Borna-Viren als unerkannte Gefahr

Prof. Hanns Ludwig forscht seit fast 50 Jahren am 
Borna-Virus bei Mensch und Tier

Prof. Hanns Ludwig forscht seit fast 50 Jahren am 
Borna-Virus bei Mensch und Tier
Prof. Hanns Ludwig forscht seit fast 50 Jahren am Borna-Virus bei Mensch und Tier

Die Bornasche Krankheit ist vor allem beim Pferd 
beschrieben und geht einher mit Somnolenz, 
Fressunlust und Bewegungsst�rungen
Die Bornasche Krankheit ist vor allem beim Pferd beschrieben und geht einher mit Somnolenz, Fressunlust und Bewegungsst�rungen

Das Borna-Virus geh�rt zu den RNA-Viren und 
persistiert viele Monate bis Jahre in den 
Nervenzellen ehe es etwa durch Stress aktiviert 
wird
Das Borna-Virus geh�rt zu den RNA-Viren und persistiert viele Monate bis Jahre in den Nervenzellen ehe es etwa durch Stress aktiviert wird

Borna-Viren sind zwar als Krankheitserreger beim Pferd und teilweise bei Schafen Tier�rzten seit langem bekannt, dass sie scheinbar an schweren Depressionen beim Menschen beteiligt sind, ist vielen �rzten und Psychiatern jedoch immer noch nicht bewusst. Prof. Hanns Ludwig forscht seit fast 50 Jahren an Borna-Viren bei Mensch und Tier und stellte seine aktuellsten Ergebnisse am Mittwoch, 10. Mai, in Berlin vor.

Bei Pferden konnten Borna-Viren endemisch nachgewiesen werden und k�nnen durch nicht- eitrige Entz�ndungen im Gehirn Somnolenz, Apathie, Fressunlust, Gangunsicherheit sowie Zwangsbewegungen verursachen. Ob es sich bei dem Virus jedoch um einen untersch�tzen Zoonoseerreger handelt, der Menschen durch selbigen Mechanismus Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit und eben auch Depressionen, mit eventuell einhergehenden Suizidgedanken, ausl�st, wird derzeit diskutiert. Viele Zusammenh�nge sind hier noch unklar und geforscht wird wenig. Dennoch sollten auch praktische Tier�rzte diese Viren sowie andere Zoonoseerreger wie Borrelien und Bartonellen im Hinterkopf haben, wenn Patientenbesitzer unabh�ngig von einer Erkrankung ihres Tieres �ber depressive Symptome klagen.

Jedes zweite Pferd und jeder dritte Mensch sind infiziert

Die Bornasche Krankheit (BDV) bekam nach einer Epidemie unter Pferden in der Leipziger Region Ende des vorletzten Jahrhunderts ihren Namen und ist meldepflichtig. In der Pferdepopulation in Deutschland spricht man heutzutage von einem Durchseuchungsgrad von 60 Prozent. Durch Stress wie Umstallung und Tr�chtigkeit, aber auch Schw�chung des Immunsystems durch andere Erkrankungen oder Impfungen, wird das Virus aktiviert � nach einer Inkubationszeit von Monaten bis Jahren. Etwa 10 Prozent aller Pferde hierzulande leidet immer wieder an Krankheitssch�ben, etwa 100 Pferde sterben j�hrlich daran (2010). Die �bertragungswege sind noch nicht vollst�ndig erschlossen, wahrscheinlich ist die Weitergabe des Virus �ber Nasensekret in den Bulbus olflactorius und Vektoren, ebenso die intrauterine.

Dass Borna-Viren von einem infizierten Pferd auf den Menschen �bertragen werden und den Symptomkomplex ausl�sen, h�lt Prof. Hanns Ludwig bei bisherigem Wissensstand f�r unwahrscheinlich. Der Tierarzt und emeritierter Professor aus Berlin forscht seit 1968 an den Borna-Viren, zun�chst am tierischen Patienten, sp�ter auch am Menschen. Er war Gr�nder und bis zu seinem Ruhestand Leiter des Instituts f�r Virologie des Fachbereichs Veterin�rmedizin an der Freien Universit�t Berlin. Nach der Beendigung seiner Lehrt�tigkeit an der Universit�t 2006, setzt der 79-J�hrige seine Forschung nun in China fort.

Eine unerkannte Zoonose?

