Schmallenberg Virus

Einleitung

Seit August 2011 erh�hte sich die Zahl eingesendeter Proben von Rindern bei den Landesuntersuchungs�mtern in Nordrhein-Westfalen sowie in den angrenzenden Niederlanden deutlich. Der Grund war ein schlagartiger R�ckgang der Milchleistung, Fieber und vor allem in den Niederlanden stark w�ssriger Durchfall. Es wurde vermutet, dass wom�glich ein neuer BTV Subtyp grassierte.

Alle durchgef�hrten Untersuchungen sowohl in Deutschland sowie in den Niederlanden blieben jedoch ergebnislos. Es konnte kein Virus gefunden werden. Erst Mitte November ist es dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) gelungen, Sequenzen eines Virus zu isolieren, das �hnlichkeit mit Viren aus dem AKABANE-Komplex (Genus: Orthobunyavirus, Simbu Serogruppe) hatte.
Aufgrund der Herkunft der Rinder, aus deren Blutproben das Virus isoliert werden konnte, nannte man es Schmallenberg Virus, nach dem beschaulichen Ort Schmallenberg im Sauerland.

Es ist ein deutliches West-Ost- und Nord-S�d-Gef�lle zu erkennen
Inzwischen ist das Schmallenberg Virus au�er in Deutschland und den Niederlanden auch in Gro�britannien, Frankreich, Italien, Luxemburg und Belgien bei Rindern, Schafen und Ziegen nachgewiesen worden. In Deutschland sind bis auf Bremen inzwischen alle Bundesl�nder betroffen. Dabei f�llt ein deutliches West-Ost- und Nord-S�d-Gef�lle bei der Pr�valenz aus. Bis 9. M�rz 2012 wurde das Virus in Deutschland bei gut 900 Tieren nachgewiesen, in Europa sind es rund 1800 F�lle.

Das FLI aktualisiert jeden Abend die Fallzahlen im Internet .

Eine Deutschlandkarte zur Verbreitung der F�lle finden Sie hier.

Epidemiologische Unterschiede zeigen � wie zu erwarten - eine klare H�ufung in Gebieten mit hoher Viehdichte.

Inzwischen macht das Virus jedoch weniger aufgrund von Erkrankungen bei adulten Rindern auf sich aufmerksam, sondern vielmehr durch Geburten mehr oder weniger stark missgebildeter oder tot geborener L�mmer und K�lber.

Bei den Schafen scheint der erste Peak der Erkrankung durch vorbei zu sein, was mit der ausklingenden Ablammsaison zu erkl�ren ist. Da es bei den Rindern keine so starke geburtensaisonalit�t existiert, ist bislang ein solcher Peak der Erkrankung nicht erkennbar gewesen.

Experten hoffen auf eine sich schnell ausbildende nat�rliche Immunit�t der Tiere, da an einem Impfstoff zwar intensiv gearbeitet wird, dieser vermutlich jedoch nicht vor 2014 zur Verf�gung stehen wird.

Solange wie kein Impfstoff zur Verf�gung steht, sollten die Tiere unbedingt gegen Insekten gesch�tzt werden. Hierf�r stehen Pour- On-Pr�parate, Ohrclips und spezielle Weidenetze zur Verf�gung.

F�r den Menschen besteht nach derzeitigen Erkenntnissen keine Gefahr.

Mehr zur Erkrankung, dem Virus und m�glichen Bek�mpfungsma�nahmen lesen Sie in diesem Fokusthema.

Erreger & Verbreitung

Elektronemmikroskopische Aufnahme des Schmallenber Virus des FLI.

