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Qualzuchten

Einleitung

von Sophia Neukirchner/Julia Henning

Seit über 1.500 Jahren züchtet der Mensch Hunde. Zunächst mit dem Ziel, nützliche Eigenschaften in Körperbau und Charakter für spezifische Aufgabenfelder zu stärken. So bildeten sich viele unserer heutigen Hunderassen: Jagd-, Spür- und Schäferhunde etwa. Ihr Körperbau wurde durch züchterische Auswahl auf Merkmale gelenkt, die für ihre Aufgabe von Nutzen waren: kurze Beine halfen dem Dackel in Fuchsbauten zu gelangen, gedrungene Körper der Bulldogge im Kampf gegen Rinder.

Seit etwa 150 Jahren geschieht die Hundezucht in Verbänden, gegründet, um Verpaarungen zu lenken und Rassen zu erhalten. Dafür wurden Rassestandards festgelegt. Der Nutzen eines Zuchtmerkmals rückte in den Hintergrund, der Fokus legte sich auf Schönheitskriterien. Da Schönheit eine subjektive Sache ist und häufig Modetrends folgt, wurden die Rassestandards zunehmend überinterpretiert. Die Folge sind Möpse mit zu kurzen Schnauzen, die ihre eigentliche Funktion, das Atmen, nicht mehr erfüllen können, Deutsche Schäferhunde, deren abfallende Rückenpartie ein normales Laufen unmöglich macht oder Cavalier King Charles Spaniel, deren Kopf zu klein für ihr Gehirn ist.

Hinzu kommt, dass auf Rasseschauen als schön (wenn auch nicht gesund) prämierte Rüden viele Hündinnen decken. Diese Inzucht führt zu einer Häufung von Defektgenen und damit Kollateralschäden an Herz, Gehirn, Knochen und Sinnesorganen sowie Tumor- oder Allergiesensibiliät (TVT-Merkblatt Nr. 141).

Das deutsche Tierschutzgesetz sagt im §11b, dass es verboten ist, Tiere zu züchten, denen Köperteile so umgestaltet sind oder fehlen, dass eine artgemäße Verhaltensweise nicht mehr möglich ist, oder sie dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden erfahren.

Dies gilt selbstverständlich auch für Nutztiere, wie die Bundestierärztekammer auf einer Pressekonferenz am 22.1.2019 im Rahmen der Internationalen Grünen Woche in Berlin ausdrücklich hinwies.

Eine zunehmende Anzahl unsere Tierrassen erfüllt wegen oben angesprochener Praktik offensichtlich diese Kriterien und ist laut Gesetz damit als „Qualzucht“ zu bezeichnen. Diese Problematik steigert sich in bestimmten Rassen von Jahr zu Jahr. Das betrifft nicht nur Hunde, auch weitere Heimtiere wie Katzen, Vögel und Fische sowie auf Hochleistung gezüchtete Nutztierrassen.

Das Thema „Qualzuchten“ erregt deshalb seit langem und unter Tierärzten in letzter Zeit vermehrt die Gemüter: bestimmte Rassen sollen aus Werbekampagnen entfernt, Zuchtstandards überarbeitet, das Tierschutzgesetz revidiert werden. Der Ruf nach Zucht- und Ausstellungsverboten sowie vorgeschriebenen Gesundheitstests wird laut. Zudem wird ein Umdenken in der Tierzucht sowie eine Zuchtselektion für mehr Tiergesundheit und mehr Tierwohl gefordert. Weiterhin müssten Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildung zum Thema Qualzucht kontinuierlich verfolgt und weiter ausgebaut werden.

Wo Qualzucht besonders sichtbar wird, was Zuchtverbände, Gesetzgebung und Tierärzteschaft dazu sagen und welche Lösungsansätze bleiben, damit möchte sich dieses Fokusthema beschäftigen.

Hinweis: Nicht nur in Deutschland ist Qualzucht ein Problem, in Großbritannien sind unter den 50 beliebtesten Hunderassen 396 Erbkrankheiten beschrieben (ASHER et al., 2009). Siehe hierzu etwa die 2008 in der UK erschienene Dokumentation „Pedigree Dogs Exposed“.

Juni 2017, erweitert 01/2019

Definition und Recht

Ein Präzedenzfall: 2015 wurde das erste Mal der neue Qualzuchtparagraph erfolgreich angewendet. Einer Berliner
Züchterin wurde durch das Veterinäramt Spandau die Zucht mit
ihrem Nacktkatzenkater verboten.

Im §11b des deutschen Tierschutzgesetzes, dem sogenannten „Qualzuchtparagraphen“ steht seit 1986 geschrieben:

(1) Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch biotechnische Maßnahmen zu verändern, soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse oder im Falle der Veränderung Erkenntnisse, die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass als Folge der Zucht oder Veränderung.

1. bei der Nachzucht, den biotechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten oder

2. bei den Nachkommen
a) mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten,
b) jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder
c) die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.

1999 erstellte eine Kommission aus Tierschützern, Tierärzten und Zuchtverbänden ein Gutachten, in dem ergänzend zum Tierschutzgesetz für Hunde, Katzen, Kaninchen und Vögel bisher in der Zucht bekannte Merkmale und damit jeweilige Rassen spezifiziert sind, die unter den §11b fallen. In diesem Gutachten werden Zuchtverbote empfohlen – für konkrete Rassen oder dann, wenn „Grenzwerte überschritten werden“. Problem hierbei ist, dass es (von Seiten der Zuchtverbände) keine konkreten Grenzwerte gibt; (siehe Kapitel Zuchtverbände)

Zuletzt revidiert wurde der Gesetzestext 2013. Um den Vollzug zu erleichtern, wurde die Formulierung „wenn der Züchter damit rechnen muss, dass …“ in „soweit züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass …“ geändert. Anlass war der „Haubenentenfall“ von 2002. Dabei verfügte das Land Hessen gegenüber einem Züchter von Haubenenten ein Zuchtverbot. Jener klagte in mehreren Instanzen dagegen und bekam am Bundesverwaltungsgericht Leipzig 2009 schließlich Recht. Zwar belegte eine Dissertation (CNOTKA, 2006), dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 36 Prozent, in Haubenentennachzuchten die charakteristische Federhaube in Zusammenhang mit schwerwiegenden Schädel- und Gehirnveränderungen steht. Jedoch befand das Bundesverwaltungsgericht, dass dies nur einer „naheliegenden Möglichkeit“ entsprach und nicht einer nötigen „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“, die für die Erfüllung des „wenn der Züchter damit rechnen muss, dass …“ spräche. Mit der Änderung des Gesetzestextes würde heute die angesprochene Dissertation genügen, um ein Zuchtverbot zu erreichen, sagte Rechtsanwalt Dr. Christoph Maisack aus dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg anlässlich eines Fachgespräches zu Qualzuchten im Bundestag am 14. März 2017.

Trotz allem wurde seit 1986 bisher nur ein einziges Zuchtverbot erwirkt (Stand: 05/2017): 2015 gegen eine Züchterin von Nacktkatzen. Das Veterinäramt in Spandau erwirkte vor dem Verwaltungsgericht in Berlin die zwangsweise Kastration ihres Zuchtkaters, da diesen und seinen Nachkommen nicht nur das für die Rasse typische Fehlen des Felles auszeichnete; auch hatten sie keine Fibrissen. Diese Tasthaare sind als Sinnesorgane aber unerlässlich für die Interaktion der Katzen mit der Umwelt. Eine Revision des Gerichtsentscheides vor einer höheren Instanz zog die Züchterin jedoch zurück, mit der Begründung so ein generelles Zuchtverbot der Rasse verhindern zu wollen. So blieb es bei diesem einen Kater.

Tierärztin Diana Plange, Leiterin der Abteilung Tierschutz im Veterinäramt Spandau, durch welches die Anordnung zur Unfruchtbarmachung des Nacktkatzenkaters ausgesprochen wurde und seit Juni 2017 Brandenburgs erste hauptamtliche Tierschutzbeauftragte, sprach anlässlich des Fachgespräches zur Qualzuchtproblematik bei Heimtieren am 14. März 2017 in Berlin jedoch von einem „enormen Arbeitsaufwand“ für die Ämter, wenn es um den Beleg einer Qualzucht geht. Ihrer Ansicht nach gebe es außerdem zu wenig mit Tierschutz betraute Veterinäre in den Ämtern, was die Arbeit gegen Qualzuchten erschwere.

