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Kritik an verpflichtendem Praktikum in der Schlachterei wird lauter

Zum Studium der Veterinärmedizin gehört als Pflichtbestandteil auch ein dreiwöchiges Praktikum auf einem Schlachthof. Hier sollen die Studierenden unter anderem lernen, die Tiere bei der Ankunft und beim Abladen am Schlachthof sowie die tierschutzgerechte Tötung zu beurteilen. Die Verpflichtung zu diesem praktischen Ausbildungsteil stößt regelmäßig bei zahlreichen Student:innen auf massive Kritik. So argumentieren aktuell Studierende der FU Berlin, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Schlachtung von Tieren und dem Erhalt deren Gesundheit gäbe und fordern die Streichung des Schlachthofpraktikums aus dem Lehrplan.

Die Kontrolle von Fleisch und das Verzeichnen bereits begangener Verstöße sie kein wirklicher Tierschutz, sagt eine der Berliner Studierenden. Vor der Schlachtung sei das Thema dagegen viel wichtiger. Angebracht wird häufig auch das Argument, dass die Arbeit in einer Schlachterei eine besondere psychische Belastung sei. Viele Studierende würden jedoch weder Fleisch essen, noch hätten sie vor, später in der Tierproduktion zu arbeiten. Warum dann also drei Wochen in einem Schlachthof verbringen?

„Wenn wir uns nicht in Schlachtereien für den Tierschutz einsetzen, tut es dort niemand“, spricht sich ein amtlicher Veterinärmediziner in der Tierschutzüberwachung für diese Arbeit aus. Der Tierarzt betrachtet das Praktikum heute als sinnvoll, zu Studiumszeiten hätte er sich auch gern davor gedrückt.

Der tierärztliche Alltag an sich sei sehr geprägt von psychischen Belastungen. „Es gehört zu dem Berufsfeld dazu, sehr emotionale Zustände auszuhalten“, sagt der Amtstierarzt. Für ihn sei das Praktikum eine gute Vorbereitung gewesen. Kein Bereich der Tiermedizin komme ganz ohne diese Art von Belastung aus: „Die Tierschutzüberwachung muss im Lehrplan bleiben“, fordert er. Und auch die Mehrzahl der Dozent:innen an den Unis in Deutschland ist dafür, dass das Schlachtpraktikum weiter verpflichtend bleibt. Eine frühere Spezialisierung im Studium werde aber durchaus diskutiert, heißt es.

Eine aktuelle Studie der Universität Leipzig in der Ausgabe 11/2023 im Deutschen Tierärzteblatt evaluierte die Erfahrungen von Tiermedizinstudierenden im Schlachthofpraktikum. Psychische Belastungen, wie Überforderung und sexuelle Übergriffe zählten dazu. 74,1 Prozent der Befragten (n=347) hielten das Pflichtpraktikum dennoch für angemessen. Tierarzt und Youtuber Dr. Karim Montasser nimmt die Studienergebnisse zum Anlass, um auf einen offenen Brief an die Universitäten und eine Petition aufmerksam zu machen, in der er die Abschaffung des verpflichtenden Schlachthofpraktikums im Tiermedizinstudium fordert.

Tagesspiegel

Schlachthof in Aschaffenburg wegen Tierschutzverstößen geschlossen

Wegen des Verdachts auf schwerwiegende Tierschutzverstöße ist ein Schlachthof in Aschaffenburg in der vergangenen Woche durch die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) vorübergehend geschlossen worden. „Der KBLV wurde am Montag und Dienstag letzter Woche von einer Tierrechtsorganisation Videomaterial aus dem Schlachthof Aschaffenburg übermittelt. Bei der ersten Sichtung des Materials ergaben sich konkrete Anhaltspunkte für teils schwerwiegende Tierschutzverstöße im Schlachtprozess. Die Auswertung des sehr umfangreichen Gesamtmaterials dauert an“, lautete die Erklärung des Pressesprechers.

Nach einer unangekündigten Betriebskontrolle am vergangenen Mittwoch (19.07.2023) haben die Behörden zudem die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. „Eine Wiederaufnahme der Schlachtung kann erst wieder erfolgen, wenn die durchgehende Einhaltung aller tierschutzrechtlicher Vorgaben durch den Betrieb gewährleistet werden kann“, heißt es von Seiten der Behörde. Laut Angaben einer Tierschutzorganisation seien Tiere in dem Betrieb bei Bewusstsein geschlachtet worden, auch der verbotene Elektroschocker sei zum Einsatz gekommen, wie verstecke Videoaufnahmen zeigen. Bei früheren Kontrollen durch die KBLV, zuletzt im April 2023, seien jedoch keine schwerwiegenden tierschutzrelevanten Verstöße festgestellt worden, so der Sprecher, der intensive Nachforschungen seitens der Behörde versprach.

Im Visier der Untersuchungen steht auch eine amtliche Tierärztin, die den Schlachthofbetreiber mehrfach vor anstehenden Kontrollen durch die zuständige Überwachungsbehörde, die Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV), gewarnt haben soll.

Der Bauernverband appellierte auch an die Verantwortlichen, die notwendigen Schritte zur Wiedereröffnung des Schlachthofes im Sinn regionaler Wirtschaftskreisläufe so schnell wie möglich zu unternehmen. Mit dem Schutz von Nutztieren befasst sich auch die schon traditionelle Tierschutztagung, die am 14. und 15. September 2023 sowohl als Präsenz- als auch als Online-Veranstaltung stattfinden wird. Die Tagung richtet sich an Amtstierärzt:innen und kurativ tätige Tierärzt:innen, sowie an Studierende der Veterinärmedizin und Veterinärreferendar:innen.

Agrarheute 

Aktuelle Probleme des Tierschutzes als Hybridveranstaltung