Bundesverfassungsgericht hebt das Schächtverbot auch für Muslime auf
Das Bundesverfassungsgericht hat am 15. Januar Muslimen das Schächten von Tieren unter Auflagen genehmigt. Ein muslimischer Schlachter hatte zuvor gegen das seit 1995 bestehende Verbot geklagt. Auf den nachfolgenden Seiten erhalten Sie Hintergrundinformationen und werden über Reaktionen auf das Urteil informiert.
Definition des Schächtens
Das Schächten ist eine in Islam und Judentum vorgeschriebene rituelle Schlachtmethode, die den Gläubigen den Verzehr von unblutigem Fleisch ermöglicht. Dabei werden den Tieren die Halsschlagader und die Luft- und Speiseröhre mit einem Schnitt durchtrennt. Auf eine Betäubung wird meist verzichtet, so dass das Tier auf Grund des noch aktiven Kreislaufes vollständig ausbluten kann.
Der Islamexperte Prof. Dr. Jürgen Paul von der Universität Halle-Wittenberg sieht allerdings in den Schriften des Islam keinen zwingenden Grund für das Verbot der Betäubung, da der Kreislauf des Tieres trotz Betäubung normal funktioniert.
Details zu den Abläufen beim SchächtenAnatomisch-physiologische Abläufe beim Schächten
Mit einem scharfen Messer werden unterhalb des Kehlkopfes zunächst die Haut, dann Muskulatur, Luft- und Speiseröhre, Halsschlagader und Nerven des peripheren Nervensystems durchtrennt. Diese Organe sind auch selbst sensibel innerviert, der Schnitt ist also sehr schmerzhaft. Da die Nerven, die das Zwerchfell versorgen auch durchtrennt werden, gerät das Tier in Atemnot.
Durch die angst- und atemnotbedingte verstärkte Atemreaktion können austretendes Blut und Mageninhalt aus der Speiseröhre aspiriert werden, was zusätzlich zu Erstickungsanfällen führen kann.
Unter Umständen kann das Tier bei vollem Bewusstsein bleiben, da diejenigen Blutgefäße und Nerven, die das Gehirn versorgen zusammen mit dem Rückenmark innerhalb der Wirbelsäule liegen und so nicht durchtrennt werden. Durch das physiologische Phänomen, bei Blutungen die Körperdurchblutung auf Gehirn, Herz und Nieren zu reduzieren, gelangt noch ausreichend Blut ins Gehirn.
Nach Dr. med. Werner Hartinger bleibt das Tier, wenn es an den Hinterbeinen aufgehängt wird, bis zum vollständigen Ausbluten bei Bewusstsein, da das Gehirn in dieser Lage auch noch zusätzlich durch den orthostatischen Druck ausreichend versorgt wird.
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Das Tierschutzgesetz zum Thema Tötung von Tieren und Schächten
Paragraph 4a des Tierschutzgesetzes besagt, daß ein warmblütiges Tier nur geschlachtet werden darf, wenn es vor Beginn des Blutentzuges betäubt wird.
Allerdings sieht das Gesetz auch Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Zu diesen Ausnahmen gehört das Schächten. Im Gesetz ist als Bedingung für diese Ausnahme allerdings die Erteilung einer Genehmigung durch die zuständige Behörde genannt. Diese Ausnahmegenehmigung darf nur erteilt werden, wenn Vorschriften von Religionsgemeinschaften den Mitgliedern das Schächten zwingend vorgeschrieben wird oder es ihnen verboten ist, Fleisch nicht geschächteter Tiere zu essen.
Paragraph 4 u. 4a des TierschutzgesetzesDas Urteil von 1995 (BVerwGE 99, 1)
Eine Ausnahme von dem Verbot, warmblütige Tiere ohne Betäubung zu schlachten, kann nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG zum Zwecke der Nahrungsmittelverordnung nur zugelassen werden, wenn objektiv festgestellt wird, dass zwingende Vorschriften einer Religionsgemeinschaft den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere verbieten; eine individuelle Glaubensüberzeugung vom Bestehen eines solchen Verbots reicht nicht aus.