Hinzu kommt, dass ein Akteur erst ab drei Zuchttieren seine Zucht beim Veterinäramt anmelden muss, da er dann i.S.d §11 I Nr. 3 Tierschutzgesetz „gewerbsmäßig“ agiert und dann erlaubnispflichtig ist. Alle anderen, auch solche, die aus Profitgier ihre Hündinnen beispielsweise in jeder Läufigkeit decken und auch dubiose Internethändler sowie „Kofferraumverkäufer“ (aus dem Ausland) fallen durchs Kontrollnetz der Behörden. Der Arbeitsaufwand einer Suche „auf eigene Faust“ sei durch die Beamten nicht zu stemmen, so Diana Plange. Der übliche Weg auf Qualzuchten aufmerksam zu werden, sei deshalb durch zufällige Kontrollen aus anderem Anlass oder Meldungen durch die Bevölkerung.

In dem Zusammenhang wie Qualzuchten aufgedeckt werden sei aus einem Vortrag vom Leipziger Tierärztekongress im Januar 2016 zitiert, den Christine Bothmann vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), hielt: „Häufig sind es Zufallsfunde, die aus Anzeigen oder Routinekontrollen im Bereich Tierschutz und Artenschutz entstehen. Der Begriff Qualzucht fällt in diesem Zusammenhang selten vorab. Eine Betretung der zum großen Teil privaten Räumlichkeiten ist manchmal nicht oder nur beim ersten Mal ohne Komplikationen zu gewährleisten. Ein Wiederfinden oder die eindeutige Identifikation nicht-ethischer Aspekte der Tiermedizin gekennzeichneter, aber auch gekennzeichneter Tiere anlässlich einer Nachkontrolle ist nicht unbedingt zu erwarten.“

Die rechtliche Handhabe, derer sich das Veterinäramt Spandau bediente, ist im Tierschutzgesetz §11b (3) und (5) festgesetzt:

(3) Die zuständige Behörde kann das Unfruchtbarmachen von Wirbeltieren anordnen, ...

(5) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit

Zustimmung des Bundesrates

1. die erblich bedingten Veränderungen, Verhaltensstörungen und Aggressionssteigerungen ...näher zu bestimmen,

2. das Züchten mit Wirbeltieren bestimmter Arten, Rassen und Linien zu verbieten oder zu beschränken, ...

Einfacherer würde der Vollzug, wenn eine Aufnahme von konkreten Anomalien in den Tierschutzparagraphen erfolgen würde, so wie es etwa in Österreich der Fall ist. Das wurde 2013 von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gefordert, scheiterte jedoch im Landwirtschaftsausschuss unter damaliger Führung von FDP, CDU und CSU.

Bereits 2003 hat der Bundesrat festgestellt, „dass eine Weiterentwicklung der Rechtssetzung im Zusammenhang mit dem Verbot der Qualzucht gemäß § 11b des Tierschutzgesetzes dringend erforderlich ist. Die allgemeinen Formulierungen des Tierschutzgesetzes führten bisher nicht zu einer konsequenten Umsetzung dieses Verbots (…)“ und weiter: „Das im Auftrag des BMVEL erstellte Gutachten zur Auslegung von §11b des Tierschutzgesetzes ist [...] nicht geeignet, die kontroversen Diskussionen zum Qualzuchtverbot zwischen Tierschutz- und Heimtierzuchtverbänden sowie der Wissenschaft und dem Verwaltungsvollzug zu beenden. Nach Auffassung des Bundesrates ist dies nur mittels einer Rechtsverordnung möglich, mit der das Qualzuchtverbot gemäß §11b des Tierschutzgesetzes hinreichend konkretisiert wird.“ (Bundesratsbeschluss vom 14.03.2003; BR Dr 36/03)

Bisher wurde eine solche Rechtsverordnung nicht umgesetzt.

Laut Dr. Bodo Bausch von der Tierärzlichen Vereinigung für Tierschutz „wäre auf der Grundlage von § 11b (1) TierSchG und des vorliegenden Qualzuchtgutachtens (…) durchaus ein konsequentes Verbot von Zucht und Ausstellung bestimmter Rassen möglich.“ (TVT Merkblatt Nr. 141) Bisher ist das so aber nicht passiert. Dabei wurde 2001 vom Bundestag ein Ausstellungsverbot von Tieren aus Qualzuchten gefordert (Bundesdrucksache 14/60529), auch vom Bundesrat wurden entsprechende Entwürfe eingebracht (2003, Drucksache 36/03 und 2012). Damit sollte unter anderem verhindert werden, dass Qualzuchten durch ein Publikum wahrgenommen werden und die Nachfrage nach ihnen steigt. Zur Umsetzung kam es jedoch in keinem der Fälle, 2012 wegen Detailfragen.

Beispiele

Australian Shepherd

Angelehnt an das Gutachten zur Auslegung des $11b des deutschen Tierschutzgesetzes von 1999 und das Merkblatt Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) von 2014 finden Sie im Folgenden einige Beispiele für erbliche Erkrankungen, die bei einer Vielzahl beliebter Hunderassen auftreten:

1. Das Brachycephale (Atemnot)-Syndrom bei kurzköpfigen Rassen
Die Verkürzung des Gesichtsschädels zeigt sich dabei nach OECHTERING 2003 und 2010 an einer deutlich zu großen Zunge im Verhältnis zur Maulhöhle (Franz. Bulldogge), extrem weichem Knorpel in Kehlkopf und Luftröhre, die kollabieren können (Mops), einem zu geringen Durchmesser der Luftröhre (Bulldogge), einer erweiterten Speiseröhre vor dem Herzen, einer Deformierung der Wirbelsäule, einer im Vergleich zur natürlichen Größe bis zu einem Drittel verkleinerten Nasenhöhle und damit verbundenen Stauchung und Verdickung der Nasenmuscheln, angeborene Veränderungen an der Wirbelsäule (Franz. Bulldogge, Mops), im Verhältnis zum Kiefer übergroßen Zähne, hochgradige Veränderungen von Gehörgang und Mittelohr (Mops, Franz. Bulldogge). Die damit verbundene Reduzierung der Lebensqualität (Atemnot, verminderte Möglichkeit zur Thermoregulation) erfüllt klar den Tatbestand der Qualzucht (OECHTERING, 2010).
Mehr dazu unter Öffentliche Wahrnehmung

Brachycephale Rassen sind: Mops, Englische Bulldogge, Französische Bulldogge, Boxer Pekinese, Chihuahua, Brabanter Griffon, Cavalier King Charles, Shi Tzu, Toy-Spaniel, Yorkshireterrier.

Bei ihnen treten zudem häufig Progenien und durch den stark abgerundeten Hinterschädel Geburtsstörungen auf (besonders Bulldoggen sind kaum noch in der Lage auf natürlichem Weg zu gebären, der Kaiserschnitt ist nicht unüblich). Bei Bulldoggen und Mops treten durch die erblich bedingte Kurzschwänzigkeit und einer Zucht auf Knick- und Korkenzieherschwänze außerdem Keil- und Gleitwirbel im kaudalen Bereich der Wirbelsäule auf.

2. Der Deutsche Schäferhund mit deformierter Hinterhand, stark abfälliger Rückenliege, die einen hochgradig gestörten Gang zur Folge hat. Außerdem Epilepsie.

3. Weitere Gelenksprobleme- und Knochenprobleme treten bei schnell wachsenden Rassen auf (Dogge, Rottweiler, Mastiff): Osteosarkome, Osteolyse, Arthritiden, Hüftgelenks- (HD) und Ellenbogendysplasie (ED). Die Folgen sind schmerzhafte Lahmheiten und Schwellungen. Kleinwüchsige Rassen mit besonders langem Rumpf und kurzen Gliedmaßen wie dem Dackel neigen zudem zu Bandscheibenvorfällen (Dackellähme).

4. Dobermänner erkranken mit einer 58-prozentigen Wahrscheinlichkeit an Dilatativer Cardio-Myopathie (DCM). Herzrhythmusstörungen und der Sekundentod resultieren daraus, außerdem eine stark herabgesetzte Lebenserwartung von unter 8 Jahren. (Ein verpflichtender Test auf DCM wurde vom Dobermann Club Deutschland zurückgenommen, da er vor dem Zuchteinsatz nicht sinnvoll sei.) Auch tritt das seltenere Blue-Dobermann-Syndrom auf, das mit zu dünner oder empfindlicher Haut und einer gestörten Behaarung einhergeht.

5. Das Lebensalter der Bordeaux-Dogge ist sogar noch stärker herabgesetzt, es liegt bei unter 6 Jahren. Ursachen sind Karzinome und Herzerkrankungen, wie DCM und SAS (subvalvuläre Aortenstenosen) sowie Pulmonalstenosen, aber auch HD und ED.

6. Rassen mit viel loser Haut wie beim Shar Pei leiden durch die starke Faltung der Haut häufig an Dermatitis, oft ist eine operative Straffung der Haut notwendig. Beim Basset sammeln sich häufig Schmutzreste, besonders am hinteren Ende des Rumpfes, die durch ständige Reibung häufig Entzündungen der Haut hervorrufen.