Das im November 2011 von Dr. Bernd Hofmann vom FLI identifizierte Virus geh�rt Simbu Serogruppe des Genus Orthobunyavirus. Hierzu geh�ren auch das Akabane-, das Shamonda- und das Aino-Virus, die alle aus Afrika, Asien und Australien bekannt sind. Wie es das verwandte Schmallenberg Virus nach Mitteleuropa geschafft hat, ist bislang noch unklar. Denkbar w�re, dass mit dem Virus infizierte Gnitzen mit Hilfe des Windes hierher gelangten oder aber es mit Waren wie Blumen, Obst und Gem�se nach Europa kam bzw. durch den Import infizierter Tiere eingeschleppt wurde.
Es wird vermutet, dass der Virus w�hrend des Winters in Gnitzen �berlebt, die ihrerseits den Winter im warmen Stall �berstehen (Clausen 2012).

Das Schmallenberg Virus ist ein etwa 100 nm gro�es RNA-Virus, das ein aus drei Segmenten (S, M, L) bestehendes Genom besitzt, das f�r mindestens f�nf Proteine kodiert.

Anfang M�rz ist es Forschern aus dem FLI FLI gelungen, das Schallenberg Virus zu visualisieren.

Das Virus wird durch Stechm�cken und winzige Gnitzen der Gattung Culicoides auf Wiederk�uer �bertragen. Orale Infektionsversuche oder Infektionen bei Kontaktieren verliefen negativ und es gibt keine Hinweise auf eine transovarielle oder transplazent�re �bertragung des Virus (Clausen 2012).

Epidemiologische Berechnungen ergaben, dass die Konzeption des ersten infizierten Rindes bereits im Januar 2011 erfolgt sein muss, w�hrend sich das erste nachvollziehbare Schaf im Dezember 2011 infiziert hat.

Bei Schafen scheint der Gipfel der Erkrankung nach einem Peak zwischen der 52. Kalenderwoche (KW) 2011 und der 9. KW 2012 nun vor�ber zu sein. Bei Ziegen war ein Peak zwischen der 6. und 8. KW 2012 erkennbar, w�hrend bei Rindern die Zahl der missgebildeten K�lber, die auf eine Infektion mit dem Schmallenberg Virus zur�ckgehen, seit der KW 7/2012 ansteigen. Hier wird jedoch auf Grund der weniger ausgepr�gten Geburtensaisonalit�t nicht mit einem so deutlichen Peak gerechnet (Conraths 2012).

Klinik & Patho

Missbildungen bei einem Lamm durch das Schmallenberg Virus

W�hrend bei adulten Schafen und Ziegen bislang keinerlei Symptome beobachtet werden konnten, zeigen adulte Rinder f�r einen Zeitraum von wenigen Tagen (7-11) Symptome wie hohes Fieber von bis zu 41 Grad Celsius, w�ssrigen Durchfall und tempor�r deutlich absinkende Milchleistung. Erfolgt die Infektion jedoch w�hrend der vulnerablen Zeit der Tr�chtigkeit, ist dies f�r die Foeten sehr viel folgenreicher. Je nach dem, in welchem Tr�chtigkeitsstadium die Infektion erfolgt, entwickeln die Foeten mehr oder weniger schwere Missbildungen (Heimberg 2012).

Auff�llig sind vor allem Arthrogrypose, Torticollis, Brachygnathie und Hydranencephalus sowie andere Missbildungen in Gehirn und R�ckenmark. Jedoch sind die Missbildungen sehr vielf�ltig und kein Tier kann mit einem anderen verglichen werden.

Beim Schaf bewirkt eine Infektion zwischen dem 1. und 28. Tag eine Resorption des Embryos bzw. einen Abort. Nach dem 28. Tag kommt es in der Regel zu mehr oder weniger schweren Missbildungen, da das Virus die Nervenvorl�uferzellen zerst�rt (Heimberg 2012). Es kommt u.a. zu einem Verlust der ventralen Neuronen und somit wird die Muskulatur nicht mehr stimuliert. Die wiederum f�hrt zu Verkr�mmungen der Gelenke (Gruber 2012). Weiterhin kommt es h�ufig zu Fr�h- oder Totgeburten, mumifizierten Fr�chten und Aborten. Die durch die Viren der Simbu-Serogruppe verursachten Missbildungen werden als "Arthrogrypose-Hydrancephalie-Syndrom" (AHS) bezeichnet.

