindern? | | Prof.Straub | Frankreich ist gezielt vorgegangen und hat damit offensichtlich weitere Ausbrüche verhindert | | Vetion.de | Vor drei Tagen wurde vom Hamburger Umweltinstitut e.V. ein Brief an die Bundesregierung geschrieben, dass eine große Gefahr der Erregerverbreitung in der Kadaververbrennung zu sehen ist, das Virus würde vielfach durch das Verbrennen der Tierkörper nicht abgetötet werden, sondern sich durch die Kaminwirkung der Verbrennung noch besonders gut verbreiten können. Was halten Sie von dieser Theorie? | | Prof.Straub | Es fehlt der Nachweis, dass durch die Verbrennungsaktionen das MKS- Virus nicht inaktiviert wird. | | Vetion.de | Sind Sie, abschließend der Meinung, dass Europa das derzeitige Auftreten der MKS unter Kontrolle hat? | | Prof.Straub | Ich gehe davon aus, dass das kontinentale Europa die MKS unter Kontrolle hat, basierend auf den Erfahrungen der letzten Ausbrüche in Italien und Griechenland. | | Vetion.de | Vielen Dank, Herr Professor. | |
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Hanns Ludwig zur Impfproblematik bei MKS
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Hanns Ludwig,
Institut für Virologie der Freien Universität Berlin,
zur Impfproblematik bei MKS.
Weitere Informationen
| Vetion.de | Wie sehen Sie die Problematik einer akuten Massennotfallimpfung? Wäre eine solche Impfung in Hinblick auf das vereinigte Königreich angebracht und welchen Vorteil würde eine solche Impfung bringen? | | Prof.Ludwig | Die Impfung wäre in jedem Falle angebracht (angebracht gewesen); sie hätte weit weniger gekostet, als die bisher durch Tötung angesammelten Wertverluste. der Vorteil einer Impfung wäre der Stopp der MKS- Ausbreitung im Vereinigten Königreich gewesen. | | Vetion.de | Wie stehen Sie zu dem derzeit hitzig diskutierten Thema, eine MKS- Impfung als Prophylaxe wieder einzuführen, in der Art, wie sie bis 1991 praktiziert wurde? Welchen Impfstoff würde man dafür Ihrer Meinung nach am besten verwenden, und welche Tierarten müssten, in der Theorie, in das Impfprogramm in welchem Abstand einbezogen werden? | | Prof.Ludwig | In Anbetracht der schweren Verluste in England sollte eine Impfung propagiert werden, zumindest beim Rind. Einzusetzen wäre ein Typ - spezifischer Totimpfstoff. Auch ich bin der Meinung, dass Einzelheiten der Europäischen Impfpolitik neu definiert werden müssen (siehe auch Kommentar von Fred Brown, Plum Island). | | Vetion.de | Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Gefahren einer Viruseinschleppung nach Kontinentaleuropa und insbesondere Deutschland? Sind irgendwelche Schutzmaßnahmen Ihrer Ansicht nach noch nicht getroffen worden? Könnte man noch weiterreichende Maßnahmen ergreifen, um das Risiko einer Seucheneinschleppung zu minimieren? | | Prof.Ludwig | Die Gefahren liegen vor allem allgemein in der "Globalisierung" des Alltags, im Reiseverkehr und in den Tiertransporten. Aber es gibt noch eine Vielzahl weiterer Risiken. | | Vetion.de | Glauben Sie, dass die getroffenen Maßnahmen im Falle eines Seuchenausbruches in Deutschland ausreichen würden, um eine weitere Verbreitung zu verhindern? | | Prof.Ludwig | Die bisherigen Maßnahmen sind meiner Meinung nach nicht ausreichend, um einen MKS- Ausbruch mit ziemlicher Sicherheit zu verhindern. Spezielle Notfallpläne sind mir zu wenig bekannt, um diese beurteilen zu können. | | Vetion.de | Woran, glauben Sie, liegt es, dass die Seuche in Großbritannien ein solches Ausmaß erreichen konnte? Sehen Sie ein Ende der Epidemie? | | Prof.Ludwig | Bin ich nicht genügend über die durchgeführten Massnahmen in Großbritannien informiert, um Ihnen genau Gründe nennen zu können, aber wesentliche Punkte dürften unkontrollierte Tiertransporte, schlampige hygienische Maßnahmen und vielerlei weitere ökonomische