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TÄHAV-Novelle: Tierärzteschaft befürchtet weiteren (unsinnigen) nationalen Alleingang

bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder
bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder


5.2.2018

Am 2. Februar 2018 hat der Bundesrat der von tierärztlicher Seite stark umstrittenen TÄHAV-Novelle zugestimmt. Mehr zu den strittigen Punkten finden Sie im nachfolgenden Artikel und in unserem Fokusthema.

31.1.2018

Am 2. Februar 2018 stimmt das Bundesratsplenum über die sogenannte Novelle der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung (TÄHAV- Novelle) ab, die bereits trotz aller Kritik von Seiten der Tierärzteschaft am 18. Januar 2018 den Agrarausschuss des Bundesrates passiert hat. Darin enthalten sind u.a. das Umwidmungsverbot für Fluorchinolone und Cephalosporine der 3./4. Generation sowie die Einführung einer erweiterten Antibiogrammpflicht und eines damit einhergehenden großen Dokumentationsaufwandes für die Tierärzte. Weiterhin enthält die zur Abstimmung stehende Novelle verschiedene Bestimmungen zur Probennahme und Isolierung von Bakterien sowie eine Liste von sogenannten Reserveantibiotika für Deutschland. Außerdem wurde eine dubiose Verpflichtung zur Angabe der Wirktage beim Einsatz von Langzeitantibiotika aufgenommen, obgleich es hierzu weder Hersteller- noch Zulassungsangaben gibt. Entsprechend groß ist die sich aus der TÄHAV ergebende Rechtsunsicherheit für Tierärzte, die dann im Einzelfall wohl erst vor Gericht zu klären sein wird.

Denn sie wissen nicht, was sie tun

„Für die Tierärzte ist die Verabschiedung dieses Entwurfs in mehrerlei Hinsicht ein Supergau“, fasst Dr. Siegfried Moder, Präsident des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte e.V. (bpt) zusammen. Hierbei bezieht er sich vor allem auf die Vorschrift, die Wirktage bei der Verabreichung von sogenannten Langzeitantibiotika angeben zu müssen. „Wir fordern solche verbindlichen Angaben für die zugelassenen Präparate seit Jahren von den Herstellern und den Zulassungsbehörden. Erfolglos. Diese Aussagen ohne Vorgaben zu Indikation, Tierart, Erreger usw. jetzt von den Tierärzten zu fordern, ist ein Unding!“ Zumal der Ärger bei solch einer „Ermessenssache“ mit den Kolleginnen und Kollegen vom Veterinäramt bereits vorprogrammiert ist. Im Falle von Unstimmigkeiten droht dem praktizierenden Tierarzt dann ein Bußgeld, da er eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Ob dies zutrifft und wie hoch solch ein Bußgeld dann ausfällt, wird in Einzelfällen möglicherweise das Gericht klären müssen. Ebenso wie Verstöße bei der Antibiogrammpflicht. Denn auch hier wird sich das Veterinäramt nicht immer der Meinung der praktizierenden Kollegin oder Kollegen anschließen, wenn diese/r auf die Erstellung eines Antibiogramms im Einzelfall beispielsweise verzichtet hat. Sei es, dass die Probenentnahme nur unter Narkose hätte erfolgen können oder schnelles Handeln angesagt war. „Hinzu kommt auch die zusätzliche Belastung der Landwirte und Tierhalter durch die Antibiogrammpflicht. Hier müssen fortan nationale und internationale Standards erfüllt werden. Schnelltests und bisher häufig verwendete Agrardiffusionsplatten entsprechen diesem nicht. Wir rechnen mit zusätzlichen Kosten für den Landwirt oder Tierhalter von 60 bis 80 Euro pro Antibiogramm“, so Moder. Gleichzeitig stellte er klar, dass der bpt grundsätzlich das Erstellen von Antibiogrammen unterstützt, doch sei das ursprünglich beabsichtigte Ziel der TÄHAV- Novellierung, nämlich den sorgsamen Umgang der Tierärzte mit Antibiotika zu stärken und damit der Entstehung von Antibiotikaresistenzen entgegenzuwirken, von der Realität längst überholt worden. Denn eine Antibiotikaminimierung hat inzwischen auch ohne TÄHAV-Novelle stattgefunden, wie an der deutlich reduzierten Antibiotikamengenabgabe zu erkennen ist. Die Menge der in der Veterinärmedizin eingesetzten Antibiotika hat sich von 2011 bis 2016 mehr als halbiert. „Daher hat die TÄHAV in ihrer jetzigen Form für die Verbesserung der Gesundheit von Tieren und Menschen keinen zusätzlichen Nutzen“, so Moder.

Tierärzteschaft fordert ein Vertagen der Entscheidung bis 2019

Trotz deutlich geäußerter Kritik und Bedenken der tierärztlichen Berufsverbände, insbesondere des bpt, sowie der Forderung, den Antrag mindestens sechs Monate zu vertagen, um die einzelnen kritischen Punkte, die für die Praktiker eine große Rechtsunsicherheit mit sich bringen, in Ruhe und mit Vernunft sowie Fachkunde klären zu können, scheint dem noch im Amt befindlichen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) ein neuer nationaler Alleingang sehr wichtig zu sein. Anders ist das Drängen auf eine Verabschiedung der in mehreren Punkten umstrittenen Novelle nicht zu erklären. Zumal im April 2019 auch das Antibiotikaminimierungskonzept laut 16. AMG- Novelle evaluiert und das neue EU- Tierarzneimittelrecht in Kraft treten soll, woraus sich wiederum Änderungen der TÄHAV ergeben könnten, da EU-Vorgaben verpflichtend in nationales Recht umgesetzt werden müssen.

Für Verwirrung sorgt unter den Tierärzten auch die nun wieder aufgekeimte Forderung nach der Überprüfung, ob Rabatte auf Antibiotika zu einer erhöhten Verschreibung führen und deswegen verboten werden sollten. Wurden doch erst im September 2017 die Ergebnisse der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Überprüfung dieser Frage im sogenannten Rabattgutachten veröffentlicht... Demnach gibt es keine Hinweise, dass Rabatte einen Einfluss auf die Menge der verordneten Antibiotika haben. Hingegen zeigen die Erfahrungen in anderen EU- Ländern, dass der Handel mit Antibiotika auf dem Schwarzmarkt nach Abschaffung des Rabattgesetzes deutlich zugenommen hat.

Für weiteren nationalen Alleingang besteht keine Notwendigkeit

Die tierärztlichen Verbände sehen aktuell keine Notwendigkeit, die TÄHAV anzupassen und neue nationale Vorschriften übers Knie zu brechen. „Statt die Beschlussfassung zu vertagen, bis alles Hand und Fuß hat, soll die unausgereifte Verordnung jetzt durch den Bundesrat gepeitscht werden. Das ist nicht nachvollziehbar“, kritisiert Moder. Das Durchpeitschen eines Antrags, zudem ohnehin schon rund 20 Änderungsanträge gestellt wurden, ist umso unverständlicher, da es im Augenblick nur eine geschäftsführende Regierung gibt und sich das Land in allen anderen Fragen in einer ruhenden Phase befindet, in der nach Möglichkeit keine wichtigen Entscheidung getroffen werden.

Dr. Julia Henning
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