7. Der Cavalier King Charles Spaniel leidet an der Syringomyelie, einer Veränderung des Rückenmarks. Diese und der Umstand, dass sein Kopf häufig zu klein für sein Gehirn ist, führen durch Druckerscheinungen zu Krampfanfällen, einem gesteigerten Schmerzempfinden, Epilepsie, Lähmungen, Bewegungsstörungen bis hin zu permanenten deutlich geäußerten Schmerzempfindungen.

8. Rhodesian Ridgeback: Das charakteristische Merkmal ist der im Rassestandard geforderte Rückenstreifen in Form eines Haarkamms. Dieses Merkmal kann Dermoidzysten bedingen, teilweise reichen diese bis in den Wirbelkanal hinein. Bei etwa 10 Prozent der Welpen ist der Rückenkamm mit einer Spina bifida verbunden, was bei Tieren ohne Rückenkamm nicht auftritt. Dennoch werden diese Hunde als nicht standardgemäß eingestuft und häufig gemerzt.

Desweiteren treten Autoimmunerkrankungen oder andere Semiletalfaktoren sowie Blindheit oder Taubheit auf, die mit verschiedenen Färbungen verknüpft sind. Beispielhaft hierfür wäre das Merle-Gen bei Collie oder Australian Shepherd.

Zahlreiche Rassen haben Probleme mit Ektropien oder Entropien etwa die Dogge, Bulldogge, Mastiff, Basset.

Desweiteren treten bekanntermaßen und monogen, homozygot vererbt in Hunderassen etwa folgende Erkrankungen auf: Brachy- und Anurien sowie Verkrüppelung der Schwanzwirbelsäule, Chondrodysplasie, Grey-Collie-Syndrom, Haarlosigkeit, Albinismus, Albinismus oculi, Augenlidkolobom, Brachygnathia inferior, Gesichtsspalten, Hämophilie A und B, Hörschäden, Keratitis nigrans, Linsenluxationen, Lipodystrophie, Idiopathische Myoklonie, Juvenile Pankreas-Atrophie, Progressive Retina-Atrophie, Retinadysplasie, Zahnunterzahl. Durch Gentests können Merkmalsträger dieser Erkrankungen von der Zucht ausgeschlossen werden.

Auch bei Katzen gibt es viele Qualzuchten bzw. Qualzuchtmerkmale, weshalb die Zucht einiger Rassen in einigen Ländern, leider noch nicht in allen, auch verboten ist.

So gilt z.B. die Nacktkatze (Sphynx-Katze) als Qualzucht, weil sie nicht nur kein wärmendes Fell mehr haben, sondern auch keine Tasthaare besitzen. Tasthaare sind wesentliche Sinnesorgane. Fehlen diese ist die Katze nicht mehr in der Lage, sich im Dunkeln zu orientieren. Aber auch beim Fangen und Abtasten der Beute, beim Untersuchen von Gegenständen und bei der Aufnahme sozialer Kontakte sind Tasthaare erforderlich.

Aber auch Merkmale wie Kurzschwänzigkeit oder Schwanzlosigkeit, wie sie bei den Rassen Manx, Cymric, Japanese Bobtail und Kurilen Bobtail auftreten, sind Qualzuchtmerkmale, da diese Tiere nicht in der Lage sind, mit ihren Artgenossen angemessen zu kommunizieren. Außerdem treten Defekte im Bereich des Beckens und des Rückenmarks mit neurologischen Ausfallserscheinungen sowie Schädigungen des Enddarms auf. Desweiteren leiden Manxkatzen häufig an Wirbelmissbildungen.

Die Brachyzephalie (Kurzköpfigkeit) kommt vor allem bei Perserkatzen und Exotic Shorthair vor. Bei allen Rassen mit dem Zuchtziel „Kurzköpfigkeit“ können Neigung zu Schwergeburten, gesteigerte Totgeburtenrate, Verkürzung des Oberkiefers, Verengung der oberen Atemwege (Nasenstenose, Veränderung der Nasenscheidewand u. a.) sowie Verengung der Tränennasenkanäle auftreten.

Nach vorne gerichtete Kippohren, wie sie vor allem bei den Rassen Scottish Fold, Highland Fold, Pudelkatze auftreten, gehen mit Schäden an den Knochen und Gelenken einher. Es kommt zu schmerzhaften Gelenksdeformationen und daraus resultierend zu schmerzhaften Bewegungsstörungen. Aber auch Züchtungen in Richtung Farbaufhellungen und Blauäugigkeit gehen häufig mit Defekten einher, die zu Schwerhörigkeit oder Taubheit führen. Betroffen sind hier vor allem die Rassen Türkische Angora, Perserkatzen, Foreign White, Russian White und Van-Katze.

Bei der Munchkin (Dackelkatze) kommt es Infolge von vermindertem Längenwachstum der langen Röhrenknochen zu deutlich verkürzten Gliedmaßen und veränderten Körperproportionen. Dies führt zu Bewegungseinschränkungen und Bandscheibenveränderungen.

bei den Heimtieren fallen u.a. die Nacktmeerscheinchen (Skinny Pigs) unter den Qualzuchtparagraphen. Aber auch Satin-Meerschweinchen, die sich durch ein auffallend glänzendes und seidiges Fell auszeichnen, leiden durch den genetischen Zusammenhang zwischen der Haarstruktur und sich entwickelnden Osteodystrophien mit zunehmender Entkalkung der Knochen an Lahmheiten und pathologischen Frakturen. Weiterhin verursachen Zahnfehlstellungen bei diesen Tieren Fresstörungen.

Bei den Dalmatiner- oder Schimmelmeerschweinchen sollte die Vermehrung unterbleiben, da diese Tiere ein letalgen tragen, dass sogenannte lethal whithe Babys geboren werden, die von Geburt an schwere Missbildungen aufweisen wie Blindheit, Zahnlosigkeit, schwere Organschäden oder gar Totgeburten.

Teddy-Rex-Meerschweinchen leiden aufgrund der gekräuselten Tasthaare und Wimpern an einem eingeschränkten Tastsinn und häufig unter chonisch entzündeten Augen. Weiterhin kommt es aufgrund der Haarstruktur zu Haarirritationen, wodurch die Tiere häufig an einem permanenten Juckreiz leiden.

Widderkaninchen leiden aufgrund der abgeknickten Ohren und dem damit einhergehenden Knick im Gehörgang an einer eingeschränkten Belüftung und Selbstreinigung des Ohrs, wodurch es zu einem deutlich höheren Risiko für Ohrentzündungen kommt. Widderkaninchen sind durch die herabhängenden Ohren aber auch in ihrem Sichtfeld eingeschränkt, hören schlecht und sind weniger gut in der Lage, mit ihren Artgenossen zu kommunizieren, da die Stellung der Ohren hierbei eine ganz wesentliche Rolle spielt. Desweiteren leiden diese Kaninchen häufig an einer mangelhaften Thermoregulation, an Hauterkrankungen sowie an Wirbelsäulenverkrümmungen und Zahnerkrankungen.

Die Zuchtverbände

Englische Bulldogge

Etwa 30 Prozent der verkauften Welpen stammt aus den Würfen eingetragener Züchter (OECHTERING, 2012).

Der Dachverband hierzulande ist der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH), der über 250 Rassen in 175 Mitgliedsvereinen betreut. Der VDH wiederum ist ein Mitglied des Weltverbandes der Kynologie (Fédération Cynologique Internationale, FCI). Im FCI sind derzeit 92 Mitgliedsstaaten (1 Verband je Land) organisiert, er ist für die Anerkennung der Hunderassen weltweit zuständig (derzeit 344; 05/2017).

Jörg Bartscherer, Geschäftsführer des VDH, sagte zum Fachgespräch zum Thema Qualzuchten am 14.3.17 in Berlin, ein Problem in der Struktur des FCI sei das Einstimmenprinzip: Unabhängig von der Größe eines Mitgliedslandes hat jedes nur eine Stimme.

Die Aufgabenverteilung zwischen Dachverband und Mitgliedsvereinen beschreibt der VDH auf seiner Homepage:

• „Als Mitgliedsvereine des VDH sind sie verpflichtet, ihr Regelwerk den Mindestvorgaben des VDH anzupassen. Während der VDH Experte für die Hundezucht im Allgemeinen ist, sind die Zuchtvereine die Spezialisten in allen Fragen, die die von ihnen betreute Rasse betreffe.