Gründe sein. Ich halte die Versäumnisse in der klinischen und virologischen Früherkennung für ursächlich. Die beiden sträflichsten Versäumnisse sind meiner Meinung nach a) unkontrollierte Tiertransporte; b) bei Ausbruch der FMD hätte sofort geimpft werden müssen. Ein Ende der Epizootie ist in meinen Augen noch nicht abzusehen. | | Vetion.de | Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Epidemie in England und der dort betriebenen Agrarpolitik in den letzten 15 Jahren? | | Prof.Ludwig | Ja, man kann die derzeitige MKS Epidemie auch als eine Folge "Thatcherismus". | | Vetion.de | In Frankreich ist ja seit dem ersten MKS- Ausbruch vor rund einer Woche kein weiterer Ausbruch hinzugekommen. Was haben die Franzosen im Gegensatz zu den Engländern getan, um eine Weiterverbreitung zu verhindern? | | Prof.Ludwig | Bin ich nicht genügend über die durchgeführten Massnahmen in Frankreich informiert, aber ich vermute, dass die straffen Tierseuchenmaßnahmen eine weitere Ausbreitung in Frankreich verhindern konnten. | | Vetion.de | Vor einiger Zeit wurde vom Hamburger Umweltinstitut e.V. ein Brief an die Bundesregierung geschrieben, dass eine große Gefahr der Erregerverbreitung in der Kadaververbrennung zu sehen ist, das Virus würde vielfach durch das Verbrennen der Tierkörper nicht abgetötet werden, sondern sich durch die Kaminwirkung der Verbrennung noch besonders gut verbreiten können. Was halten Sie von dieser Theorie? | | Prof.Ludwig | Aus virologischer Sicht ist diese Theorie stichhaltig. | | Vetion.de | Sind Sie, abschließend der Meinung, dass Europa das derzeitige Auftreten der MKS unter Kontrolle hat? | | Prof.Ludwig | Nein, ich denke, die MKS-Situation im Vereinigten Königreich bedeutet nach wie vor eine Gefahr des Übersprungs auf den Kontinent. | | Vetion.de | Vielen Dank Herr Dr. Ludwig | |
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Lothar Wieler zur Impfproblematik bei MKS
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Lothar Wieler,
Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen
der Freien Universität Berlin, zur Impfproblematik bei MKS.
Für Vetion.de Dr. Julia Henning / Dr. Jens Kluth
Weitere Informationen
| Vetion.de | Wie sehen Sie die Problematik einer akuten Massennotfallimpfung? Wäre eine solche Impfung in Hinblick auf das vereinigte Königreich angebracht und welchen Vorteil würde eine solche Impfung bringen? | | Prof.Wieler | Momentan macht lediglich eine Ringimpfung um betroffene Bestände Sinn. Eine Massennotimpfung ist logistisch (zeitlich/räumlich/Impfdosen) nicht möglich. | | Vetion.de | Wie stehen Sie zu dem derzeit hitzig diskutierten Thema, eine MKS- Impfung als Prophylaxe wieder einzuführen, in der Art, wie sie bis 1991 praktiziert wurde? Welchen Impfstoff würde man dafür Ihrer Meinung nach am besten verwenden, und welche Tierarten müssten, in der Theorie, in das Impfprogramm in welchem Abstand einbezogen werden? | | Prof.Wieler | Aufgrund der starken Globalisierung wächst der Infektionsdruck auf MKS-freie Länder. Darüber sind sich alle Experten einig. Impfstoffe gegen MKS sind derzeit auf einem alten technischen Stand, weshalb zunächst eine enorme Forschungsaktivität unternommen werden müsste. Es gibt eine Vielzahl von theoretisch möglichen Impfstoffen, über attenuierte Lebendimpfstoffe, Inaktivatimpfstoffe bis hin zu Spalt- und DNA-Impfstoffen. Diese Impfstoffe können parenteral oder mukosal über z.B. bakterielle Carrier appliziert werden. Eine Impfung hat aber nur dann Sinn, wenn zumindest die wichtigsten, am besten jedoch alle, Virus-Typen (Serotypen) abgedeckt sind. Das ist heutzutage technologisch leichter möglich als noch vor 10 Jahren, die Forschung ist jedoch kostenintensiv. Wenn die politischen Signale eindeutig sind und Gelder bewilligt werden, werden Pharmaunternehmen