Dieses Urteil (BVerwGE 99, 1) fällte das Oberverwaltungsgericht Hamburg am 15. Juni 1995.
Nach Meinung des zuständigen Richters ergab sich, dass die zwingenden religiöse Vorschriften des Islam die Betäubung der Tiere vor der Schlachtung nicht verböten. Nach Aussagen maßgeblicher islamischer Rechtsgelehrter müsse bei einer Schlachtung nach den Geboten des Islam gewährleistet sein, daß das Tier während der Schlachtung noch Zeichen von Leben zeige. Verboten sei der Verzehr des Fleisches von Tieren, die vor der Schlachtung getötet worden oder tot gewesen seien. Diesen Anforderungen werde eine Elektrobetäubung der Tiere gerecht.
Muslime gehören keiner Religionsgemeinschaft an, die ihren Mitgliedern durch zwingende Vorschriften den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagt.
§ 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG läßt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von dem in § 4 a Abs. 1 TierSchG ausgesprochenen Verbot des betäubungslosen Schlachtens nur insoweit zu, als es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich des Tierschutzgesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft als Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen.
Das Urteil von 2002 (1 BvR 1783/99)
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am 15.Januar 2002 die Gerichtsentscheidungen des Oberverwaltungsgerichts - BVerwGE 99,1- vom 15. Juni 1995 aufgehoben.
Das Urteil und damit die Aufhebung des bestehenden Schächtverbots, ist das Resultat auf die Klage eines türkischen Schlachters, der gegen das bestehende Verbot, Tiere für die Gewinnung von Fleisch für Angehörige des muslimischen Glaubens schächten zu dürfen, geklagt hat.
In der Erklärung des Gerichts hieß es:
Die Behörden und die Verwaltungsgerichte haben die Notwendigkeit und die Möglichkeit einer verfassungsgemäßen Auslegung des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 TierSchG verkannt und sind daher bei der Anwendung der Ausnahmeregelung vom Schächtverbot zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung des genannten Grundrechts gelangt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kunden des Klägers sowie dieser selbst, einer Religionsgemeinschaft im oben dargestellten Sinne angehören, die von ihnen die Beachtung des Schächtgebots zwingend verlangt, und dass dem Beschwerdeführer bei Zugrundelegung eines derartigen Sachverhalts die begehrte Genehmigung erteilt worden wäre, damit er den Kunden und sich selbst den Genuss des Fleischs geschächteter Tiere ermöglichen kann. Dadurch, dass das Gesetz Ausnahmen vom Betäubungsgebot nur unter diesen Voraussetzungen zulässt, wird zwangsläufig die Zahl der in Betracht kommenden Ausnahmen verringert.
Das Urteil in den Augen von Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast
Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.Januar 2002 als wichtige Entscheidung zum Verhältnis von Tierschutz, Religionsfreiheit und der Freiheit der Berufsausübung begrüßt. Durch dieses Urteil sei klar geworden, dass die Regelungen zum Schächten, wie sie im Tierschutzgesetz verankert sind, auch verfassungskonform sind. Sie wertete dieses Urteil als einen Erfolg für den Tierschutz, da damit ein strenger Rahmen für die eng begrenzten Ausnahmeregelungen geschaffen sei. Nach dem Urteil sind die Behörden der Länder aufgefordert, Genehmigungsanträge verfassungskonform zu prüfen und zu bescheiden.
Fachlich korrekt durchgeführtes Schächten kann akzeptiert werden, da es nicht zwingend die tierschutzrechtlich gesetzten Grenzen für Leiden und Schmerzen der Tiere verletze.
Es habe sich erneut gezeigt, wie wichtig die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz sei. Sie äußerte sich erfreut über die geplante Wiederaufnahme der Diskussion mit den Koalitionsfraktionen über die Integration des Tierschutzes ins Grundgesetz. Dieses Bekenntnis des Staates zum ethisch begründetenTierschutz sei überfällig.