• Die Zuchtvereine dokumentieren die Abstammung der Rassehunde und führen hierzu ein Zuchtbuch und Register. Sie sind dafür verantwortlich, wie sich eine Rasse weiterentwickelt, in dem sie die Züchter beispielsweise beraten, welcher Rüde und welche Hündin besonders gut zusammen passen oder welche man besser nicht miteinander verpaaren sollte (Zuchtlenkung). Darüber hinaus beraten die Zuchtvereine die Züchter auch in allen anderen Fragen, die die Zucht betreffen und kontrollieren die Zuchten.

• Dafür müssen die Zuchtvereine Zuchtwarte ernennen und für ihre Aufgaben sorgfältig aus- und fortbilden. Darüber hinaus müssen sie überprüfen, ob ihre Züchter sachkundig sind und ihnen Fortbildungen anbieten. Sie kontrollieren auch, ob die Zuchtstätten geeignet sind und wie die Hunde gehalten und aufgezogen werden.“

Die angesprochenen Mindestvorgaben hat der VDH etwa in seiner Zuchtordnung niedergeschrieben (dazu später mehr), die sich laut eigener Aussage nach den aktuellen tierschutzrechtlichen Bestimmungen und denen der FCI richtet. Der FCI macht in seinem offiziellen Zuchtreglement darauf aufmerksam, dass die Mitgliedsvereine dazu aufgerufen sind, auf die „Erbgesundheit“ ihrer betreuten Rassen zu achten.

• „Erbgesund ist ein Rassehund dann, wenn er Standardmerkmale, Rassetyp und rassetypisches Wesen vererbt, jedoch keine erheblichen erbliche Defekte, welche die funktionale Gesundheit seiner Nachkommen beeinträchtigen könnten. Hierbei sind die Mitglieder und Vertragspartner der FCI gehalten, Übertreibungen der Rassemerkmale zu verhindern, die in der Folge geeignet sind, die funktionale Gesundheit der Hunde zu beeinträchtigen.

• Zur Zucht nicht zugelassen sind insbesondere Hunde, die zuchtausschließende Fehler haben z.B. Wesensschwäche, angeborene Taubheit oder Blindheit, Hasenscharte, Spaltrachen, erhebliche Zahnfehler und Kieferanomalien, PRA, Epilepsie, Kryptorchismus, Monorchismus, Albinismus, Fehlfarben sowie festgestellte schwere Hüftgelenksdysplasie.“

Im Modellstandard der FCI steht dazu außerdem:

• „Kurznasige & kurzköpfige (Brachycephalic) Rassen haben eine generelle Klausel (FCI-Vorstand, Luxemburg 2009), welche besagt: ‚Gut geöffnete Nasenlöcher‘. Diese Klausel betrifft vorläufig: Boston Terrier; Boxer, Belgischer Griffon, Brüsseler Griffon, Kleiner Brabanter Griffon, Bulldogge, Bullmastiff, Bordeauxdogge, Französische Bulldogge, Japan Chin, King Charles Spaniel, Mastiff, Mastino Napoletano, Pekingese, Mops, St Bernard, Staffordshire Bull Terrier und Shih Tzu.
(Quelle)

Das sind jedoch nur wenige der unter "Beispiele" angesprochenen Schäden unter denen Hunde durch übertriebene Zucht leiden. Probleme, wie etwa dies, dass sich viele Bulldoggen nicht mehr allein fortpflanzen können, sind hier nicht aufgeführt. Auch das oft angesprochene Brachycephale Syndrom beinhaltet mehr Probleme der oberen Atemwege, als nur zu kleine Nasenlöcher (zu enge Luftröhre, zu langes Gaumensegel, verkrümmte Nasenmuscheln).

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) äußerte in ihrem Merkblatt Nr. 141 zu Qualzuchten bei Heimtieren von 2014, dass die Zuchtverbände noch nicht ausreichend und konsequent das Ziel gesunder Hunde umsetzen würden.

Für jede Rasse gibt es einen FCI-anerkannten Standard, der von dem Land betreut wird, dem die Rasse entspringt. Der VDH hat damit die Obhut über 32 Rassen, etwa den Deutschen Schäferhund oder den Teckel.

In diesen Standards sind „rassetypische“ Merkmale beschrieben, anhand derer Zuchtrichter Hunde in den Vereinen zur Zucht zulassen und sie auf Ausstellungen prämieren. Die Zuchtrichter besitzen jedoch nicht in jedem Fall die nötige (medizinische) Fachkenntnis, um ein Tier nicht nur danach einzuordnen, ob das Erscheinungsbild rassetypisch ist, sondern auch danach, ob die Tiere durch dieses Erscheinungsbild unter gesundheitlichen Nachteilen leiden (Oechtering, 2013).

Hinzu kommt, dass die Rassestandards entweder zu unkonkret sind und so zu viel Spielraum für Über- oder Fehlinterpretationen lassen oder gesundheitlich bedenkliche Merkmalsausprägungen konkret fordern. Beispielhaft sei hier ein Auszug aus dem FCI-Rassestandard Nr. 253, der für den Mops, genannt. Zum Fang steht dort: „Ziemlich kurz“ und zur Rute: „Hoch angesetzt, so eng wie möglich über die Hüfte gerollt. Doppelt eingerollte Rute höchst erwünscht.“ Im Rassestandard Nr. 149, dem der Französischen Bulldogge, der im Januar 2017 zuletzt angepasst wurde, ist es etwas konkreter gelöst. Hier ist beschrieben, dass der Nasenrücken eine Länge von 1/6 des Kopfes haben soll und eine „normale Nasenatmung möglich sein muss“.

Bartscherer sagt deshalb in Berlin, das Problem seien nicht die Standards, die durchaus "vernünftig und weit" formuliert seien, sondern: "Die Problematik, die wir haben, ist die Interpretation des Standards durch Züchter und Zuchtrichter."

Auch habe man als VDH datenschutzrechtliche Schwierigkeiten bei der Nachverfolgbarkeit der Nachzuchten innerhalb der Vereine. Zum Ausstellungsverhalten sagte Bartscherer, läge das Problem im Kartellrecht: Es dürften alle "phänotypisch der Rasse entsprechenden" Hunde teilnehmen und gekürt werden. Somit würden Welpen eines als irrenführend "VDH-Sieger" benannten Hundes, verkauft.

Für die Rasse English Bulldog bedeutsam sei eine Ausstellungsregelung gewesen, die die Teilnahme von Hunden nach dem zweiten Kaiserschnitt verbot. Den Verein dieser Rasse habe man laut Bartscherer vor einigen Jahren wegen "nicht mehr tragbarer Zustände" aus dem Verband ausgeschlossen. Nun betreue man die Rasse selbst direkt, eingeführte gesundheitliche Reihenuntersuchungen hätten zu einer Reduzierung der Welpenanzahl im Verband geführt; derzeit läge der Marktanteil des VDH bei dieser Rasse in Deutschland bei unter einem Prozent.

In der Zuchtordnung des VDH wird zwar gefordert, dass sämtliche Zuchtmaßnahmen neben dem Erhalt der rassetypischen Merkmale zum Ziel haben müssen, „die Zuchtbasis einer Rasse möglichst breit zu erhalten, also die genetische Vielfalt innerhalb einer Rasse zu fördern, Vitalität (…) der Hunde zu fördern, erbliche Defekte durch geeignete Zuchtprogramme zu bekämpfen“ und nur „gesunde, verhaltenssichere und rassetypische Hunde zugelassen und eingesetzt werden“ dürfen. Diese Zuchtordnung enthält jedoch Ausnahmeregelungen; etwa sind Gentests empfohlen, die homozygote Merkmalsträger von Erbkrankheiten finden und von der Zucht ausschließen sollen; dennoch wird die Zucht mit heterozygoten Defektgenträgern weiterhin ausdrücklich erlaubt. Gar wird in der Zuchtordnung des VDH gesagt, dass „Homozygot belastete Hunde (Merkmalsträger) zur Zucht eingesetzt werden (dürfen), wenn aus züchterischer Sicht ihr Zuchteinsatz wertvoll und wissenschaftlich vertretbar ist.“ Die Verantwortung zur Einhaltung der Zuchtordnung liegt bei den einzelnen Zuchtvereinen.

