Dr. Iris Fuchs im Interview mit Vetion.de, geführt von Dr. Julia Henning
Die Blauzungenkrankheit ist zurückgekehrt. Von 2012 bis 2018 war Deutschland zuletzt offiziell frei von der anzeigepflichtigen Viruserkrankung der Wiederkäuer, die insbesondere beim Schaf mit Fieber, Schwellungen am Kopf und der Zunge, geröteten Schleimhäuten und Lahmheit einhergehen kann. Bei Rindern findet man Entzündungen der Schleimhäute im Kopf- und Genitalbereich und an den Zitzen. Übertragen wird die Seuche durch Gnitzen, eine Mückenart. Für den Menschen ist die Krankheit ungefährlich.
Die aktuelle Epidemie startete im Dezember in einem Rinderbetrieb in Baden-Württemberg. Zum Stand 25.4.2019 sind im Jahr 2019 54 Fälle gemeldet. Die Feststellung der Blauzungenkrankheit geht mit amtlichen Sperrzonen und Handelsbeschränkungen einher. In Deutschland sind im April bereits in sechs Bundesländern Restriktionsgebiete eingerichtet, unter anderem in Randbezirken von Bayern.
Es gibt eine Impfung für Wiederkäuer, die dringend empfohlen ist, sagt, Dr. Iris Fuchs. Sie ist Leiterin des Fachbereiches Veterinärwesen und Verbraucherschutz am Landratsamt Bayreuth und Vizepräsidentin der Bundestierärztekammer und Bayerischen Landestierärztekammer. Dr. Fuchs geht davon aus, dass insbesondere bei warmen Wetter und vermehrten Gnitzenflug bald ganz Bayern und möglicherweise auch das gesamte Bundesgebiet von der Blauzungenkrankheit betroffen sein wird. Im Interview mit Dr. Julia Henning spricht sie darüber, wie Halter von Rindern, Schafen und Ziegen ihre Tiere schützen können.
Henning: Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) hat dringend zur Impfung von Rindern, Schafen und Ziegen gegen das Virus der Blauzungenkrankheit mit den Serotypen 4 und 8 geraten. Empfehlen Sie auch die Impfung und wie wird das in Ihrem Landkreisen umgesetzt?
Fuchs: Wir empfehlen unbedingt die Impfung, die zum einen für den Tierschutz und auch für den Handel wichtig ist. Nach dem 30. Juni 2019 geht in Bayern kein ungeimpftes Zucht- und Nutztier mehr aus den Restriktionszonen in andere Betriebe.
Teilweise gibt es bereits eine Problematik der Verfügbarkeit von Impfstoffen. Die praktizierenden Tierärzte und Tierärztinnen in unserem Landkreis wurden jedoch von uns rechtzeitig informiert, dass sie sich auf die Liste der Pharmaindustrie setzten lassen.
Bei uns ist die rechtzeitige Impfung insbesondere für die Betriebe wichtig, die männliche Kälber aus Restriktionszonen in freie Gebiete bringen wollen oder im Sommer reine Weiderinderhaltung betreiben. Solche Betriebe gibt es bei uns noch viele. Sind die Tiere ständig auf der Weide, komme ich nicht mehr an sie ran.
Henning: Gibt es denn noch eine andere Möglichkeit, wie man die Tiere vor einer Infektion schützen kann, wenn der Impfstoff nicht mehr erhältlich ist?
Fuchs: Da es in den letzten Tagen bereits sehr warm war und die Gnitzen schon geflogen sind, haben wir den Landwirten und dem Rinderzuchtverband zu Mückenschutz geraten.
Sollen aus Restriktionsgebieten Wiederkäuer verbracht werden, muss der Nachweis erbracht werden, dass Repellentien angewandt wurden. Es stehen verschiedene Präparate ohne Wartezeit zur Verfügung.
Henning: Bisher sind meines Wissens (Stand April 2019) nur Infektionen beim Rind aufgetreten. Sollen trotzdem auch Schafe und Ziegen geimpft werden?
Fuchs: Bei Schafen ist die Impfung ganz besonders wichtig! Bei ihnen treten vermehrt die klinischen Erscheinungen, wie Schwellungen der Zunge und im Maulbereich auf, die sehr schmerzhaft für die Tiere sind. Zudem hatten wir bei Schafen in den zurückliegenden Jahren eine Sterblichkeitsrate von 30 Prozent im Zusammenhang mit der Blauzungenkrankheit. Hinzu kommen vermehrte Aborte.
