„Wir feiern heute im Jahr 2020 den 10. Leipziger Tierärztekongress (LTK) mit 20 Jahren eine Erfolgsgeschichte, die 1998 begann“, resümiert pointiert der ehemalige Kongresspräsident, Prof. Gotthold Gäbel, zur erstaunlich kleinen Feierstunde der größten Fortbildungsveranstaltung der Veterinärmedizin im deutschsprachigen Raum. Bei Kuchen und Sekt in familiärer Runde der „Geburtshelfer“ wurde am Donnerstag, 16.1.20, die Oskar-Röder-Ehrenplakette an den ersten Kongresspräsidenten, Prof. Dr. Jürgen Gropp, verliehen.
Was mit 500 Teilnehmern auf dem Gelände der Veterinärmedizinischen Fakultät Leipzig begann, hat sich mit Beteiligung der sechs ostdeutschen Landestierärztekammern und der Leipziger Messe zu – nach Aussage von Martin Buhl-Wagner, 0Geschäftsführer der Leipziger Messe – gar „einer der führenden Veranstaltungen in Europa“ entwickelt. Mit Blick auf das hauptsächlich „deutsche“ Vortragsprogramm, lässt sich in Frage stellen, ob diese Aussage bereits so umfassend zutrifft. Zumindest auf die angrenzenden Staaten aber in jedem Fall: „Die Veranstaltung hat große Strahlkraft im gesamten deutschsprachigen Raum und ist in Österreich
sehr beliebt“, sagt Kurt Frühwirth, Präsident der Tierärztekammer Österreich, und weiter: „Neben den fachlichen diskutiert der Kongress ebenso die brennenden berufspolitischen Themen unserer Branche – und das ist ein Alleinstellungsmerkmal.“
Erneutes Wachstum in Teilnehmerzahl, Referenten und Ausstellern
Dachte man zum vergangenen Kongress vor zwei Jahren, der LTK sei an seine Grenzen gekommen, schaffte er im Jubiläumsjahr tatsächlich eine weitere Vergrößerung in allen Bereichen:
6.200 Teilnehmer und damit noch einmal 800 mehr als 2018 (wieder im Vorfeld ausverkauft am Donnerstag), 2.000 Quadratmeter mehr Industrieausstellung, mittlerweile 283 Aussteller aus 15 Ländern. Die Referentenzahl entspricht nun der der Teilnehmer zum ersten Kongress. Dementsprechend voll war es in den Vortragssälen.
Für den großen und anhaltenden Erfolg sei eine „visionäre Kraft“ (Prof. Gäbel) und „zahlreiche Helfer“ (Dr. Möckel) verantwortlich. Der Kongress wurde und wird stets zu recht für seine Programmvielfalt und gute Organisation gelobt. Der neue
Kongresspräsident Prof. Uwe Truyen sagte, er sei in der Übernahme des Amtes „weich gefallen“. Beim kurzen geschichtlichen Abriss meinte Hans-Georg Möckel, Ehrenpräsident der Sächsischen Landestierärztekammer, er wünsche sich so eine Aufbruchsstimmung wie damals heute wieder.
Die Tierärzteschaft wird in der Politik nicht gehört
Zum „damals“ konnte man sich weitergehend in einem Jubiläumsband informieren und im Geschichtsblock am Freitagnachmittag
zum Thema „Die Dresdener Tierarzneischule und Sachsens Pferde im 19. Jahrhundert“. Wem das Luxusproblem des Kongresses – „zu viele gute Vorträge parallel“ – anheimgefallen ist, der sei auf die von Prof. Manfred Fürll erstellten Skripte und die kommende Schwesterausstellung in Leipzig verwiesen.
Das „Heute“ wurde unter anderem in der Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag zum Thema „Bitte geraderücken! Das Bild des Tierarztes in der Öffentlichkeit“ abgehandelt. „Immer wieder wird gegen den tierärztlichen Sachverstand entschieden werden“, sagt Dr. Kirsten Tackmann, MdB, Obfrau Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft in der Eröffnungsrede. Sie sagte, dass es auf Gesetzesebene häufig mit dem Bild von der Tierärzteschaft zu tun habe: „Sie macht halt ihre Arbeit, bekommt Geld dafür und
soll möglichst geräuschlos funktionieren. Im Zweifel bekommt sie den Ärger.“ Dementsprechend gab es den Aufruf, laut zu werden, damit Erkenntnislücken ernst genommen werden könnten.
In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde aber auch klar, dass es „das“ Bild des Tierarztes in der Öffentlichkeit nicht gibt.
Die Tierärzteschaft sei divers und verfolge unterschiedliche Ziele. Dieser Umstand mache es schwer, in der Politik gehört zu werden, zudem fehle es an einem „Gesicht der Tierärzteschaft“, so Jörg Held von wir-sind-tierarzt.de. Da sich die externe Kommunikation scheinbar so schwierig gestalte („Wo wollen wir hin?“), sei es umso wichtiger, intern besser und wertschätzender zu kommunizieren, sagte Dr. Thomas Steidl (Landestierärztekammer Bayern).