Auch hatte der VDH mit dem Ausschluss des Bordeaux-Doggen Club Deutschland e.V. 2012 ein Statut gesetzt, das eine inkonsequente Bereitschaft zur Verbesserung der Erbgesundheit innerhalb des Verbandes zeigt. Der 2007 neu gegründete Bordeaux-Doggen Club hatte mit einer sehr strengen Zuchtauswahl die durch verschiedene erbliche Defekte (HD, ED, Herzerkrankungen) bedingte sehr niedrige Lebenserwartung der Rasse (unter 6 Jahren) versucht, zu bekämpfen. Diese Maßnahmen hatten jedoch in Folge der wenigen vorhandenen zugänglichen unbelasteten Bordeaux-Doggen dazu geführt, dass die Nachzuchtrate stark sank. In Folge dessen wurde ein Gesuch um Verlängerung der Mitgliedschaft im VDH abgelehnt mit der Begründung, dass „eine sinnvolle Zucht sich zunächst auf die Bekämpfung der schwerwiegendsten Erkrankungen konzentrieren und das Risiko einer möglichen Vererbung leichterer Erkrankungen notgedrungen in Kauf nehmen (muss), um nicht den Erhalt der Rasse insgesamt zu gefährden.“ (Klageerwiderung des VDH an den Bordeaux-Doggen Club Deutschland e.V. vom 11.10.2012)

In vielen Rassen sind erblich bedingte Schäden bekannt, so neigen Dalmatiner zu Taubheit, Boxer zu Herzproblemen und Schäferhunde zu Hüftdysplasien. Die Wahrscheinlichkeit für solche erblich bedingte Schäden wächst mit dem Grad der Inzucht. Um Nachkommen zu erhalten, die den Spitzenvertretern ihrer Rasse möglichst ähnlich sehen, deckt ein prämierter Rüde jedoch viele Hündinnen. Diese Nachkommen werden häufig wieder verpaart. Das führt zu einer Schmälerung der genetischen Variabilität und damit zu einem hohen Inzuchtgrad in der Rassehundepopulation. Untersuchungen von 2008 in England haben etwa für die Rasse Boxer ergeben, dass eine Population von 20.000 Tieren aufgrund der engen genetischen Variabilität wie eine Population von 70 Tieren wirkt. (CALBOLI et al. 2008) Ähnliches lässt sich für die Rasse Border Collie oder Mops sagen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nachkomme mit engen Verwandten verpaart wird und so zwei defekte Kopien eines Genes bekommt und einen Schaden ausbildet, steigt damit.

Laut VDH Zuchtordnung sind Verpaarungen des ersten Grades verboten (z.B. Eltern/Kinder), mit Ausnahmegenehmigung kann jedoch im zweiten Grad verpaart werden. Der FCI äußert sich zu Inzucht über ein „memo on inbreeding“, dass der französische Tierarzt Prof. Bernard Denis verfasst hat. Grundsätzlich habe Inzucht diesen Effekt:

„From a genetics point of view, inbreeding has the fundamental effect of increasing the frequency of homozygotous genotypes. The consequences of which are:

- the quantitative characteristics offered for selection – especially morphological (beauty)

– tend to be fixed more rapidly,

- in parallel we are able to observe a more or less important deterioration of breeding qualities (fecondity, resistance),

- the increased frequency of recessive autosomal hereditary incidents.

Deshalb ist Inzucht als ein „very powerful selection tool“ beschrieben. Denis sagt, man habe immer ein gewisses unvermeidliches Risiko zu tragen, wenn man Inzucht als Zuchtstrategie benutze. Er könne aber verstehen, dass ein Züchter, der zufrieden mit dem Status seiner Tiere ist, diese vor „outside risks“ bewahren möchte und deshalb Inzucht betreibt.

Über die Anhäufung von Defektgenen durch Inzucht sagt er:
„There is no deliberate wish to resort to inbreeding; this just happens, little by little, without the breeders being aware of it. The resulting loss of genetic variability undermines the evolution of the breed in another direction and favors the onset of lethal genes. Many breeds are in this situation which gives cause for concern and which should incite breed clubs to undertake true genetics management in the aim of conserving sufficient genetic diversity.“

Sein Resümee: Man könne nicht oft genug betonen, welche Risiken eine exzessive Reduktion der genetischen Variabilität beinhaltet.

Um das gehäufte Auftreten von Krankheiten innerhalb einer Rasse zu bekämpfen, wurden vom VDH verschiedene Phasenprogramme entwickelt, derzeit für die Bekämpfung von erblich bedingten Augenerkrankungen, Hüftgelenksdysplasien (HD), Ellenbogendysplasien (ED), Herzerkrankungen, Patella-Luxation (PL) und der Taubheit. Diese Programme schreiben eine wissenschaftlich überwachte Datenerfassung (auf freiwilliger Basis), etwa eine offizielle Reihenuntersuchung auf Hüftgelenksdysplasie, und ein davon abgeleitetes Zuchtreglement vor.

Diese Phasenprogramme schreiben so etwa ein Röntgen der Hüfte beim Deutschen Schäferhund vor Zuchtzulassung vor. Demnach werden aber nur Hunde mit festgestellten Hüftgelenksdysplasien vom Schweregrad „schwer“ und „mittelgradig“ von der Zucht ausgeschlossen. Leichte Schweregrade für die Weiterzucht zu nutzen ist noch erlaubt. Ähnliche abgeschwächte Einschränkungen gelten für ED (Ellengelenksdysplasie) und Patellaluxation. Bei erblich bedingten Herzerkrankungen kann der Zuchtverein eigenständig „den Grad der Herzerkrankung (festlegen), mit der ein Hund züchterisch noch unbedenklich eingesetzt werden darf“. „Der VDH arbeitet (dafür) eng mit Wissenschaftlern und Tierärzten zusammen, um erbliche Defekte und Krankheiten bei Rassehunden effektiv und nachhaltig zu verringern. Dabei wird der VDH von seinem Wissenschaftlichen Beirat unterstützt, dem führende Wissenschaftler der Tierärztlichen Hochschulen sowie Vertreter der fachtierärztlichen Gesellschaften angehören (Collegium Cardiologicum, Dortmunder Kreis, Gesellschaft für Röntgendiagnostik genetisch beeinflusster Skeletterkrankungen bei Kleintieren e.V. ).“ (VDH, 2017)

Dr. Bodo Busch von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz stellte zum Leipziger Tierärztekongress im Januar 2016 in seinem Vortrag über die Ethik in der Hundezucht jedoch fest: „Die Dachorganisation der Hundezüchter (VDH) und deren Zuchtvereine tragen die Verantwortung für Wohlbefinden und Gesundheit der von ihnen vertretenen Hunderassen. Sie sind verpflichtet, wirksame Maßnahmen gegen erblich bedingte Erkrankungen durchzuführen. Die derzeit geltende Zuchtordnung sowie das Phasenprogramm zur Bekämpfung erblicher Krankheiten und Defekte erfüllen diese Anforderungen in keiner Weise. Zudem wirkt die Übertragung der Zuchthoheit auf die Zuchtvereine kontraproduktiv.“

Der Geschäftsführer des VDH, Jörg Bartscherer, stellte im März 2017 in Berlin fest: "Wir sind durchaus dazu bereit, uns zu bewegen und sehen, dass was bewegt werden muss." Man sei deshalb bereits im Gespräch mit den Mitgliedsvereinen und der Bundestierärztekammer.

Mehr dazu unter "Lösungen".

Öffentliche Wahrnehmung

Der Mops ist wegen seines kindlichen Aussehens sehr beliebt. Besitzer unterschätzen jedoch häufig die Anzeichen schwerer Atemprobleme unter denen er häufig leidet.

Anlässlich des Leipziger Tierärztekongresses 2016 hielt Katrin Kuczewski et al. Einen Vortrag über die Wahrnehmung von Qualzuchten in der Gesellschaft und durch den Hundehalter selbst. Dabei stellte sie zu den brachycephalen Rassen fest:

„In den USA besteht eine starke Korrelation zwischen der Beliebtheit von Hunderassen und der Anzahl der Erbkrankheiten unter denen sie leiden. Dies legt nahe, dass die Berücksichtigung der Gesundheit zweitrangig ist, sowohl in der Zucht von Hunden als auch in der Überlegung der Anschaffung eines Hundes. Die Beliebtheit von bestimmten Hunderassen wird vor allem von Modeerscheinungen bestimmt und nicht von funktionellen Eigenschaften, wie der Gesundheit, der Lebensdauer oder Verhaltenseigenschaften bestimmter Rassen (Ghirlanda et al., 2013). Solche Modeerscheinungen können beispielsweise auftreten, wenn Personen mit niedrigem Sozialstatus einflussreiche Personen mit hohem Sozialstatus imitieren (ACERBI et al., 2012).“

Am Beispiel brachycephaler Rassen wurden zahlreiche Untersuchungen zur öffentlichen Wahrnehmung von Qualzuchtmerkmalen beim Hund durchgeführt. Der Fokus liegt auf diesen Rassen unter anderem deswegen, weil ihre Beliebtheit in den letzten Jahren stark zugenommen hat: Laut der Welpenstatistik des VDH hat sich die Welpenanzahl bei den brachycephalen Rassen Mops und Französischer Bulldogge pro Jahr von 2000 bis 2014 verdoppelt. Im Zuge einer präoperativen Umfrage unter Besitzern solcher Rassen stellte RÖDLER 2014 fest, dass nicht nur die Beliebtheit brachycephaler Rassen stark zugenommen hatte, die Schwere des brachycephalen Syndroms ebenso (OECHTERING et al. 2007, OECHTERING 2010). Und weiterhin: „Besitzer kurzschnäuziger Rassen zeigen eine höhere Toleranz gegenüber Atemproblemen bei ihrem Hund als Besitzer anderer Hunderassen; von Tierärzten, Züchtern und Besitzern wird eine Atemsymptomatik sogar als normal oder sogar als Anzeichen von „Wohlbefinden“ angesehen (PACKER et al. 2012, OECHTERING 2012b)“.

