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Bpt-Webinar zu Soforthilfen, Telemedizin, Kurzarbeit – Aufzeichnungen ab heute zugänglich!

03.04.2020

Zu dem am 30.3.2020 gemeinsam von bpt, ATF und Vetion.de durchgeführten Webinar zu SARS-CoV-2 / Covid-19: Aktuelle Themen und Antworten, schrieb der bpt: „Das gab’s noch nie: Ein Webinar für rund 500 Teilnehmer, das über Nacht augebucht war und noch dazu viel Anerkennung eingebracht hat für die schnelle Reaktion, wichtige Themen aufzugreifen und Fragen zu beantworten, die vielen unter den Nägeln brennen. (…)“
Eine Aufzeichnung des Webinars finden Sie auf myvetlearn.de und hier eine kurze Zusammenfassung.
Systemrelevanz aller Tierärzte
Tierärzte wurden aufgrund der intensiven Bestrebungen der Tierärzteverbände als systemrelevant eingestuft. Das betrifft auch Kleintier-, Pferde- und reine Fahrpraktiker. Das bedeutet, dass die Praxen auch bei verschärften Maßnahmen geöffnet bleiben dürfen. Den Anspruch auf Notbetreuung der Kinder regelt dennoch jedes Bundesland für sich.
bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder berichtete von den Bestrebungen des Verbandes, tiermedizinische Labore in die Bearbeitung der Corona-Tests einzubeziehen, die teilweise bereits fruchteten – bis zu 70.000 Tests wöchentlich könnten so zusätzlich bearbeitet werden – und der Sichtung von Beatmungsgeräten, die aus der Tiermedizin der Humanmedizin zur Verfügung gestellt werden können.
Moder: „Es geht nicht mehr nur darum, die eigene Praxis am Laufen zu halten, sondern auch darum, die Humanmedizin zu unterstützen.“
Mehr Informationen dazu in exklusiven Interviews mit Dr. Elisabeth Müller (Laboklin).
Wir sind systemrelevant, um die „Grund- und Notfallversorgung der Tiere“ sicherzustellen. Was zu dieser Formulierung gehört, entscheidet jeder Tierarzt selbst. Heiko Färber, Geschäftsführer des bpt, schlug vor, die „Planbarkeit“ als Maßstab zu erheben, was verschoben werden kann und was nicht. Welche Impfungen notwendig sind, solle auch
jeder selbst entscheiden. Gleiches gilt für Behandlungen im Großtierbereich ohne ausreichende Möglichkeit des Infektionsschutzes und mit telemedizinischen Hilfestellungen (Telefon, Videokonsultation, Bilder senden): Es bleibe auch mit Blick auf die Haftung ein stetiges Abwägen zwischen Veterinärmedizinischen Standards, nötiger Sorgfalt und
bestmöglicher Behandlung und dem Mindern des Infektionsrisikos für Mitarbeiter und Patientenbesitzer/Erfüllung der räumlichen Distanzierung als Strategie des RKI.
In der Musterberufsordnung der Bundesländer/TÄHAV steht, dass eine Behandlung eines Tieres oder Bestandes ohne vorherige „physische“ Untersuchung grundsätzlich unzulässig sei.
Diese zu ändern, wäre aufwändig und langwierig. Nun wird schnell reagiert und flexibel ausgelegt. Färber berichtet von Gesprächen mit dem BMEL und BMG am 24.3.2020, in denen klar herauskam, dass man sich in einer Ausnahmesituation befinde und deshalb besondere Maßstäbe angelegt würden. Somit darf man sich Telemedizinischer
Hilfsmittel bedienen. Das Fernbehandlungsverbot werde also für diese Zeit gelockert. Im Einzelfall entscheidet die Landestierärztekammer.
Färber: „Wir sollten die Telemedizin nun für uns Tierärzte nutzen und nicht-tiermedizinischen Anbietern nicht den Markt überlassen.“
Moog zu Telemedizin: „Gut begründen, gut dokumentieren und Mut haben!“ Gabriele Moog, Referentin der Geschäftsführung des bpt, sagte, die Telemedizin ist immer noch ein
„unbekanntes Terrain mit vielen Grauzonen“ und werde eine „Insellösung“ bleiben; man müsse bei der Telemedizin Datenschutz und Haftung im Blick behalten. Eine gute Dokumentation und Aufklärung des Tierhalters über die Grenzen und Risiken seien grundlegend. Auch die Haftpflichtversicherung vorher über das geplante Vorgehen zu informieren, könne nicht schaden.
