Mit der Vorsitzenden des Bundesverbandes Tiermedizinisches Praxismanagement im Interview
Kathrin Siemer hat in den Niederlanden „Tiermanagement“ studiert und ist seit 20 Jahren geschäftsführende Praxismanagerin in der Tierklinik Lüsche. Ihrer Meinung nach, können gut ausgebildete nicht-tierärztliche Praxismanager:innen viele tierärztliche Aufgaben übernehmen und so dazu beitragen, den Fachkräftemangel und die damit verbundene Versorgungslücke in deutschen Tierarztpraxen und -kliniken zu lösen. Diese Spezialisierung böte sich etwa für Tiermedizinische Fachangestellte (TFAs) an. Siemer hat erlebt, dass in anderen Ländern Praxismanager:innen eine zentrale Rolle in tierärztlichen Praxen und Kliniken einnehmen und gut vernetzt sind – in Deutschland seien Praxismanager:innen in Tierarztpraxen bisher noch oft Alleinkämpfer und die Ausbildung ist nicht geregelt. Das möchte sie mit ihrem vor wenigen Jahren gegründeten “Berufsverband Tiermedizinisches Praxismanagement“ (TPM) ändern. Dieser soll Anlaufstelle für Fortbildungen und Erfahrungsaustausch sein. Im Interview mit Dr. Julia Henning von Vetion.de spricht sie über die Ideale des Verbandes und den am 9. und 10. Juni 2023 anstehenden 2. TPM-Kongress.
Sie sind die Vorsitzende des Vereins „Bundesverband Tiermedizinisches Praxismanagement“ (TPM). Seit wann gibt es diesen Verband?
Der TPM wurde im November 2021 durch rund 20 Praxismanager deutschlandweit gegründet. Vorausgehend war eine 4-monatige Vorbereitung, in der wir die Satzung, das Ziel und natürlich auch die Veröffentlichung in einer Arbeitsgruppe gemeinsam zu Papier gebracht haben. Daraus entstanden ist ein Berufsverband mit derzeit 5 Vorstandsmitgliedern und diversen Arbeitsgruppen.
Was haben Sie seitdem erreichen können?
Nach nunmehr 1,5 Jahren haben wir mittlerweile 150 Mitglieder für unseren Verein gewinnen können. Damit hatte ich persönlich so schnell nicht gerechnet!
Die Mitglieder in unserem Berufsverband haben einen unterschiedlichen Hintergrund, teilweise sind es Tierärzte und Praxisinhaber, dann natürlich auch reine Praxismanager sowie TFAs, die einen Großteil ihres Jobs in der Organisation, Strukturierung, Verwaltung und Mitarbeiter-Verantwortung haben.
Wir bieten unseren Mitgliedern einen regen Austausch und viel Diskussion und Kommunikation mithilfe einer App. Diese Option wird wirklich tagtäglich genutzt. Dadurch entstehen tolle Fragen, Inspirationen, Ideenaustausch und manchmal findet man auch einfach nur „ein offenes Ohr“ in der Runde. Das ist der Vorteil eines eher kleineren Berufsverbandes, so kennt man sich größtenteils noch persönlich.
Des Weiteren haben wir einmal monatlich einen sogenannten „Monats-Call“, das ist eine abendliche Online-Veranstaltung, zu der jedes Mal ein Referent mit einem interessanten Praxismanagement-Thema geladen wird. Auch an diesen Abenden wird in der Runde viel diskutiert und sich ausgetauscht. Diese Treffen sind immer sehr lehrreich!
Aber natürlich geht nichts über den persönlichen Austausch, daher haben wir bereits im letzten Sommer unseren ersten TPM-Kongress veranstaltet, der in diesem Jahr wiederholt werden soll.
In diesem Jahr findet der TPM-Kongress am 9. und 10. Juni in Glashütten statt. Was ist das Ziel dieses Kongresses?
Ziel des Kongresses ist vor allem das persönliche Treffen der Teilnehmer, ein guter, interessanter Austausch, für den wir im Laufe der zwei Tage auch genügend Zeit eingeplant haben.
Was erwartet die Teilnehmer:innen und wen genau möchten Sie als Teilnehmer:innen erreichen?
Wir haben Themen ausgesucht, die die gesamte Bandbreite der tierärztlichen Praxis betreffen: von der Mitarbeiterkommunikation über Konfliktmanagement bis hin zu Marketing und Arbeitssicherheit ist alles dabei.
Dabei sind nicht nur Mitglieder geladen. Das Programm richtet sich an alle Interessierten der Branche. So können sich gern alle Tierärzte und TFAs anmelden und alle, die einfach nur Interesse an PM-Themen haben und gern dabei sein möchten.
Warum ist Ihnen das Thema Praxismanagement so ein persönliches Anliegen für das Sie sich so engagieren?
Als ich meinen Job als Praxismanagerin vor 20 Jahren in der Tierklinik Lüsche begann, hatte ich das Gefühl „allein auf der Welt zu sein“ mit meinen tagtäglichen Herausforderungen und Problemen. Erst im Laufe der Jahre habe ich erfahren, dass sich der Beruf des PM in anderen Ländern, zum Beispiel in den USA und England wie auch den Niederlanden bereits seit vielen Jahren etabliert hat und dort häufig eine wichtige und verantwortungsvolle Position in der tierärztlichen Praxis einnimmt. Davon habe ich mir in der Vergangenheit viel abgeschaut und durfte einige internationale Kongresse und Fortbildungsveranstaltungen besuchen. Das hat mir in meiner persönlichen Entwicklung sehr geholfen. Genau dies möchte ich nun auch den jungen PM in Deutschland bieten und dadurch auch den Beruf des PM hierzulande attraktiver und bekannter machen. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass es in wenigen Jahren keine Praxis mehr ohne geben wird!
Können beispielsweise TFAs, die durch Weiterbildung und mehr Kompetenzen als Praxismanager:innen spezialisiert wurden, kurz- und mittelfristig auch einen Teil des Problems Fachkräftemangel bei den Tierärzt:innen lösen?
Absolut! Das Phänomen beobachte ich schon seit einiger Zeit!
Wenn Tierärzte und Praxisinhaber erst einmal die Vorteile und Verbesserungen durch den Einsatz eines PM für sich in der eigenen Praxis erkannt haben und entsprechend auch Kompetenzen übergeben, entwickeln sich viele junge PM zu sehr verantwortungsvollen Führungskräften, die gemeinsam mit dem Inhaber bzw. Geschäftsführer ein Team bilden können.
Wichtig hierfür ist, dass wir in Deutschland ein Berufsbild etablieren, das den Nachwuchskräften einen roten Faden an die Hand gibt und das allgemeine Anerkennung in der Branche findet. Hierfür haben wir bereits seit einem guten Jahr den berufsbegleitenden Studiengang an der Hochschule Neu-Ulm für Praxismanager etabliert und arbeiten derzeit sogar an einem Bachelor-Studiengang.
Ich wünsche Ihnen ganz viel Erfolg bei Ihrer weiteren Arbeit und nun erstmal vor allem für den Kongress!