Kuczewski et al. stellte zu brachycephalen Rassen fest: „Die Beliebtheit dieser Rassen ist sicherlich auch auf das von Lorenz beschriebene „Kindchenschema“ zurückzuführen. Durch kindliche Proportionen, wie ein relativ großer Kopf, eine große Stirnregion, große, weit unten liegende Augen, rundliche Wangen, elastische, weiche Haut, kurze, kräftige Extremitäten und tollpatschige Bewegungen wird beim Menschen ein Fürsorge- und Kümmerungsverhalten hervorgerufen (LORENZ, 1943; FRIDLUND et al., 1998).“

Hierzu findet sich auch ein Video auf der Vorstellungsseite der Rasse Mops auf der VDH Website: „Freut (der Mops) sich über etwas oder ist er aufgeregt, wedelt er mit der Rute, schnorchelt und schnauft durch die Nase, was sich sehr lustig anhört.“
Dabei ergab die präoperative Befragung von Haltern brachycephaler Rassen, die ihren Hund wegen Atemsymptomatik haben operieren lassen, dass 71 Prozent der Hunde gern aktiver wären, es aber wegen ihrer Atemprobleme nicht könnten; 11 Prozent der Hunde hatte Erstickungsanfälle während des Schlafens hat und knapp ein Viertel der Hunde versucht, wegen Schwierigkeiten beim Atmen im Sitzen zu schlafen (RÖDLER, 2014).

Lösungen

Brachychephale Katze

„Zu einem Fachgespräch, das am 14. März 2017, auf Anregung der Bundestierärztekammer im Bundestag in Berlin stattfand, wurde über Lösungen für die Qualzuchtproblematik besonders in der Hundezucht diskutiert.

Dort kam man zu dem Schluss, dass Rassestandards kritisch überprüft und das Einkreuzen von Rassen stärker in Betracht gezogen werden müssen. Zudem sollten strengere Kriterien für die Überprüfung der Gesundheit von Rassevertretern etabliert werden. Der Belastungstest für kurzschnäuzige Rassen wie er bisher für die Zuchtzulassung vom VDH existiert, sei demnach nicht ausreichend. Von der Tierärzteschaft außerdem bemängelt wurde der Umstand, dass Hunde und Katzen, die zu übertypisiert sind, um eine Zuchtzulassung zu bekommen, dennoch auf Ausstellungen gezeigt und prämiert werden dürfen. 2012 brachte der Bundesrat ein Ausstellungsverbot für Qualzuchten in den Bundestag ein, der Entwurf scheiterte jedoch an Detailfragen. Auch gab es zu dieser Veranstaltung Kritik am Qualzuchtparagraphen 11b, der in derzeitiger Form „Auslegungssache ist“ und den Veterinärämtern zu viel in der Prozessvorbereitung abverlangt. Eine Überarbeitung des Qualzuchtgutachtens wird gefordert, zudem mehr Aufklärungsarbeit bei den Züchtern und Liebhabern, Film- und Werbebranche.

Die AG „Qualzuchten“ der BTK ist derzeit etwa mit einer Erstellung von Checklisten zur Beurteilung von Qualzuchtausprägungen als Hilfestellung für amtliche Tierärzte betraut. (….)“ (Pressemeldung des BTK, 2017)

Da die strengere Auswahl von Zuchttieren nach Gesundheitsstandards den Genpool einer Rasse nur noch weiter einengen würde und das Risiko von dadurch stimulierten Erbkrankheiten erhöhen würde, wird das Einkreuzen von anderen Rassen in arg ingezüchtete Rassen deshalb als Ausweg angesehen, enorm ingezüchtete Rassen, wie den Mops zu „retten“. Die FCI hat dazu „Allgemeine und rassespezifische Richtlinien der FCI für das Kreuzen von Rassen und Rassevarietäten“ herausgegeben. In diesen statuiert sie: „Die FCI fördert die Kreuzung von Rassenvarietäten, wann immer dies für notwendig erachtet wird, um deren Genpool zu vergrößern und die Gesundheit der Tiere zu verbessern; für die Gesundheit der Hunde ist es nicht förderlich, wenn die Populationen zu klein sind“, und weiter, „Zur Verminderung von Gesundheitsproblemen oder von Problemen aufgrund eines ungesunden Körperbaus sollte es generell möglich sein, eng verwandte Rassen oder Rassevarietäten zu kreuzen.“ Darauf folgend sind Rassen aufgelistet, „die gekreuzt werden können“. Mops und Boxer sind darin nicht aufgelistet.

In dem 2009 geänderten FCI-Standard des Mopses steht: „Nasenschwamm: Schwarz mit ziemlich großen weit geöffneten Nasenlöchern. Zusammengedrückte Nase und starke Faltenbildung auf dem Nasenrücken sind unakzeptabel und sollten schwer bestraft werden“ (FCI- RASSESTANDARD Nr. 253).

Eine weitere Verbesserung der brachycephalen Problematik wurde 2009 erreicht: Seitdem sind Belastungstests die kurzschnäuzigen Rassen Französische Bulldoge, Mops und Bulldoge Pflicht. Demnach wird nur noch zur Zucht zugelassen, wer innerhalb von acht Minuten einen Kilometer rennen kann und anschließend zügig auf einen normalen Ruhepuls zurückfällt. Ob der Ruhepuls aussagekräftig ist, wird diskutiert (MARTIN, 2012). Kritik hieran ist, dass sich die Symptome einer Atemsymptomatik häufig im Alter verschlechtern (OCHTERING et al. 2007), die einmalige Absolvierung im jungen Alter jedoch ausreichend ist. Auch ist das Testergebnis nicht objektiv, da die Außentemperatur keine Rolle bei der Testdurchführung spielt. Eine Steigerung der Außentemperatursteigerung hat jedoch hohen Einfluss auf die Kondition vieler kurzköpfiger Tiere hätte (RÖDLER, 2014).

Auf Grundlage der Ergebnisse der Untersuchungen von MARTIN seien vom VDH entsprechende Änderungen des Belastungstests entwickelt worden. Auf Seiten des VDH heißt es: "Hierzu zählen u.a. eine stärkere Gewichtung der Atemfrequenz in der Beurteilung sowie die Empfehlung einer erneuten Vorstellung der Hunde im Alter von 24 bzw. 36 Monaten. Der IKFB beabsichtigt darüber hinaus, die Zeitvorgabe von 11 auf 8 Minuten zu senken"

Im ersten Jahr der Einführung waren 5/15 Möpsen ausgezeichnete Zuchtmöpse nicht in der Lage den Test zu bestehen. Bei einer Untersuchung von MARTIN 2012 konnten 14 von 42 Möpsen (ein Drittel) den Test nach den Standards des Deutschen Mopsclub e.V nicht bestehen, der die Pulsfrequenz betrachtet. Unter Betrachtung der Atemfrequenz fiel über die Hälfte der getesteten Möpse durch.

Dr. Bodo Busch von der tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) schlug in einem Vortrag zur Ethik der Tierzucht auf dem Leipziger Tierärztekongress im Januar 2016 folgende Maßnahmen zur Besserung der Situation in der Hundezucht vor:

„1. Überarbeitung aller Rassestandards mit dem Ziel der Abkehr von extremen Körpermerkmalen

2. Bildung einer interdisziplinären Kommission zur Erarbeitung und Kontrolle von Standards und Zuchttauglichkeitsprüfungen

3. Ermittlung der Frequenz von genetisch bedingten Erkrankungen in den einzelnen Rassen, wobei ein Meldesystem auf die Diagnostik spezialisierter Institutionen (Gesellschaft für Röntgendiagnostik genetisch beeinflusster Skeletterkrankungen bei Kleintieren e.V. (GRSK), Collegium cardiologicum (CC e.V.) sowie der Tierarztpraxen Grundlagen schaffen könnte

4. stärkere Nutzung von Gentests

5. Einschränkung der Inzucht

6. planmäßige Kreuzungszucht bei ausgewählten Rassen“

Auch müsse überlegt werden, wie man die 70 Prozent der jährlich in Deutschland verkauften Welpen kontrolliert, die nicht aus einer VDH-Zucht stammen. Jörg Bartscherer, der Geschäftsführer des VDH, sagte am 14.3.17 in einem Fachgespräch zu Qualzuchten in Berlin, dass laut einem Vergleich der bei Tasso registrierten Hunde, der Anteil der VDH-Rassehunde bei den Rassen Mops und Französische Bulldogge zurückginge. Nur etwa fünf Prozent der bei Tasso registrierten Französischen Bulldoggen und nur noch etwa 15 Prozent der Möpse gingen auf eine VDH-Zucht zurück.