auch forschen. Die wichtigsten Tierarten., die geimpft würden, wären natürlich Klauentiere, insbesondere Rinder und Schweine. Über das Impfprogramm kann man nichts sagen, denn die Qualität, Sicherheit, Wirksamkeit, Dosierung etc. von Impfstoffen, die noch gar nicht erforscht sind, ist natürlich nicht vorherzusagen. Wichtig wäre in jedem Fall, dass geimpfte Tiere von solchen Tieren, die mit Feldstämmen infiziert wurden, einfach und sicher differenziert werden können. Aber wir müssen schon realistisch sein: eine flächendeckende prophylaktische Impfung wäre sehr kostenintensiv, und unter wirtschaftlichen Aspekten nicht zu rechtfertigen. Neben MKS existiert ja eine Vielzahl weiterer Infektionskrankheiten, die ebenfalls durch Impfungen bekämpft werden könnten. Wir dürfen hier trotz der gegenwärtigen MKS-Epidemie den ganzen Zusammenhang nicht aus den Augen verlieren. Die sinnvollste Vorsorge gegen die Ausbreitung von Infektionskranheiten und Seuchen ist langfristig die Reduktion von Tiertransporten auf ein Minimum | | Vetion.de | Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Gefahren einer Viruseinschleppung nach Kontinentaleuropa und insbesondere Deutschland? Sind irgendwelche Schutzmaßnahmen Ihrer Ansicht nach noch nicht getroffen worden? Könnte man noch weiterreichende Maßnahmen ergreifen, um das Risiko einer Seucheneinschleppung zu minimieren? | | Prof.Wieler | Die größten Gefahren liegen auf der Hand: Tiertransporte und Transporte von Schlachthälften bzw. -produkten. Unter den derzeitigen weltweiten Handelswegen ist eine völlige Sicherheit niemals zu gewährleisten. Die Transporte müssen mittelfristig drastisch auf ein Mindestmaß reduziert werden. Ganz aktuell müssten alle Vorkehrungen getroffen werden, um jegliche Transporte zwischen Ländern in Europa, insbesondere innerhalb der EU, zu reduzieren. Es ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass wir in Deutschland MKS-Fälle haben werden. Der Tierverkehr aus Frankreich und den Niederlanden muss völlig verboten werden und dieses Verbot muss 100%ig durch Kontrollen gesichert werden. | | Vetion.de | Glauben Sie, dass die getroffenen Maßnahmen im Falle eines Seuchenausbruches in Deutschland ausreichen würden, um eine weitere Verbreitung zu verhindern? | | Prof.Wieler | Die deutschen Experten sind gewarnt, sie sind in höchster Alarmbereitschaft. Wenn sich die Bevölkerung die Appelle zu Herzen nimmt, möglichst wenig bzw. gar nicht in MKS-Gebiete zu reisen, und wenn die angedachten Maßnahmen wirklich von allen Beteiligten rasch und konsequent durchgeführt werden, dann kann die Anzahl der Seuchenausbrüche stark begrenzt werden. | | Vetion.de | Woran, glauben Sie, liegt es, dass die Seuche in Großbritannien ein solches Ausmaß erreichen konnte? Sehen Sie ein Ende der Epidemie? | | Prof.Wieler | Zunächst einmal vergingen zwischen dem 20. Februar - also dem Tag der ersten Seuchenfeststellung - und dem Tag des absoluten Verbotes von Tierverkehr 3 Tage. In diesen drei Tagen wurden Tausende von Tieren transportiert, u.a. fanden eben auch Viehmärkte statt. Diese drei Tage haben dazu geführt, dass infizierte Tiere das Virus verbreiten konnten. Jetzt ist die Seuche kaum noch zu beherrschen, ja sie ist außer Kontrolle geraten. Britische Experten gehen davon aus, dass der Höhepunkt der Seuche Mitte Mai sein wird, die Seuche wird noch viele Monate andauern. | | Vetion.de | Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Epidemie in England und der dort betriebenen Agrarpolitik in den letzten 15 Jahren? | | Prof.Wieler | Nein, da kann ich keinen Zusammenhang erkennen. Die Einschleppung des Virus ist eine Möglichkeit, vor der sich kein Land der Erde 100%ig schützen kann. | | Vetion.de | In Frankreich ist ja seit dem ersten MKS- Ausbruch vor rund einer Woche kein weiterer