Das Mindeste, was jeder tun könne, sei Anliegen der Tierärzteschaft täglich gegenüber dem Patientenbesitzer zu kommunizieren: „Darauf haben wir Einfluss“. In dem Zusammenhang kam auch die Frage auf, wie man junge Tierärzte in die Gremien bekommen könnte.Um gehört zu werden, sei es wichtig, neue Techniken der Kommunikation zu nutzen, sagte Journalist Jörg Held. Das falle der Tierärzteschaft oft noch schwer.
Steidl schätzte die Sichtbarkeit der Tierärzte in naher Zukunft dennoch optimistisch ein: „Wenn die Afrikanische Schweinepest kommt, sind wir lange der Erklärbär der Nation.
Wie so oft gab es zudem einen Rundumschlag bekannter veterinärmedizinischer „Reibepunkte“ wie fehlende betriebswirtschaftliche Ausbildung, Feminisierung des Berufsstandes, prekäre Löhne (Publikum: „Wir lieben unseren Beruf, aber nicht die Arbeitsbedingungen“).
vetexpo mit Career Corner und zahlreichen Jubiläen
Einen positiven Rundumschlag konnte man auf 12.000 Quadratmetern Industriemesse vetexpo am Freitag und Samstag erhaschen. Zum Jubiläum des Kongresses gab es auf der vetexpo Bewährtes und Besonderes, darunter die Career Corner – die 1. Jobmesse für Tiermedizin und zahlreichen weitere Jubiläen.
Aufgrund der Fülle der Aussteller und der Anordnung der „großen“ Aussteller an einem Fleck, liefen kleinere Aussteller Gefahr, wenig Laufkundschaft zu erhalten. Der Stand der Veterinärmedizinischen Fakultät Leipzig (VMF) wurde – anders als vor zwei Jahren – nahezu ausschließlich von „PAUL – dem praktischen Ausbildungs- und Lernzentrum“, welches 5-Jähriges Bestehen feierte, und dem Freundeskreis Tiermedizin gestellt.
Zum PAUL-Jubiläum wurde eine Spende in Höhe von 2.000 Euro zum Ausbau der Lern-Stationen von LABOKLIN-Inhaberin Elisabeth Müller an Julia Dittes, die Leiterin von PAUL, überreicht. Müller: „Ich bin überzeugt davon, dass Tierärzte in ihrer Ausbildung hands-on-Aktivitäten brauchen“. LABOKLIN unterstützt das Leipziger Skillslab bereits seit vier Jahren mit der Ausstattung von Laborstationen, u.a. zum Üben hämatologischer Untersuchungen, was auch an diesem Tag auf der Messe neben zahlreichen weiteren Simulatoren (Auskultation, Intubation, Rektalisierung) ausprobiert werden konnte. „Das hätte ich mir in meinem Studium auch gewünscht“, hörte man in diesem Zusammenhang oft von Besuchern des Standes.
VETBewerb von Vetion.de und PAUL
Dem Jubiläum von PAUL schloss sich Vetion.de mit seinem 20-Jährigen an: Gemeinsam wurde ein chirurgischer Naht-„VETBewerb“ am Stand der VMF ausgerichtet, den sowohl Studenten als auch Praktiker und ausgewiesene Chirurgen wie Prof. Dr. Walter Brehm von der VMF wahrnahmen.
Dr. Julia Henning, Geschäftsführerin der Vetion.de GmbH, erklärte dazu: „Wo sonst können Tierärzte in maximal 15 Minuten eine Karriere zum ‚Chef-Chirurg‘ hinlegen und dabei ein Gratis-Jahres-Abo für das neue Digitale OP-Buch von Vetion.de gewinnen?“ Moderiert wurde der VetBewerb am Freitag von Prof. Stephan Neumann (Leiter Kleintierklinik Göttingen) und am Samstag von Thomas Niedenführ (Abteilung Chirurgie Kleintierklinik Leipzig). „Die Chirurgen standen den Teilnehmern auch mit Rat, Tat und nützlichen Tipps zur Seite. Insgesamt hat der VETbewerb 12 Chef- und Assistenz-Chirurgen sowie 24 OP-Famulanten und unzählige
Naht-Profis hervorgebracht, die sich hoffentlich noch lange an ihrer Auszeichnung erfreuen“, so Henning.
Ein der Fakultät nahes Jubiläum feierte der TV-Club: 50 Jahre Club und Fasching mit einem Jubiläumsprogramm am Freitag- und Samstagabend, bei dem alte und aktuelle Elferratsmitglieder gemeinsam auftraten.
Eine „Außenstelle“ der Fakultät gab es zum zweiten Mal im Übergang zwischen LTK und der parallel ablaufenden Messe Partner Pferd im „Forum Pferd“ in Form von Anatomischen Präparaten, Fachvorträgen, zahnmedizinischer Instrumente und Kinderuni zu sehen.
Der 11. Leipziger Tierärztekongress findet vom 20.-22.01.2022 statt.