Tierärzteinitiativen

Flyer der Bundestierärztekammer zum Thema Qualzuchten

„Mit unseren fachlichen Kenntnissen müssen wir zur Sicherung des Wohlbefindens von Tieren beitragen. Dazu gehört in besonderem Maße die Aufklärung über die dramatischen gesundheitlichen Auswirkungen bestimmter Zuchtziele, die von manchen Menschen als schön empfunden und forciert werden“, so Dr. Friedrich Röcken, Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Qualzuchten“ der BTK.

Karoline Nöllgen fasst die aktuellsten Initiativen der Tierärzteschaft gegen Qualzuchten anlässlich des 9. Leipziger Tierärztekongresses im Januar 2018 zusammen:

„Unter dem Motto 'Nicht süß, sondern gequält!' hat sich die Deutsche Tierärzteschaft unter Federführung der Bundestierärztekammer (BTK) zum Ziel gesetzt, den zunehmenden Qual- und Defektzuchten bei manchen, sehr beliebten Hunde- und Katzenrassen, aber auch Kleinsäugern, den Kampf anzusagen. Hierzu wurde auf Beschluss des BTK die Arbeitsgruppe 'Qualzuchten', bestehend aus Repräsentanten aller großen veterinärmedizinischen Organisationen, eingerichtet. Diese haben sich zur Aufgabe gemacht, die Beschlüsse des 27. Tierärztetages, der im Oktober 2015 in Bamberg stattfand, umzusetzen. Eine Vielzahl von dort verabschiedeter Empfehlungen und Forderungen richtet sich unter anderem an den Gesetzgeber, an Zuchtverbände und -vereine, die Medien- und Werbebranche sowie an die Tierärztekammern und die Tierärzteschaft.

In Folge der Beschlüsse wurden an die veterinärmedizinischen Bildungsstätten Anliegen herangetragen, erblich bedingte Gesundheitsprobleme zu definieren, Erbkrankheiten zu identifizieren, den Vererbungsmodus bei Defekt- und Qualzuchten aufzudecken sowie qualifizierte Studien zur Definition von Qualzuchten durchzuführen. Darüber hinaus sollen tierschutzrechtlich relevante Grenzen der Zucht von Hunden, Katzen und Kleinsäugern aufgezeigt sowie zuverlässige Methoden zum routinemäßigen Nachweis von Trägern genetisch bedingter, klinisch relevanter, vererbbarer Krankheiten oder Defekte entwickelt werden. Zum 9. Leipziger Tierärztekongress werden im DVG-Symposium Forschungsergebnisse aus diesen Themenbereichen präsentiert.

Das DVG-Symposium fand im Rahmen des Leipziger Tierärztekongresses am Samstag, den 20. Januar 2018, von 14.00 bis 18.00 Uhr statt."

“Ein Ergebnis der Arbeitsgruppe „Qualzuchten“ der BTK ist eine im Oktober 2016 erschienene Broschüre zu brachycephalen Hunderassen mit Titel „Kurznasen und Glubschaugen: Nicht süß, sondern gequält“.

Dr. Friedrich Röcken sagte im Zuge der Veröffentlichung: „Tiere dieser Rassen mit extrem kurzem Gesichtsschädel entwickeln über kurz oder lang einen erheblichen Leidensdruck, haben meist starke körperliche Einschränkungen und in bestimmten Fällen auch ausgeprägte Schmerzen.“

Einige der 2015 in Bamberg gefassten Beschlüsse der Tierärzteschaft waren mit Forderungen an den Gesetzgeber verbunden:

• „Qualzuchtgutachten überarbeiten hinsichtlich weiterer Themen und Tierarten (z.B. Kleinsäuger, Reptilien, Pferd, Nutztiere)

• Rechtsverordnung, mit der das Qualzuchtverbot gemäß § 11b des Tierschutzgesetzes hinreichend konkretisiert wird

• Ausstellungsverbot von betroffenen Tieren in den § 11b TierschG aufnehmen

• Werbeverbot mit Tieren, die Qualzuchtmerkmale gemäß Qualzuchtgutachten aufweisen“

Prof. Martin Kramer sagte anlässlich des Bamberger Tierärztetages, dass man Züchter diverser Rassen nicht an den Pranger stellen wolle. Die Tierärzteschaft „ist (jedoch) nicht nur kurativ heilend tätig, sondern auch verantwortlich für die Prävention.“

Am 30. Januar 2019 konstituierte die Bundestierärztekammer (BTK) die neue Arbeitsgruppe (AG) „Qualzucht bei Nutztieren". Daran beteiligt sind neben der BTK, der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt), der Bundesverband der beamteten Tierärzte (BbT), die Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG) und die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT). Diese Verbände arbeiten schon seit 2015 sehr erfolgreich in der AG „Qualzucht" zusammen, die sich bisher dem Kleintier-/Heimtierbereich gewidmet hat. Doch nicht nur Kleintieren können durch übertriebene Zuchtziele Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt werden, auch Nutztiere leiden unter einer Reihe von Produktionskrankheiten, die durch die gezüchtete Leistungssteigerung begünstigt werden. Die wirtschaftlich wichtigen Körperfunktionen, z. B. die Milchleistung, werden dabei so stark optimiert, dass die extreme körperliche Belastung in vielen Fällen die Lebensdauer der Nutztiere verkürzt.

„So können wir nicht mit Tieren umgehen", appelliert der Veterinär-Physiologe Prof. Dr. Holger Martens auf der BTK-Pressekonferenz Qualzuchten bei Nutztieren? auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin im Janaur 2019.


Aktuelles im Winter 2017/2018: Aus dem DTB 2018; 66 (2) "Europäische Bemühungen zum Thema brachycephale Hunderassen": Die Federation of European Companion Animal Veterinary Association (FECAVA), die World Animal Veterinary Association (DSAVA) schloss im Oktober 2017 Empfehlungen darüber, wie die europäische Tierärzteschaft auf die Zucht brachycephaler Rassen reagieren sollte.
Auf der Generalversammlung der FVE (Federation of Veterinarians of Europe) wurde im November 2017 auch die Arbeit der BTK-Arbeitsgruppe besprochen.

Die Tierärztiche Vereinigung für Tierschutz (TVT) hat ihr Merkblatt zu brachycephalen Rassen aktualisiert

Unter dem Hashtag #BreedToBreathe der British Veterinary Association (BVA) finden sich Aufklärungsvideos auf Youtube und Diskussionen auf Twitter.

Augen auf beim Welpenkauf

Der Präsident des ZZF, Norbert Holthenrich, empfiehlt, die folgenden Punkte beim Welpenkauf zu beachten:

  1. Vorher umfassend über die Hunderassen und ihre jeweiligen Anforderungen informieren: Welche Rasse past zu mir? Kann ich zum Beispiel eine sportliche Rasse ausreichend beschäftigen?
  2. Keinen Onlinehandel mit Tieren unterstützen.
  3. Kofferraumverkäufe stammen meist aus tierschutzwidrigen Aufzuchten und sind abzulehnen.
  4. Achtung im Urlaub, wenn die Emotionen hochkochen: Mitleidskäufe etwa aus Tötungsstationen werden sofort "nachproduziert" und fördern diese Praktiken nur. Gleiches gilt für kränkliche Straßenhunde. Nach der ersten Untersuchung daheim stellen sich nicht selten unstemmbare Tieraztkosten ein. Im schlimmsten Fall landen diese Hunde deshalb schließlich hierzulande im Tierheim.
  5. Kann ich einem Hund aus dem Tierheim ein neues Zuhause bieten?
  6. Wenn das nicht in Frage kommt: Besonders bei Rassen, die unter Qualzuchtverdacht stehen, auf seriöse Züchter achten. Wie erkenne ich einen seriösen Züchter?
  • Bei 200-300 Euro für einen Rassehund kann man stutzig werden. Die Aufzucht eines Wurfes nimmt viel Zeit in Anspruch. Die Welpen sollten gechippt und geimpft sein - das alles ist mit einem hohen finanziellen Aufwand für den Züchter verbunden.
  • Wenn ein Welpe geimpft und gechippt wurde, heißt das auch, dass er bereits vom Tierarzt untersucht worden ist.
  • Unbedingt sollte der Welpenkauf beim Züchter daheim erfolgen. Ein Züchter, der das zulässt, hat nichts zu verbergen. So bekommt der Käufer einen Eindruck von der rechtmäßigen und tiergerechten Aufzucht der Welpen und kann sich die Elterntiere betrachten. Sind es die "richtigen" Elterntiere?! Sind sie gesund? Tritt bei brachycephalen Rassen etwa bereits eine Atemwegssymptomatik bei der Hündin/dem Rüden auf, ist mit selbigem auch beim ausgewachsenen Welpen zu rechnen.
  • Eine Ahnentafel gibt ebenfalls Aufschluss für das Auftreten erblich bedingter Erkrankungen. Ein "Deutscher Heimtierpass" ist nichts anderes als ein vorgeschriebener Impfausweis.
  • Wieviele Würfe hat die Zuchthündin im Jahr? Mehr als einer sollte es nicht sein, damit sich das Gesäuge zurückbilden und die Hündin erholen kann.
  • Ein fürsorgender Züchter erkundigt sich beim potentiellen Käufer umfassend über dessen Sachkunde und das spätere Wohnumfeld des Welpen.