Das Virus wird vor allem im Gehirn und Blut durch ELISA-Tests und RT-PCR nachgewiesen, �ber Antigen beziehungsweise den Nachweis von zirkulierenden Borna-Virus-spezifischen Immunkomplexen (sogenannten �CICs�) aus viralem Protein und Antik�rpern, wobei ein hoher Bluttiter keine schwere Erkrankung bedingen muss. Da beim bisherigen Virus-Nachweis keine Aussage zur Herkunft des Virus (humane oder equine Variante) gemacht werden kann, weil sich beide Virusvarianten zu 95 Prozent gleichen, schlie�t Prof. Ludwig eine �bertragung bei sehr engem Kontakt mit den N�stern des Tieres nicht g�nzlich aus: �Wenn das Virus bei experimenteller �bertragung jeden Warmbl�ter infizieren kann, warum dann nicht auch den Mensch?�, weitere Forschung m�sste dazu betrieben werden.

Er macht jedoch auf eine andere, bisher wenig beachtete Problematik aufmerksam: Humane Borna-Viren stehen im Verdacht, Depressionen beim Menschen auszul�sen. Er sagt, jeder Dritte in der europ�ischen Bev�lkerung sei infiziert. Da das RNA-Virus jedoch ein persistierender Erreger ist, kommt es nicht in jedem Fall zur Erkrankung. Wie beim Pferd wird das in den Nervenzellen ruhende Virus erst bei Stress oder Immunsupression aktiviert. Dann beginnt es sich zu replizieren und l�st eine lymphatische Enzephalitis mit Anh�ufung von Immunzellen im limbischen System aus: �Das Borna-Virus sitzt also genau da, wo unsere Gef�hle gemacht werden.�

Borna-Viren als Ausl�ser von Depressionen

Damit bestehe f�r Prof. Ludwig ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen einer aktivierten Borna-Virus-Infektion und neuropsychatrischen Erkrankungen. Diese Theorie st��t in Fachkreisen jedoch nicht nur auf Unterst�tzer. Eine �ber zehn Jahre agierende Forschungsgruppe am Robert-Koch-Institut um Dr. Liv Bode, die sich mit dem Borna-Virus als Zoonoseerreger und Verursacher von neuropsychatrischen St�rungen beim Menschen befasste, wurde 2005 aufgel�st, da man den Nachweis von Borna-Viren beim menschlichen Patienten nicht zweifelsfrei garantieren konnte. Diese schlechte Nachweisbarkeit erschwere laut Prof. Ludwig die Borna-Virus- Forschung im Allgemeinen. Zudem tritt das Virus h�ufig als Mischinfektion auf, etwa mit Borrelien oder Bartonellen, die ihrerseits ebenso Ausl�ser von depressiven Erkrankungen sein k�nnen. Ob das Borna-Virus also ein alleiniger Verursacher neuropsychatrischer Erkrankungen ist oder durch die immunsupressive Wirkung etwa der Borrelien erst in Erscheinung tritt, ist derzeit ungekl�rt: �Wir k�nnen nicht behaupten, dass das Borna-Virus Depressionen ausl�st, aber es ist in 50 Prozent der F�lle involviert�, sagt Prof. Ludwig. Das betr�fe allein in Europa 15 Millionen Menschen.

Fest steht, dass Borna-Virus-infizierte Patienten mit affektiven St�rungen beschrieben sind, deren Symptome sich unter einer Behandlung von Amantadin verbesserten. Amantadin wurde urspr�nglich als Medikament zur Behandlung von Influenza eingesetzt, wirkt zudem effektiv antiviral gegen Borna-Viren, bei Tier und Mensch � selbst in einem schweren Stadium der Symptome.

Prof. Hanns Ludwig spricht von einem fehlenden Bewusstsein f�r Borna-Viren sowohl in der veterin�ren als auch in der humanen Medizin; die scheinbar einfache Behandlungsm�glichkeit mit Amantadin w�rde zu wenig genutzt. Er ist sich sicher: �Es bedarf noch weitreichender Forschung auf diesem Gebiet.�

Prof. Hanns Ludwig sprach �ber das Thema �Diagnose und Therapie von Borna-Virus- Aktivierung bei Mensch und Tier� im Rahmen einer infektiologischen Fortbildungsveranstaltung am 10. Mai 2017. Ausgerichtet wurde der Vortrag vom DEDIMED Labor f�r integrative Medizin in Berlin. Diese Einrichtung hat sich spezialisiert auf die Diagnostik und Therapie chronischer Infektionserkrankungen. Bisher war ein Schwerpunkt ihrer Arbeit die chronische Borreliose, ab Herbst soll die Borna-Virus- Diagnostik hinzukommen.

Sophia Neukirchner
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