Datenschutzrechtlich ist auf eine sichere Verbindung zu achten. Auch das Heilmittelwerbegesetz wurde angesprochen. Moog: „Natürlich dürfen Sie mit ihrem telemedizinischen Angebot auf Ihrer Homepage werben!“
Auch bei der Abrechnung könne man die GOT flexibel auslegen. §7 lässt Analogien zu, z.B. zu telefonischer Beratung oder Gutachten erstellen. Wenn kein Notdienst bestehe, dann 1-3-fache Anwendung.
Versand von Arzneimitteln weiterhin Grauzone, aber nicht grundsätzlich verboten
Zum Versenden von Arzneimitteln, was ohne vorherige Konsultation laut AMG ebenfalls unzulässig wäre, sagte Färber: „Wenn es sich dabei um Ihnen gut bekannte, nicht-lebensmittelliefernde Tiere handelt, ist das zulässig.“
Marcus Langen, Vorsitzender der bpt-Fachgruppe Lebensmittel, gab Hinweise über die Umsetzung der Hygieneregeln in der tierärztlichen Praxis. Diese orientierten sich an den bereits kommunizierten Regeln der Vermeidung jeglichen unnötigen Kontaktes (leeres Wartezimmer, Besitzer draußen) und regelmäßiger Reinigung von Kontaktflächen. Auch hier spielt die Aufstellung eines Maßnahmenplanes und die Dokumentation der Umsetzung eine wichtige Rolle, denn es gehe darum, dem Gesundheitsamt im Zweifelsfall darlegen zu können, was man zur Minderung der Kontaktzeit zwischen Personen getan hat. Nach neuesten Richtlinien des RKI gelte nun die Sonderreglung für systemkritische Berufe, wie die Tierärzte es sind, dass nicht in jedem Fall die gesamte Praxis geschlossen und unter Quarantäne gestellt werden muss. Der Grundsatz der Gesundheitsämter ist, wer zur „Kontaktgruppe 1“ laut RKI (kumulierte Kontaktzeit von 15 Minuten mit dem Infizierten) gehört, muss in Quarantäne. Wenn der Besitzer ausschließlich für eine schnelle Bezahlung an den Tresen kommt, dürfte das unter 15 Minuten bleiben. Proaktiv an Gesundheitsbehörde wenden: Schließung der Praxis vorbeugenEs habe sich als hilfreich erwiesen, wenn man die eigenen Maßnahmen zur Kontaktreduzierung prophylaktisch dem zuständigen Gesundheitsamt übermittelt, prüfen lässt und daraufhin geforderte
Nachbesserungen umsetzt. Denn im Ernstfall entscheidet dieses Gesundheitsamt auch über die Umsetzung der Quarantäne.
Er verwies auch auf die Desinfektionsmittelliste des RKI und die nachträgliche Aufnahme von 70-prozentigem Isopropanol als wirksam gegen Sars-CoV-2. Wirksam seien demnach alle Desinfektionsmittel mit der Aufschrift „begrenzt viruzid“, „begrenzt viruzid plus“ und „viruzid“.
Kurzarbeit: Voraussetzungen gelockert, Berechnung und Auszahlung beim Arbeitgeber Jörg Tietze, Notar und Anwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt Arbeitsrecht i.R., sprach ausführlich über die Kurzarbeit als geeignete Maßnahme, um Einkommensengpässe der Praxis abzufedern. Hierbei muss mit jedem Mitarbeiter eine Einzelvereinbarung geschlossen werden, in der die reduzierte Stundenanzahl und die Dauer der Kurzarbeit festgehalten ist. (Dieser Zeitraum kann auch unterbrochen werden.) Zu beachten ist auch, dass niemand zur Kurzarbeit gezwungen werden kann.
Die Kurzarbeit muss bei der zuständigen Arbeitsagentur angezeigt werden bis spätestens zum Letzten des Anfangsmonats. Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer die dann tatsächlich nur noch gearbeiteten Stunden (aufzeichnen!) mit allen Sozialabgaben normal weiter aus und 60 bzw. 67 Prozent des zum letzten Netto-Arbeitsentgelt (ohne Überstunden) fehlenden Lohnes (Differenz).