Ausbruch hinzugekommen. Was haben die Franzosen im Gegensatz zu den Engländern getan, um eine Weiterverbreitung zu verhindern? | | Prof.Wieler | Wie gesagt - wir Kontinentaleuropäer hatten und haben das Glück, dass wir eben vorgewarnt waren. Deshalb haben die Franzosen unverzüglich alle Tiere - die seuchenkranken, seuchenverdächtigen und ansteckungsverdächtigen - in einem großzügigen Radius getötet. Außerdem wurden ja schon vor dem Ausbruch aus Vorsicht Tiere getötet, die - ohne jede Anzeichen von Krankheiten - innerhalb einer gewissen Frist aus dem Vereinigten Königreich verbracht wurden. Damit ist eine mögliche Infektionskette natürlich schneller zu durchbrechen bzw. sie entsteht gar nicht erst. | | Vetion.de | Vor drei Tagen wurde vom Hamburger Umweltinstitut e.V. ein Brief an die Bundesregierung geschrieben, dass eine große Gefahr der Erregerverbreitung in der Kadaververbrennung zu sehen ist, das Virus würde vielfach durch das Verbrennen der Tierkörper nicht abgetötet werden, sondern sich durch die Kaminwirkung der Verbrennung noch besonders gut verbreiten können. Was halten Sie von dieser Theorie? | | Prof.Wieler | Mir selber sind keine experimentellen Daten darüber bekannt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Picornavirus eine Verbrennung übersteht. Bei den Temperaturen einer Verbrennung wird das Virus in Sekunden vernichtet. Weiterhin ist die Anzahl der Tiere, die getötet werden müssen, so groß geworden, dass die Verbrennung bei Weitem sinnvoller ist, als die Kadaver über große Strecken zu Tierkörperbeseitigungsanlage zu transportieren. Allein logistisch ist das fast nicht machbar. | | Vetion.de | Sind Sie, abschließend der Meinung, dass Europa das derzeitige Auftreten der MKS unter Kontrolle hat? | | Prof.Wieler | Das Vereinigte Königreich hat die MKS derzeit nicht unter Kontrolle. Hoffen wir, dass alle Beteiligten die Sicherheitsvorschriften beachten und niemand Bioterrorismus betreibt, indem er das Virus vorsätzlich verbreitet. Dann wird die Epidemie kontrolliert werden können. | | Vetion.de | Vielen Dank Herr Prof. Wieler. | |
Die Impfproblematik bei der Maul- und Klauenseuche
Autor: Dr. Marc Drillich
Wiss. Mitarbeiter der Tierklinik für Fortpflanzung
EmailHomepageDie Maul- und Klauenseuche grassiert nach über 30 Jahren wieder in Großbritannien, und das vielleicht verheerender als bei der Epidemie 1967. Der Rest Europas bangt vor einem Übergreifen der hochkontagiösen Tierseuche. Dann war es soweit: Frankreich meldete seinen ersten MKS-Fall. Daraufhin kam in den übrigen EU Ländern die Angst erst richtig hoch. Es mehrten sich die Stimmen, und sie wurden auch zunehmend lauter, die nach der Wiedereinführung der prophylaktischen MKS-Impfung riefen. Lesen Sie mehr über das Pro und Contra der MKS-Impfung.
Weitere Informationen
Die Maul- und Klauenseuche grassiert nach über 30 Jahren wieder in Großbritannien, und das vielleicht verheerender als bei der Epidemie 1967. Auch in Kontinentaleuropa wächst die Angst in den letzten fünf Wochen ständig, dass die Seuche den Sprung über den Kanal auf das Festland schafft. Vor einer Woche war es dann soweit, Frankreich meldete seinen ersten MKS- Fall. Daraufhin kam in den übrigen EU Ländern die Angst erst richtig hoch. Es mehrten sich die Stimmen, und sie wurden auch zunehmend lauter, die nach der Wiedereinführung der prophylaktischen MKS- Impfung riefen. Sogenannte "Massenimpfungen" und die "Notfallimpfung" sollen her. Die Problematik der MKS-Impfung, ihre Vorteil, Nachteile und die dadurch entstehenden Konsequenzen, sind von Dr. Marc Drillich, Klinik für Fortpflanzung der Freien Universität Berlin für Vetion.de zusammengefasst dargestellt worden. Er nimmt dabei Bezug auf eine Veröffentlichung von K. Strohmaier und O.C. Straub in der Tierärztlichen Umschau 1995.