Infiziert sich das Muttertier nach dem 56. Tag der Tr�chtigkeit, kommen die L�mmer augenscheinlich gesund auf die Welt, fallen dann aber sp�ter h�ufig durch eigenartiges Verhalten auf. Sie wirken zur�ckgeblieben, folgen der Mutter nicht oder k�nnen das Euter nicht aufsuchen (Heimberg 2012).

Auff�llig ist, dass bei Zwillingen ein Tier schwer missgebildet und das andere v�llig normal entwickelt sein kann.

Beim Rind wird die vulnerable Zeit auf den Zeitraum zwischen der 8. Und der 14 Woche gesch�tzt.

Bek�mpfungsma�nahmen

Derzeit wird zwar mit Hochtouren an einer Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Schmallenberg Virus gearbeitet, mit eine Zulassung wird jedoch nicht vor dem Jahr 2014 gerechnet. Bis dahin sollten die Tiere vor einer Infektion mittels Ektoparasitika gesch�tzt werden. Diese stehen in Form von Ohrclips und Pour-on Pr�parate zur Verf�gung. Au�erdem sind Versuche mit speziell pr�parierten Weidenetzen sehr vielversprechend verlaufen (Clausen 2012).

Um Entsch�digungszahlungen von der EU zu erhalten, muss die Erkrankung vorher in die Liste der internationalen Tierseuchen eingetragen oder im Anhang der EU-Verordnung f�r Ausgaben im Veterin�rbereich 90/424/EWG aufgef�hrt werden.
F�r einen solchen Schritt setzen sich vor allem Deutschland und die Niederlande ein, doch agiert die EU-Kommission hier bislang zur�ckhaltend, da ein Eintrag und Beihilfezahlungen die Drittl�nder, die derzeit wegen des Virus bereits Importverbote verh�ngen, noch mehr sensibilisieren (Krieger 2012).

Tierarten Spezial

Schmallenberg Virus � aktuelle Information >>>
von Team Bestandsbetreuung Klinik f�r Wiederk�uer, Vetmeduni Vienna

Aus aktuellem Anlass gab die FVE (Federation of Veterinarians of Europe) in Br�ssel eine Presseaussendung an alle Veterin�re heraus, in der zur erh�hten Aufmerksamkeit f�r das neu entdeckte Schmallenberg Virus (European Shamonda-like Orthobunyavirus) aufgerufen wurde.
Das Virus, benannt nach einer Stadt im Sauerland/Deutschland, wurde bei einem ersten Fall im August 2011 beobachtet. Inzwischen wurden Erkrankungsf�lle bei Rindern, Schafen und Ziegen in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Gro�britannien und Frankreich bekannt. Ob andere Spezies oder auch Wildwiederk�uer betroffen sein k�nnen, ist bis dato zwar zu vermuten, aber nicht belegt. Der �bertragungsweg des Virus erfolgt prim�r �ber bei�ende und stechende Insekten, wie Gnitzen und Stechm�cken.
Die Infektion der aktuellen F�lle erfolgte vermutlich im letzten (Sp�t-)Sommer bis Herbst. Neugeborene der genannten Spezies litten unter angeborenen Ver�nderungen wie Torticollis oder Hydrozephalus, aber auch Aborte, Mumifizierungen oder Fr�hgeburten k�nnen auftreten. Erwachsene Rinder zeigen milde Symptome mit Fieber, Durchfall und Milchleistungsabfall. Von Erkrankungsbildern bei erwachsenen kleinen Wiederk�uern wurde bisher nicht berichtet. Die vir�mische Phase der Infektion betr�gt nur 1 bis 6 Tage. Gef�hrdet sind tr�chtige Tiere, abh�ngig von der Spezies, vor allem zwischen dem 28. bis 56. (Schaf) beziehungsweise 75. bis 150. Tr�chtigkeitstag.
Die Diagnose der Infektion kann mittels eines PCR oder einer Viruskultivierung aus Serum- oder ETDA-Proben erfolgen. Die Blutproben m�ssen aber in der vir�mischen Phase gezogen werden. Ein ELISA-Test, zur Erkennung von Antik�rper, wird gerade entwickelt. Des Weiteren k�nnen Gehirnproben von F�ten, Totgeburten oder missgebildeten K�lbern und L�mmern herangezogen werden. Es wird angenommen, dass infizierte Tiere eine Immunit�t gegen�ber einer erneuten Infektion ausbilden. Wie lange diese andauert, ist bisher jedoch unklar. Eine M�glichkeit zur Impfung besteht aktuell nicht. Nach bisherigem Kenntnisstand ist nicht von einem Risiko f�r Menschen auszugehen.