(Zusätzliche Erstattung einiger Sozialabgaben dabei aufgrund Corona.) Diesen zweiten Anteil kann der Arbeitgeber sich bis drei Monate nach der Auszahlung bei der Arbeitsagentur zurückholen. Eine freiwillige Aufstockung des so verringerten Einkommens für den Arbeitnehmer ist durch den Arbeitgeber auf eigene Kasse möglich.
Auszubildende können nur unter bestimmten Voraussetzung nach Schließung der Praxis auf Kurzarbeitsgeld gesetzt werden. (Die Ausbildung endet mit abgeschlossener Prüfung.) 450-Euro-Kräfte haben keine Möglichkeit zur Kurzarbeit (ggf. über Urlaub lösen?), Rentner auch nicht und auch nicht bereits gekündigte Mitarbeiter.
Kurzarbeitergeld erfordert einige Voraussetzungen. Eine wurde aufgrund der Pandemie für 2020 gelockert: Es müssen nur noch zehn Prozent der Angestellten von einer erheblichen Minderarbeit betroffen sein. Außerdem muss die Maßnahme unvermeidbar sein. Sie ist nicht unvermeidbar, wenn noch Resturlaub aus 2019 oder Überstunden abgebaut
werden können oder andere Arbeiten (Dokumentation zb) umverteilt werden können.Soforthilfen: „Vollzug vor Prüfung“
Gabriele Moog gab einen kurzen Einblick in die Hilfen der Bundesregierung bei finanziellen Nöten. mSoforthilfen, die nicht zurückgezahlt werden müssen, können bis zum 31.5. beantragt werden. Dafür muss klar dargelegt werden, dass Liquiditätsengpässe bestehen. Die einzelnen Bundesländer haben unterschiedliche Kriterien für die Vergabe und Höhe ausgeschrieben (9-30.000 €). Beispielsweise müssen nicht überall zuerst die Rücklagen angegangen werden.
Eine andere Maßnahme sind Steuerstundungen. Hier hat der bpt angeregt, dass die Prüfung der Voraussetzungen aufgrund der aktuellen Situation nach der Stundung folgen solle
(Prinzip „Vollzug vor Prüfung“).
Zugang zu Steuerstundungen, Bürgschaften und Krediten erleichtert
Stephan Jansen vom Verband Deutscher Bürgschaftsbanken erklärte gemeinsam mit Moog, wie Bürgschaften bei der Vergabe von Krediten durch die Hausbank helfen können. Erster Ansprechpartner für Kredite/Bürgschaftsanträge sollten der Steuerberater und die Hausbank sein. Bürgschaftsanträge (auch Teil des Krisenpaketes) können dann kostenlos online gestellt werden. Jansen rät dazu, bei der Berechnung des zu erwarteten Liquiditätsausfalls lieber etwas vorsichtiger zu planen, zum Beispiel für das nächste halbe Jahr keine Erträge bei gleichen Kosten und anschließend langsames Wachstum, denn „niemand kann das gerade abschätzen“. Ungenutzte Kredite könne man dann zurückgeben.
Der Zugang zu KfW-Unternehmerkrediten (ab 14.4.) und ERP-Gründerkredit (je über 5 Jahre Laufzeit, Rückzahlung staffelbar oder am Ende) ist in der aktuellen Situation ebenfalls erleichtert, kann jedoch gerade dadurch erschwert werden, dass erste Ansprechpartner (Hausbanken) überlastet oder unvorbereitet sind.
Moder: Studenten Praktika ermöglichen
Moder appellierte im Webinar zudem, man solle Studenten nach Beachtung infektionsschutzrechtlicher Grundsätze bei der Durchführung ihrer Praktika unterstützen.
Er erwähnte auch die geplante Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes: Im „Corona-Paket“ der Bundesregierung vom 23.3. sind speziell für die Land- und Ernährungswirtschaft – zu der auch Tierärzte gezählt werden dürften – Auflösung von täglichen und wöchentlichen Obergrenzen vorgesehen. „Wir leben in unruhigen Zeiten. Die Situation danach
wird eine andere sein als zuvor. Bleiben Sie gesund und kreativ! Wir werden das gemeinsam meistern!“, sagt bpt-Präsident Siegfried Moder abschließend.