In einer Artikelserie der Tierärztlichen Umschau 1995 schrieben K. Strohmaier und O.C. Straub von der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen über die Problematik der Impfung gegen die Maul- und Klauenseuche ("Die Maul- und Klauenseuche-Was ist nach Einstellung der Flächenimpfung zu erwarten?").
Seit 1992 gilt:
"Impfungen gegen die MKS sowie Heilversuche an seuchenkranken- und verdächtigen Tieren sind verboten." (Verordnung zur Änderung der MKS- Verordnung vom 25. 3. 1992).
Was hat zu diesem Impfverbot geführt?
Die MKS ist eine der klassischen Tierseuchen und wird seit über 100 Jahren intensiv erforscht. Bis in die sechziger Jahre konnte jedoch von einer wirksamen Bekämpfung der Seuche nicht die Rede sein, was die Zahlen der Neuausbrüche eindrucksvoll beweisen.
Von 1960 bis 1965 waren jährlich bundesweit weit über tausend Höfe betroffen. Eine bundesweit einheitliche Bekämpfungsstrategie gegen die MKS gibt es seit 1966. Bis dahin blieb es jedem Bundesland überlassen scheinbar geeignete Maßnahmen gegen die Seuche zu ergreifen. Sowohl Impfungen als auch Behandlungsversuche waren erlaubt. Häufig kam es vor, dass die betroffenen Tiere auf dem Betrieb verblieben bis alle Tiere durchseucht und wieder gesund waren. Mit der "Verordnung zum Schutze gegen die Maul- und Klauenseuche" vom 4.4.1966 wurden es verboten, erkrankte Tiere- und somit Virusausscheider- bis zur Wiedergenesung im Bestand zu belassen. Es wurde angeordnet, alle Tiere des betroffenen Bestandes umgehend zu töten. Fleisch von krankheitsverdächtigen Tieren wurde besonderen Vorsichtsmaßnahmen bei der Verwertung unterworfen. Diese Verordnung galt zunächst für Schweine, konnte aber auch auf Wiederkäuer ausgedehnt werden. Der Erfolg der konsequenten Tötung der betroffenen Tiere zeigte sich innerhalb weniger Monate: die Zahl der Neuausbrüche ging drastisch zurück. Noch innerhalb des selben Jahres wurde der Gesetzgeber mit der "2. VO zum Schutze gegen die Maul- und Klauenseuche" vom 12.12.1966 erneut tätig. Mit dieser Verordnung wurde die bundesweite Impfpflicht aller über vier Monate alten Rinder eingeführt. Die ersten flächendeckenden Impfaktionen wurden mit trivalenten Seren im Frühjahr 1967 durchgeführt. Die Zahl der Neuausbrüche sank von 15 933 (1965), 4 715 (1966), 2 860 (1967) auf 70 im Jahr 1968 und nur noch 8 im Jahr 1970. Was war die Ursache für diesen Erfolg, die Tötungsanordnung oder die Impfpflicht? Strohmaier und Straub halten eindeutig die konsequente Merzung der Tiere der betroffenen Betriebe für das effektivere Mittel zu Bekämpfung der MKS.
Trotz der vorgeschriebenen Impfungen kam es jedoch immer wieder zu einzelnen Ausbrüchen, welche sich recht gut zurückverfolgen lassen. Von 31 Primärausbrüchen zwischen 1970 und 1994 traten 20 davon in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu Impfkampagnen auf, 6 in unmittelbarer Umgebung von Impfstoffwerken. Als Ursache wurde ausgemacht, dass der verwendete Impfstoff noch infektiöses Virus enthielt. Daraufhin wurde in der Produktion zur Inaktivierung der Viren Formalin durch Ethylenimin ersetzt, was ebenfalls keine 100%ige Sicherheit gewährleistet.
Aber immerhin konnte kein Ausbruch durch Verwendung eines Ethylenimin-inaktivierten Impfstoffes nachgewiesen werden.
Auch in europäischen Nachbarländern wurde flächendeckend gegen MKS geimpft:
in Italien 1984 mit der Konsequenz einer nahezu flächendeckenden Ausbreitung der Seuche.
Ein weiteres Problem: Der Impfstoff für Rinder bietet keinen ausreichenden Schutz für Schweine! Das bedeutet, dass durch die Impfungen von Rindern die Seuche nicht wirkungsvoll bekämpft werden kann, da sie bei "Schweinen von Generation zu Generation weitergegeben" wird.
v Wie sicher ist der Impfschutz?