Unser Fazit: Die Infektion mit dem Schmallenberg Virus stellt die Beh�rden, praktische Tier�rzte sowie Landwirte vor eine neue Herausforderung. Klinische Verdachtsf�lle sollten sofort den Veterin�r�mtern gemeldet werden. Der Schutz vor Vektoren (Gnitzen, Stechm�cken) stellt zurzeit die einzige Bek�mpfungsstrategie dar. (hp)

Quelle: Information of the Friedrich-Loeffler-Institut (last update 31 January 2012); report of the FVE (12/PR/003).

Weitere Links: Federation of Veterinarians of Europe www.fve.org; World Organisation for Animal Health (OIE) www.oie.int


Links / Literatur

Bearbeitet von:
Team Bestandsbetreuung Klinik f�r Wiederk�uer, Vetmeduni Vienna

Homepage

Literatur

1 Gnitzen - potentielle Vektoren und deren Bek�mpfung

  PD Dr. Peter-H. Clausen
  FU-Informationsveranstaltung zur Schmallenberg-Virus Infektion bei Schafen, Ziegen und Rindern am 8. M�rz 2012 in Berlin


2 Epidemiologische Situation in Deutschland und den anderen betroffenen EU-Mitgliedsstaaten

  PD Dr. Franz J. Conraths
  FU-Informationsveranstaltung zur Schmallenberg-Virus Infektion bei Schafen, Ziegen und Rindern am 8. M�rz 2012 in Berlin


3 Pathomorphologie, Pathogenese und Differentialdiagnose SBV-assoziierter Missbildungen

  Univ.-Prof. Dr. Achim D. Gruber
  FU-Informationsveranstaltung zur Schmallenberg-Virus Infektion bei Schafen, Ziegen und Rindern am 8. M�rz 2012 in Berlin


4 Krankheitsanzeichen bei Rindern und Schafen; Infektion tragender Tiere

  Dr. Peter Heimberg
  FU-Informationsveranstaltung zur Schmallenberg-Virus Infektion bei Schafen, Ziegen und Rindern am 8. M�rz 2012 in Berlin


5 Nachweis und Charakterisierung des Schmallenberg-Virus

  Dr. Bernd Hoffmann
  FU-Informationsveranstaltung zur Schmallenberg-Virus Infektion bei Schafen, Ziegen und Rindern am 8. M�rz 2012 in Berlin


6 Novel Orthobunyavirus in Cattle, Europe, 2011

  Bernd Hoffmann et al.
  Emerging Infectious Disease Journal, 3/2012
  Website


7 Schmallenberg-Virus Infektion aus tierseuchenrechtlicher Sicht

  Dr. Rolf Krieger
  FU-Informationsveranstaltung zur Schmallenberg-Virus Infektion bei Schafen, Ziegen und Rindern am 8. M�rz 2012 in Berlin


8 Entwicklung eines Impfstoffes

  Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Osterrieder
  FU-Informationsveranstaltung zur Schmallenberg-Virus Infektion bei Schafen, Ziegen und Rindern am 8. M�rz 2012 in Berlin