Wenn ich mir die Kosten für die Impfung im Vergleich zu den zu erwartenden wirtschaftlichen Verlusten, auch durch die notwendige Behandlung der Sekundärerkrankungen, anschaue, ist die Impfung nicht nur vom Aspekt des Tierschutzes her dringend zu empfehlen!
Henning: Was für Kosten sind es, die auf den Tierhalter zu kommen?
Fuchs: Die Impfung ist freiwillig, das heißt, der Staat bezuschusst die Impfung gegen die Blauzungenkrankheit nicht, was ich bedauere. Bei Rindern gibt die Bayerische Tierseuchenkasse immerhin einen Euro zur Impfung dazu, dafür müssen die Impfdaten in die HI-Tier Datenbank eingetragen werden.
Da die Blauzungenkrankheit eine anzeigenpflichtige Krankheit ist, darf der Tierarzt den Impfstoff nicht abgeben. Die Impfung erfolgt mit Grundimmunisierung und Wiederholungsimpfung. Auf den Tierhalter kommen also die Kosten für den Impfstoff und die Bezahlung des ausführenden Tierarztes zu.
Henning: Für den Rinderhalter sind die Kosten für die Impfung dennoch geringer als im Falle eines Ausbruchs?
Fuchs: Ja, denn ich will ja längerfristig denken. Milcheinbruch und Zitzenerosionen verursachen wirtschaftliche Verluste und Verbringen von Tieren aus Sperrzonen geht nur mit Impfung. Ich kann mit der Impfung auch die mit der Infektion einhergehenden Erkrankungen und somit Behandlungskosten verhindern.
Zudem ist das eine schmerzhafte Geschichte für die betroffenen Tiere und somit bin ich in der Pflicht als Tierhalter, etwas zu unternehmen.
Henning: Als 2006 die Blauzungenkrankheit das erste Mal in Deutschland kursierte, veranlasste der Staat eine sogenannte Pflichtimpfung, die dann auch bezuschusst wurde. Ist der Staat jetzt wieder gefragt?
Fuchs: Pflichtimpfungen schaffen Einheitlichkeit. Aufgrund der guten Impfdecke waren wir in Deutschland von 2012 bis 2018 wieder frei von der Blauzungenkrankheit. Die Wirkung eines guten Impfregimes spiegelt sich auch bei anderen Krankheiten wider, etwa bei der hochkontagiösen Lumpy Skin Disease. Der Balkan hat geimpft und ist nun wieder frei. Solche Beispiele belegen, dass Impfung der wirksamste Schutz überhaupt ist.
Die Ständige Impfkommission Veterinär (StIKo Vet) sowie das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) haben bereits 2016 die Impfempfehlung ausgegeben. Darüber hinaus wird entsprechend dem Tiergesundheitsgesetz seit 2014 auf Prävention gesetzt.
Für mich ist es unverständlich, dass der Staat diese von ihm geforderten Empfehlungen nicht entsprechend vermittelt hat. Das ärgert mich sehr, denn Impfungen sind die erste Wahl bei der Prävention! Hätte man in Frankreich auch entsprechend geimpft, hätten wir nicht jetzt den Ärger. Der Staat sollte daher dringend überlegen, wie er künftig damit umgeht.
Ich persönlich finde es wichtig, dass der Staat hier klare Ansagen macht, insbesondere bei solchen Krankheiten, wo der Einzelne sich nicht allein schützen kann. Zudem möchte die EU ja den globalen Handel fördern.
Henning: Welche Auflagen muss der Landwirt beachten, wenn er seine Tiere trotz Restriktionszone vom Hof verbringen möchte?
Fuchs: Innerhalb eines Restriktionsgebietes kann man Tiere verbringen und schlachten, solange keine klinischen Krankheitssymptome zu erkennen sind und eine entsprechende Tierhaltererklärung ausgefüllt worden ist, die auf dem Schlachtbetrieb abgegeben werden muss.
Der Transport außerhalb der Restriktionsgebiete gestaltet sich schon schwieriger. EU-weit ist dafür unter anderem in der Vektor freien Zeit, die bis 30. Juni 2019 läuft, die Blutuntersuchung nachzuweisen – und die kostet 40 Euro und eine Behandlung gegen Gnitzen.
Ganz wichtig: es sind die jeweiligen speziellen Allgemeinverfügungen der betreffenden Sperrzonen zu beachten.
Informationen finden sich in den allgemeinen Amtsblättern und auf den Homepages der Landratsämter.
Henning: Was möchten Sie abschließend den Tierhaltern noch mit auf den Weg geben?
Fuchs: Ich kann nur an die Tierhalter appellieren, ihre Tiere zu impfen zu lassen. Die Tierärzte stehen parat und haben alles dafür gemacht, den Impfstoff zu bekommen.