Untersuchungen von Straub (1989) und Gaschütz (1988) zeigten, dass bei Erstimpflingen der Antikörpertiter bereits nach 6 bis 8 Wochen wieder auf dem Niveau von ungeimpften Tieren liegt. Um einen sicheren Impfschutz, vor allem auch bei Ringimpfungen im Krisenfall zu bieten, müssten die Impfungen entsprechend nach vier bis sechs Wochen wiederholt werden. Selbst nach einer Zweitimpfung wiesen 28 % der Tiere einen ungenügenden Impfschutz auf. Das bedeutet also, dass trotz der durchgeführten kostspieligen Impfungen bei vielen Tieren schon einige Wochen später gar kein ausreichender Impfschutz mehr bestand.
Mit Einführung der Impfpflicht trat ein neues Problem auf: Nebenwirkungen.
Am häufigsten wurden Aborte und allergische Reaktionen, welche zu über 40 % letal verliefen, registriert.
Weitere Schwierigkeiten bei der Impfung stellen die verschiedenen Typen und Subtypen des Virus dar. Durch zunehmende internationalen Tiertransporte, aber auch durch die Einfuhr von Lebensmitteln und nicht zuletzt durch zunehmenden Tourismus besteht jederzeit die Gefahr, den Subtyp eines MKS-Virus einzuschleppen, gegen den nicht geimpft wurde. Der folgenreiche Seuchenzug in Großbritannien im Jahr 1967 beispielsweise wurde durch Hammelfleisch aus Argentinien importiert. (Nun, diese bilaterale Problematik war spätestens mit dem Falklandkrieg in der 80er Jahren erledigt). Doch auch aus östlichen Ländern, wie Bulgarien, den Balkanstaaten und der Türkei droht die Seuche immer wieder nach Mitteleuropa zu gelangen, teilweise erfolgreich.
Aus den oben genannten Gründen zogen Stohmaier und Straub das Fazit: "Prophylaktische Flächenimpfungen sind gegen Einschleppungen der MKS unwirksam. Zudem waren Herstellung und Anwendung von Impfstoff die häufigsten Ursachen für Ausbrüche. Nicht der Impfstatus der Rinder war der Grund für die relativ geringe Zahl von MKS- Ausbrüchen in den letzten 25 Jahren, sondern die Abwesenheit des Krankheitserregers."
Und dann 1992:
Das Impfverbot!
Ein Vergleich zwischen Ländern, die gegen MKS impfen und Ländern, die dies nicht tun, lohnt sich: Nichtimpfende Länder wiesen von 1966 bis 1991 erheblich mehr seuchenfreie Jahre auf als impfende Länder! Traten in nichtimpfenden Ländern MKS-Ausbrüche auf, ließ sich in den meisten Fällen nachweisen, dass diese aus impfenden Ländern eingeschleppt wurden. Ein weiterer Vergleich: Dänemark, ein nichtimpfendes Land, gab 1982 für die Seuchenbekämpfung, einschließlich Kompensationszahlungen, Beseitigung der Tierkörper und des kontaminierten Futters, Desinfektionsmaßnahmen und Entschädigung der Landwirte 7,4 Millionen DM aus. Die Kosten für Impfmaßnahmen betrugen in Niedersachsen im gleichen Jahr etwa 9 Millionen DM. In dieser Summe sind nicht die Kosten enthalten, die für die Bekämpfung der trotz oder gerade wegen der MKS- Impfung aufgetretenen Seuchenausbrüche aufgewendet werden mussten.
Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus, stellte sich für die Länder der Europäischen Union die Frage nach einer einheitlichen Seuchenpolitik. Bei der Einfuhr in impfende Länder mussten nicht geimpfte Tiere aus "nichtimpfenden" Ländern nachgeimpft werden. Auf der anderen Seite verboten nichtimpfende Länder die Einfuhr geimpfter Tiere. Auch außereuropäische Länder, zum Beispiel die USA, verhängten eine Einfuhrsperre gegenüber Tieren aus Länder, die gegen MKS impften. Es wurden verschiedene Kosten-Nutzen-Rechnung aufgestellt, welche zeigten, dass eine Strategie ohne Flächenimpfung erheblich weniger Kosten verursachen würde, als die Weiterführung der bisherigen Impfpolitik. Als wichtigster Kostenfaktor stellten sich dabei die durch Handelseinschränkungen entstehenden Kosten heraus.
