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Geier für menschliche Gesundheit unerlässlich

26.07.2024

Eine stabile Population von Geiern kann lebensgefährliche Krankheiten verhindern. Das ist das Ergebnis einer umfassenden Studie, die die Umweltökonomen Anant Sudarshan von der University of Warwick (Großbritannien) und Eyal Frank von der University of Chicago (USA) durchgeführt haben. Millionen von Geiern verendeten in den 90er Jahren durch Diclofenac, das die Bauern für ihre Kühe und andere Nutztiere als schmerz- und entzündungshemmendes Mittel eingesetzt hatten. Fraßen Geier später diese Tiere, in denen noch Spuren von Diclofenac waren, zerstörte das ihre Nieren und die Vögel verendeten. Die Zahl der Geier in Indien verringerte sich von etwa 50 Millionen auf heute etwa hunderttausend Exemplare. Die Wissenschaftler konnten am Beispiel Indien belegen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden der Aasfresser und der Häufung von Todesfällen bei Menschen gibt.

100.000 zusätzliche Tote durch Geiersterben allein in Indien

Als Folge des gewaltigen Massensterbens der Geier in Indien ist die Zahl der Todesfälle bei Menschen in den betroffenen Gebieten dramatisch angestiegen. Die beiden Forscher berechneten anhand von Bevölkerungsdaten, dass das Verschwinden der Geier jährlich mehr als 100.000 zusätzliche Tote verursachte. In ihren umfassenden Untersuchungen konnten sie belegen, dass Geier die Verbreitung von Krankheitserregern effektiv unterbinden, da sie außer Knochen nichts von den Kadavern übrig lassen. Straßenhunde und Ratten konnten die massive Abnahme der Geierpopulation nicht kompensieren, da diese bestimmte Teile des Kadavers übriglassen. Zudem hat das größere Futterangebot dazu geführt, dass ihre Population wuchs, und damit auch das Risiko der Tollwutübertragung auf den Menschen. „Die Viehzucht wird ebenfalls zu einer Quelle der Wasserverschmutzung, wenn die Landwirte die toten Tiere selbst entsorgen müssen“, schreiben die beiden Autoren im Fachblatt „American Economic Review“ weiter. Denn die Landwirt:innen entsorgten die zahlreichen Kadaver von Kühen und Rindern oft einfach in Flüssen und Seen, da das Geld für eine andere Form der Entsorgung schlichtweg fehlte.

Erst 2004 wurde der Zusammenhang mit Diclofenac erkannt. Doch trotz des Verbots wird das Medikament von einigen Bauern weiter bei Tieren eingesetzt. Inzwischen kommen in Indien noch neun Geierarten vor, von denen drei Arten heute als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft werden. Nach Angaben von Sudarshan und Frank ist noch nie in der Menschheitsgeschichte eine Vogelart so schnell dezimiert worden. Da auch in vielen Teilen Afrikas bzw. in anderen Regionen zahlreiche Geier durch Diclofenac gefährdet sind, mahnt Sudarshan zu schnellem Handeln.   

Generell regen die beiden Autoren in ihrer Studie an, dass sich die Menschheit entscheiden solle, um welche Tiere sie sich kümmern will. Derzeit würde jede Menge Geld ausgegeben, um besonders süße oder besonders prächtige Tiere zu schützen, so Sudarshan. Dazu gehörten Pandabären oder Tiger. „Wir sagen nicht, dass das schlecht ist, aber wir wollen darauf hinweisen, dass das Wohlergehen des Menschen mit dem anderer Arten in einer Wechselbeziehung steht.“ Es gebe einige Schlüsselarten im Ökosystem, die auch für die Gesundheit und Sicherheit der Menschen besonders zentral seien.

Tagesspiegel