Dr. Susan Bandilla hat sich vor knapp fünf Jahren mit einer eigenen Fahrpraxis selbstständig gemacht (Bild: privat)
Die Arbeit als selbstständige Tierärztin auf dem Land - macht Dr. Susan Bandilla sichtlich Freude. Eine wichtige Routineaufgabe: Trächtigkeitsuntersuchungen im Milchviehbetrieb. (Bild: privat)
Rolf Herzel vom bpt empfiehlt Praxispartnerschaften (Bild: bpt)
„Ich habe heute Trächtigkeitsuntersuchungen bei Rindern gemacht, ein Pferd geimpft und eine lahme Kuh akkupunktiert“, erzählt Susan Bandilla fröhlich. Die 39-Jährige ist promovierte Tierärztin in Schleswig-Holstein und hat sich vor knapp fünf Jahren mit ihrer eigenen Praxis selbstständig gemacht. In einem Umkreis von etwa 40 Kilometern fährt sie durch weite Nordseelandschaft zu Deichschäfern und Milchviehbetrieben und wird vor allem von Pferdebesitzern gerufen, wenn diese nach erfolgloser schulmedizinischer Behandlung nicht mehr weiterwissen. In ihrer alten Praxis konnte sie das nicht ausleben: „Die Art zu arbeiten dort hat nicht mehr zu dem gepasst, was ich wollte.“ Bandilla will sich vor allem Zeit nehmen für ihre Kunden. Wenn dann aus einem halbstündigen ein Stundentermin wird, haut ihr niemand auf die Finger.
Immer weniger junge Tierärzte wollen sich selbstständig machen
Fast zwölf Tausend praktisch tätige Tierärzte gibt es in Deutschland, nur ein Drittel davon arbeitet als Selbstständiger in einer eigenen Praxis oder in einer Praxispartnerschaft. Besonders auf dem Land wollen sich immer weniger junge Tierärzte selbstständig machen. Begründet wird dies oft damit, dass man keine Verantwortung übernehmen wolle, das finanzielle Risiko und lange Arbeitszeiten scheue, sagt Dr. Uwe Tiedemann, Vorsitzender der Bundestierärztekammer (BTK). Dabei bestätig eine von Johanna Kersebohm jüngst durchgeführte Studie unter praktischen Tierärzten: Selbstständige sind meist zufriedener und verdienen mehr als angestellte Tierärzte.
Bandilla sagt: „Zwar verdiene ich nicht unbedingt mehr als in Anstellung, aber dafür kann ich meine Freizeit besser nutzen und arbeiten wie ich es will.“ Das ist für sie gerade bei als alternativ betrachteten Heilkonzepten, wie Akkupunktur und Homöopathie, ein wichtiger Punkt. Innerhalb der gesetzlichen Regelungen über die Behandlungsmethode frei entscheiden zu können, das schätzt auch Tierarzt Rolf Herzel an seinem Beruf. Der 54-Jährige hat sich vor 25 Jahren in Bayern selbstständig gemacht, drei Jahre nach seiner Approbation. Er ging den Weg, eine bestehende Praxis zu kaufen und diese nach seinen Wünschen weiterzuentwickeln. Am Anfang lag sein Schwerpunkt in der Behandlung von Rindern, nun erfreut er sich vor allem an der Betreuung von Schweinebeständen und behandelt Kleintiere mit Spezialisierung auf Neuraltherapie und Osteopathie.
Der tierärztliche Berufsstand gehört neben weiteren Heilberufen wie Arzt oder Hebamme sowie Juristen und Journalisten zu den Freien Berufen. Das bringt gewisse Vorteile mit sich, wie etwa eine steuerliche Besserstellung in der Abrechnung der Leistungen (keine Gewerbesteuer) oder die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen dem berufsständigen Versorgungswerk – einer Vorsorgeeinrichtung unabhängig von staatlicher Rente – beizutreten. Zudem sind Freie Berufe eben weitestgehend frei in der Ausübung ihrer Tätigkeit, „ich bin Tierarzt geworden, um Tieren zu helfen“, sagt Bandilla, „und das kann ich in der Selbstständigkeit besser als zuvor“.