Die positiven Erfahrungen aus der Seuchenbekämpfung der nichtimpfenden Länder und schließlich auch wirtschaftliche Überlegungen, führten zu einer Wende in der Bekämpfungsstrategie innerhalb der Europäischen Union und zur "Verordnung zum Schutz gegen die Maul- und Klauenseuche" vom 25. März 1992. Diese sieht unter anderem neben der sofortigen Tötung aller Tiere eines MKS- befallenen Bestandes das ausdrückliche Verbot von Impfungen vor. Die Seuche soll also durch konsequente Merzung an ihrer Verbreitung gehindert und letztendlich in Europa getilgt werden. Abschließend weisen Stromaier und Straub in ihrer Artikelserie auf Maßnahmen im Falle einer erneuten Einschleppung der MKS hin. Sie betonen die Wichtigkeit der diagnostischen Zentren der Bundesanstalt für Viruskrankheiten und die Notwendigkeit im Krisenfall kompetentes Personal und ein geeignetes Labor zu diagnostischen Zwecken zu Verfügung stehen zu haben.
Fazit:
Der Einsatz von Notimpfungen sei vor allem von der Bestandsdichte in der Region, der Art der Tierhaltung und der betroffenen Spezies abhängig zu machen. Keinesfalls dürfte jedoch auf die Tötung der Tiere der betroffenen Gehöfte verzichtet werden.
Quelle: AG Bestandsbetreuung & Qualitätsmanagement 3 / 2001
Gesetze und Verordnungen
Gesetze und Verordnungen
Quelle
Fassung vom
Tierseuchen in der EU - aktuelle Verordnungen
(Überwachung, Tilgung, Finanzhilfe, Aujeszky, Vesikuläre Schweinekrankheit, Brucellose, Tuberkulose, Leukose, Tollwut, Infektiöse Anämie der Pferde, infektiöse Rhinotracheitis des Rindes, Referenzlaboratorien, Ausgaben Veterinärbereich, Pocken) Vetion
21.07.2023
Medien
BSE & MKS
von Nowak, Rainer; Nowak, Kerstin;,
AOL-Verlag Frohmut Menze GmbH, 2001
Über Erreger und Seuchen
Inhalt & Bestellung
Das Wesen und die Behandlung der Maul- und Klauenseuche
von Kolisko, Eugen;,
Verlag am Goetheanum, 2001
Inhalt & Bestellung
Maul- und Klauenseuche
von Bätza, Hans J;,
aid Infodienst Verbraucherschutz. Ernährung. Landwirtschaft, 2001
MKS: Erkennen, Vorbeugen, Bekämpfen
Inhalt & Bestellung
Maul- und Klauenseuche
von aid,
aid Infodienst Verbraucherschutz. Ernährung. Landwirtschaft, 2000
VHS Video-Kasette zur Klinik und Diagnostik der MKS
Inhalt & Bestellung
Funktionale Analyse von RNA-Protein-Interaktionen an der internen ribosomalen Eintrittsstelle (IRES) des Maul- und Klauenseuchevirus (FMDV)
von Petersen, Anke,
Edition Wissenschaft Bd. ; 24; Tectum /KNO, 1995
Inhalt & Bestellung
Tierseuchen in der Landwirtschaft
von Jürgens, Karin,
Ergon, 2003
Die psychosozialen Folgen der Schweinepest für betroffene Familien - untersucht an Fallbeispielen in Nordwestdeutschland
Inhalt & Bestellung
Tierseuchenrecht in Deutschland und Europa ,
von Geissler, A; Rojahn, A; Stein, H; Bätzer, H J,
Schulz, R S, 2001
Grundwissen von a bis z
Inhalt & Bestellung
Zoonosen
von Krauss, Hartmut; Weber, Albert; Enders, B.,
Deutscher Ärzte-Verlag, 1997
Von Tier zu Mensch übertragbare Infektionskrankheiten
Inhalt & Bestellung
Anzeigepflichtige Tierseuchen
von Bätza, Hans J;,
aid Infodienst Verbraucherschutz. Ernährung. Landwirtschaft, 1998
Inhalt & Bestellung
Kompendium der Staatlichen Tierseuchenbekämpfung
von Bisping, Wolfgang,
Hippokrates, 1999
Inhalt & Bestellung