Der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) setzt sich für eine artgerechte Tierhaltung und einen verantwortungsvollen Tierhandel ein und fordert deshalb von seinen Mitgliedern im Zuge einer freiwilligen Selbstverpflichtung (Heidelberger Beschlüsse) unter anderem den Verzicht auf Welpenverkauf und das Anbieten von Qualzuchten jeglichster Tierart.

Die Umstände im Zoofachhandel könnten nicht den Anforderungen der für Hunde so wichtigen Prägungsphase genügen, so der ZZF in seinen Heidelberger Beschlüssen. Eine weitere Begründung für den Verzicht auf Präsentation und Verkauf von Hunden im Einzelhandel ist mit dem Problem der Herkunft der Tiere genannt.

Der ZZF setzt stattdessen auf eine unterstützende Beratung von kaufinteressierten Hundeliebhabern und empfiehlt seinen Mitgliedern, an Züchter und Tierheime zu vermitteln.

Podcasts

Ein Podcast von Bayern2 in der ARD Mediathek zum Thema Qualzucht.

"Wir müssen über Qualzucht sprechen"

"Psychopathen in der Qualzucht"

 

Rückblicke

BTK macht Qualzucht bei Nutztieren zum Pressethema auf der Grünen Woche
von Dr. Julia Henning >>>

Literatur

1 Population structure and inbreeding from pedigree analysis of purebred dogs

  Calboli FC , Sampson J, Fretwell N, Balding DJ
  Genetics, 179(1): 593–601, 2008. doi:10.1534/genetics.107.084954


2 Untersuchung zum Einfluss brachyzephaler Fehlbildungen auf verschiedene Lebensbereiche des Hundes anhand einer präoperativen Besitzerbefragung

  Rödler, Frauke
  Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doctor medicinae veterinariae (Dr. med. vet.) durch die Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig


3 Aussagekraft eines Belastungstests für Möpse bezüglich mit dem brachyzephalen Atemnotsyndrom assoziierter Probleme

  Verena Marlene Martin
  Inaugural-Dissertation zur Erlangung der tiermedizinischen Doktorwürde der tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München


4 Gutachten zur Auslegung von §11b des Tierschutzgesetzes

  Sachverständigengruppe
  Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Bonn


5 Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 28. Juli 2014 (BGBl. I S. 1308) geändert worden ist.

  
  BGBl. I S. 1308


6 Brachyzephalie bei Hund und Katze: eine „menschengemachte” Obstruktion der oberen Atemwege

  G. U. Oechtering , C. Schlüter , J. P. Lippert
  Pneumologie 2010; 64(7): 450-452 DOI: 10.1055/s-0030-1255513


7 Qualzuchten beim Hund - Noch kein Ende in Sicht

  Bodo Busch
  Deutsches Tierärzteblatt, 2013
  Website


8 Qualzucht beim Hund, TVT-Merkblatt Nr. 141

  Erarbeitet vom Arbeitskreis Nr. (2) Verantwortliche Bearbeiter: Dr. Bodo Busch
  Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT)


9 Wenn Menschen Tiere verformen - Ein Ruf nach mehr Qualitätskontrolle in der Hundezucht

  G. U. Oechtering
  Deutsches Tierärzteblatt 01/2013
  Website


10 Schön, aber krank

  G. U. Oechtering
  Im Magazin Der Hund 4:21-25


11 Proportion of litters of purebred dogs born by caesarean section

  Evans, K.; Adams, V.
  The Journal of small animal practice. 51 (2): 113–118 PMID 2013699


12 A genetic assessment of the English bulldog

  Niels C. Pedersen, Ashley S. Pooch and Hongwei Liu
  Canine Genetics and Epidemiology, 3:6,DOI: 10.1186/s40575-016-0036-y


13 The challenges of pedigree dog health: approaches to combating inherited disease

  Farell L.L., Schoenebeck J.J. et al.
  Canine Genetics and Epidemiology 2015, 2:3


14 Assessing the impact of breeding strategies on inherited disorders and genetic diversity in dogs

  Leroy G., Rognon X.
  The Veterinary Journal 194(3) 343-348


15 Wahrnehmung von Qualzuchten in der Gesellschaft und der Umgang mit Hunden entsprechender Rassen durch den Hundehalter

  Katrin Kuczewski, Franziska Kuhne, Hansjoachim Hackbarth, Martin Kramer
  LBH: 8. Leipziger Tierärztekongress – Tagungsband 1


16 Quo vadis Hundezucht ?

  Bodo Busch
  LBH: 8. Leipziger Tierärztekongress – Tagungsband 1


17 Qualzuchtproblematik aus der Sicht des BMEL einschließlich rechtlicher Rahmenbedingungen

  Katharina Kluge
  LBH: 8. Leipziger Tierärztekongress – Tagungsband 1


18 Welche Probleme gibt es im Vollzug?

  Christine Bothmann
  LBH: 8. Leipziger Tierärztekongress Band 1


19 Hirnveränderungen bei domestizierten Landenten (Anas platyrhynchos f. d.) - morphometrische und ethologische Untersuchungen

  Julia Cnotka
  Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf


20 Memo on inbreeding

  Bernard Denis
  FCI
  Website


21 Inherited defects in pedigree dogs. Part 1: disorders related to breed standards.

  Asher L, Diesel G, Summers JF, McGreevy PD, Collins LM.
  Vet J. 2009 Dec;182(3):402-11. doi: 10.1016/j.tvjl.2009.08.033.


22 Inherited defects in pedigree dogs. Part 2: Disorders that are not related to breed standards.

  Summers JF, Diesel G, Asher L, McGreevy PD, Collins LM.
  Vet J. 2010 Jan;183(1):39-45. doi: 10.1016/j.tvjl.2009.11.002. Epub 2009 Dec 5.


23 Fashion vs. Function in Cultural Evolution: The case of dog breed popularity.

  Ghirlanda S., Acerbi A., Herzog H., Serpell, JA.
  PLoS ONE, 2013; 8 (9): e74770. doi:10.1371/journal.pone.0074770.


24 Do dog owners perceive the clinical signs related to conformational inherited disorders as ‘normal’ for the breed? A potential constraint to improving canine welfare.

  Packer RMA., Hendricks A., Burn CC.
  Animal Welfare. 2012; 21: 81–93.


25 The logic of fashion cycles.

  Acerbi A., Ghirlanda S., Enquist M.
  PLoS ONE, 2012; 7: e32541.


26 Die angeborenen Formen möglicher Erfahrung.

  Lorenz K.
  Zeitschrift für Tierpsychologie. 1943; 5 (2): 235-409


27 Approaches to Goldie: A field study of human approach responses to canine juvenescence.

  Fridlund A.J., MacDonald M.
  Anthrozoös. 1998; 11 (2): 95-100.


28 How does severe brachycephaly affect dog‘s lives? Results of a structured preoperative owner questionnaire.

  Roedler F., Pohl S., Oechtering G.U.
  The Veterinary Journal. 2013; 198: 606-610.


29 Brachycephalic syndrome - new information on an old congenital disease.

  Oechtering GU.
  Veterinary Focus. 2010;20:2-9.


30 Strukturelle Besonderheiten der Nase brachyzephaler Hunderassen in der Computertomographie.

  Oechtering TH, Oechtering GU, Noeller C.
  Tierärztliche Praxis. 2007;35:177-87.


31 Do dog owners perceive the clinical signs related to conformational inherited disorders as ''normal'' for the breed? A potential constraint to improving canine welfare.

  Packer RMA, Hendricks A, Burn CC.
  Animal Welfare. 2012;21:81-93.