Herzel, der im Präsidium des Bundesverbandes der praktizierenden Tierärzte (bpt) tätig ist, gibt jedoch zu bedenken: „Neuere Entwicklungen, wie die geplante Abschaffung des Dispensierrechts, der GOT und die Novelle der TÄHAV schränken den Tierarzt in der Ausübung seines freien Berufes ein.“
Tiedemann: "Die Zukunft liegt in größeren Praxiseinheiten"
Was Susan ganz alltäglich manchmal fehle, sei der direkte Austausch mit Kollegen. Aber auch dafür gibt es eine Lösung, die die Selbstständigkeit nicht ausschließt: Die Praxispartnerschaft, in der mehrere Tierärzte Inhaber einer Praxis sind. Rolf Herzel sieht darin eine große Chance, gerade für Frauen mit Kindern: „Der fachliche Austausch und die Arbeitsaufteilung dabei sind optimal.“ Er ist sich sicher, dass sich die Stärken jedes Einzelnen ergänzen und meint sachlich: „Wenn im nördlichen Zipfel des Praxisgebietes der Besitzer eines Hundes mit Magendrehung anruft und im südlichen Zipfel eine Kuh schwer kalbt, dann kann man das nicht allein.“ Auch Tiedemann von der BTK sagt: „Die Zukunft liegt meines Erachtens in größeren Praxiseinheiten, die verschiedene Spezialisten vereinen.“
Wer sich selbstständig machen möchte, sollte jedoch das Thema Betriebswirtschaft nicht unterschätzen, meint Herzel. Bisher war dies jedoch kaum Bestandteil der tierärztlichen Ausbildung. Seit vergangenem Semester hat der bpt nun an der Tierärztlichen Hochschule Hannover den ersten Wahlpflichtkurs „Ökonomie“ im Curriculum installiert, alle weiteren veterinärmedizinischen Fakultäten in Deutschland sollen folgen. Auch andere Angebote des bpt, wie etwa das Siegel „Ausbildungspraxis“ können junge Tierärzte darin bestärken, sich selbstständig zu machen: „Damit man im Praktikum nicht nur i.v.-Stechen, sondern auch Rechnung schreiben lernt“, sagt Herzel.
Für Susan Bandilla ist das auch eine Frage der Organisation. So versucht sie zum Beispiel, jeden Mittwochnachmittag für Bürotätigkeiten frei zu halten. Dann werden die Rechnungen geschrieben, mit denen sie Ende diesen Jahres bereits ihren ersten Kredit zurückgezahlt haben wird, verkündet sie stolz. Um den damals von der Bank zu bekommen haben ein Businessplan und selbstbewusstes Auftreten dazu gehört – Angst, dass es schief gehen könnte, nicht. Rolf Herzel spricht noch etwas anderes an: „Vor dem Kauf habe ich überlegt, in welche Richtung sich die Region um die Praxis entwickeln wird.“ Er dachte, die Milchviehbetriebe werden zurückgehen, die Schweinebestände wachsen – und so kam es dann auch.Wer diese Vorbereitungen für die Selbstständigkeit nicht allein stemmen will, kann sich etwa auf Gründerseminaren schulen lassen oder eine betriebswirtschaftliche Beratung, die auch der bpt anbietet, wahrnehmen.
Freizeit und Urlaub sind eine Frage der Organisation
Für das tägliche Arbeiten außerdem wichtig: ein guter Umgang mit den Kollegen. Wenn Susan sie etwa zu Weiterbildungsveranstaltungen für Tierärzte kleiner Wiederkäuer fährt, kümmert sich eine befreundete Praxis in Notfällen um ihre Kunden. „Das klappt mit der alten Praxis super“ – und so kann sie mittlerweile auch mal zwei Wochen am Stück wegfahren. „Das habe ich mir zu Beginn meiner Selbstständigkeit nicht getraut. Da bin ich nachts aufgewacht in der Angst, ich hätte einen Anruf verpasst.“ Überhaupt sind ihre Nächte ruhiger geworden: „Zwar ruft in den frühen Morgenstunden schon mal der Bauer wegen einer Milchfieberkuh an, aber wer nicht gerade Kleintiere oder Stutengyn macht, kann im Wesentlichen durchschlafen.“ – Und tagsüber könne sie ihre Termine so legen, wie es ihr gefällt. In Pausenzeiten fährt sie nach Hause auf den Hof und erledigt ihre persönlichen Wege. „Auch das ging in Anstellung nicht.“
Natürlich fährt sie auch mal das ganze Wochenende durch. „Aber dann weiß ich zumindest, wofür ich es gemacht habe – für meinen Geldbeutel und nicht den meines Chefs.“
Dieser Text stammt aus dem neuen Veti-Kalender 2018/2019 - dem Kalender für das Tiermedizinstudium mit vielen wichtigen Fachinformationen und Terminen.
Links / Literatur