Schächten im Judentum
Der jüdische Glaube erlaubt den Verzehr von Fleisch nur, wenn es
koscher ist, das heißt rein, bzw. tauglich für den menschlichen Genuss.
Das Fleisch darf nur von wiederkäuenden Paarhufern stammen, nicht von Schweinen, da diese als unrein gelten.
Es muss frei von Blut und Häuten sein. Dies wird durch das Ausbluten, das Entfernen sämtlicher Gefäße und das Wässern des Fleisches erreicht. Anschließend wird es in Salz eingelegt und danach nochmals gespült. Erst jetzt ist es koscher und zum Verzehr zugelassen.
Auch der Schächtvorgang unterliegt strengen Vorschriften.
Er darf nur von einem Schochet (Schächter) vorgenommen werden, der eine mehrjährige Ausbildung hinter sich hat.
Dieser untersucht zunächst das Tier. Es muss gesund, frei von Verletzungen und nicht tragend sein.
Das Messer, das sehr scharf und kerbenfrei sein muss, wird sorgfältig geprüft. Dann wird über diesem ein Gebet gesprochen und um Mut und Stärke gebeten.
Das Tier wird niedergelegt (nicht geworfen) und das Schächten hat mit nur einem schnellen, tiefen Schnitt zu erfolgen.
Danach wird das Messer gereinigt und wieder geprüft.
Wird auch nur eine dieser Bedingungen nicht eingehalten, ist das Fleisch als untauglich zu verwerfen.
Die Nerven und Sehnen des Hüftgelenks sowie Talg und Fett werden nicht gegessen.
Hinweis:
Wie in allen Religionen gibt es auch im Judentum und im Islam orthodoxe und gemäßigte Gläubige.
Ob die Vorschriften bei rituellen Schlachtungen eingehalten werden, hängt somit vom Umfeld, Land, der Gemeinde (also im Endeffekt vom Verbraucher und seinen Wünschen) und auch sehr stark vom Schlachter/Schächter persönlich ab.
Das Vetion.de-Team bedankt sich bei Alice Kernmaier
Schächten im Islam
Im Islam werden Tiere nicht nur zum Verzehr, sondern auch als Opfertiere geschlachtet.
Auch hier gelten strenge Vorschriften im Bezug auf die rituelle Tötung.
Schweine gelten als unrein, werden also werden geschlachtet noch geopfert.
So ist es beispielsweise verboten ein Tier in Anwesenheit eines anderen Tieres zu schlachten. Es muss verhindert werden, dass das Tier die Todesschreie anderer Tiere hört. Ebenso darf das Schärfen des Messers bzw. das Vorbereiten der Schlachtutensilien darf nicht in Anwesenheit des Schlachttieres geschehen und das Messer, bzw. die Schlachtutensilien dürfen nicht im Blickfeld des Tieres liegen, um dem Tier unnötigen Stress zu ersparen.
Vor der Schlachtung wird ein Gebet über dem Tier gesprochen. Beim Schlachtvorgang selbst ist es vorgeschrieben, dass der Schlachter sich für jedes Tier ausreichend Zeit nimmt. Zunächst wird das Tier durch Streicheln, gutes Zureden und Anbieten von Essen und Trinken beruhigt. Erst wenn das Tier ruhig und entspannt ist, wird es in Richtung Mekka gelegt und zum Schnitt angesetzt. Dieser muss schnell und professionell ausgeführt werden. Das Messer muss sehr scharf sein und nach jedem Schächtvorgang neu geschärft werden, damit mit einem einzigen Schnitt Luftröhre, Speiseröhre und die beiden Halsschlagadern durchtrennt werden.
Hinweis:
Wie in allen Religionen gibt es auch im Judentum und im Islam orthodoxe und gemäßigte Gläubige.
Ob die Vorschriften bei rituellen Schlachtungen eingehalten werden, hängt somit vom Umfeld, Land, der Gemeinde (also im Endeffekt vom Verbraucher und seinen Wünschen) und auch sehr stark vom Schlachter/Schächter persönlich ab.
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