Schweizer Forschende entdecken mehr als 30 neue Bakterienarten
Durch systematisches Sammeln und Analysieren von Blut- oder Gewebeproben von Patient:innen ist es einem Forscherteam der Universität Basel und des Universitätskrankenhauses Basel gelungen, mehr als 30 neue Bakterienarten zu entdecken. Einige dieser bislang unbekannten Keime assoziieren die Wissenschaftler:innen mit klinisch relevanten Infektionen.
Für rund 60 unbekannte bakterielle Keime, hatte das Team um den Mikrobiologen PD Dr. Daniel Goldenberger mit konventionellen Labormethoden keinen Treffer gefunden. Daher sequenzierten die Forschenden das gesamte Erbgut der Bakterien mit einer Methode, die erst seit wenigen Jahren zur Verfügung steht. Die ermittelten Genomsequenzen glichen sie dann mithilfe eines Online-Tools mit bereits bekannten Bakterienstämmen ab. 35 dieser analysierten Bakterien waren bislang nicht bekannt, 7 Stämme können bakterielle Infektionen verursachen. Der größte Teil der neu identifizierten Arten gehört zu den Gattungen Corynebacterium und Schaalia, beide grampositive Stäbchen. „Viele Arten aus diesen beiden Gattungen finden sich im natürlichen menschlichen Mikrobiom der Haut und der Schleimhäute. Sie werden deswegen häufig unterschätzt und sind wenig erforscht“, erklärt Daniel Goldenberger. Potentiell gefährlich werden die eher unterschätzten Keime, wenn diese in die Blutbahn eindringen.
Einer der neu identifizierten Krankheitserreger stammt aus dem Daumen eines Patienten, der sich nach einem Hundebiss entzündet hatte. Vandammella animalimorsus (Tierbiss-Vandammella), wie er von der kanadische Forschungsgruppe getauft wurde, könnte laut Goldenberger klinisch von Bedeutung sein und müsse im Auge behalten werden.
Die Forschenden sammeln und sequenzieren weiterhin systematisch unbekannte Keime aus Patientenproben. Inzwischen sind bereits zwanzig weitere dazugekommen. „Wir bemerken hier eine große Dynamik, es wird aufgrund der technologischen Fortschritte in der Bakteriologie allgemein viel mehr über neu entdeckte Bakterienarten berichtet", so Daniel Goldenberger. Durch diese Entwicklung wird es in Zukunft immer einfacher werden, Infektionen mit seltenen Erregern richtig zu diagnostizieren und von Anfang an effektiv zu behandeln.
Forschungsprojekt beleuchtet Zusammenhang zwischen Artenvielfalt und Zoonosen
Mehr als 200 Infektionskrankheiten, die von Tieren auf den Menschen und umgekehrt übertragen werden, sind weltweit bekannt. Die zurückgehende Artenvielfalt könnte die Zahl der Zoonosen noch steigen lassen. Um dieses Risiko besser abschätzen zu können, hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Charité-Universitätsmedizin Berlin das Forschungsprojekt „Zoonosis Emergence across Degraded and Restored Forest Ecosystems” (ZOE) ins Leben gerufen.
Die Hauptursachen für das Entstehen von zoonotischen Infektionskrankheiten seien Massentierhaltung sowie der Handel und Verzehr von Wildtieren. Zudem fördere das Eingreifen des Menschen in natürliche Lebensräume von Wildtieren das Entstehen dieser Krankheiten. Unter anderem, weil durch Abholzung oder Städtebau das empfindliche Gleichgewicht des Ökosystems gestört werde.
„Wenn wir in Naturräume eingreifen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Tiere, die mit den neuen Umweltbedingungen besser zurechtkommen, sich stärker vermehren“, erklärt Prof. Jan Felix Drexler, Virologe an der Charité und Leiter des neuen Forschungsvorhabens. „Es gibt Hinweise, dass sich mit ihnen auch ihre Krankheitserreger vermehren, die potenziell für den Menschen gefährlich werden können.“
Die internationalen Forschenden verfolgen mit dem Projekt das Ziel, eine detaillierte Kartierung der Biodiversität in Waldgebieten, in die der Mensch unterschiedlich stark eingegriffen hat, zu erstellen. In den ursprünglichen Wäldern sowie entwaldeten und renaturierten Flächen in Guatemala, Costa Rica, Slowenien und der Slowakei werden dafür Nagetiere, Zecken und Mücken – als häufige Träger zoonotischer Erreger – mittels moderner Sequenziertechniken auf das Vorhandensein verschiedenster Bakterien und Viren getestet. Blutproben, die von in der Nähe lebenden Menschen genommen werden, können außerdem darlegen, wie viele dieser Erreger bereits übertragen worden sind.
„Aus diesen sehr unterschiedlichen Daten werden wir statistische Modelle entwickeln“, sagt Drexler. „Sie sollen Aussagen darüber treffen, wie stark das Risiko zoonotischer Erkrankungen abhängig vom Grad der Landnutzungsänderungen und dem Verlust der Biodiversität steigt. Wir erhoffen uns außerdem Erkenntnisse zur Wirkung von Renaturierungsmaßnahmen. Besonders wichtig ist uns, dieses Wissen den Menschen lokal vor Ort, aber auch der breiten Öffentlichkeit – einschließlich Umweltschutzorganisationen – zugänglich zu machen und gemeinsam Empfehlungen zu entwickeln. So wollen wir dazu beitragen, dass das Risiko von neuen Zoonosen direkt vor Ort erkannt und begrenzt werden kann – als ein Baustein zur Vermeidung künftiger Epidemien.“
Neues Polymer bekämpft zielgenau resistente Bakterien
Ein elektrisch positiv geladenes Molekül mit Namen "AquaMet" kann gezielt und hocheffektiv Bakterien zerstören, indem es die Membran dieser Mikroorganismen dauerhaft beschädigt. Der Einsatz der sogenannten Polymeren ist völlig frei von Nebenwirkungen, da keine anderen Zellen des menschlichen Körpers in Mitleidenschaft gezogen werden. „Sie können zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz beitragen, weil sie mit Hilfe eines Mechanismus wirken, gegen den Bakterien offenbar keine Resistenz entwickeln", so Quentin Michaudel von der Texas A&M University, der "AquaMet" gemeinsam mit seinem Team entwickelt hat. In verschiedenen Test wurde das Molekül gegen die zwei Haupttypen antibiotikaresistenter Bakterien, E. coli und Staphylococcus aureus, eingesetzt und zerstörte diese, ohne menschliche Blutkörperchen zu beschädigen.
„Ein häufiges Problem bei antibakteriellen Polymeren ist die mangelnde Selektivität zwischen Bakterien und menschlichen Zellen beim Angriff auf die Zellmembran. Der Schlüssel liegt darin, die richtige Balance zwischen der wirksamen Hemmung des Bakterienwachstums und der wahllosen Abtötung mehrerer Zelltypen zu finden", sagt Michaudel.
„Ohne wissenschaftlichen Beistand anderer Gruppen hätten wir keinen Erfolg gehabt. Zum Beispiel mussten wir einige Proben an das Letteri-Labor der University of Virginia schicken, um die Länge unserer Polymere zu bestimmen, was den Einsatz eines Instruments erforderte, über das nur wenige Labore im Land verfügen", erklärt der Forscher.
Vetmeduni Wien stellt sich neu auf
Die Veterinärmedizinische Universität Wien hat das Jahr 2024 mit einer neuen Struktur begonnen. Die Zahl der Departments ist von fünf auf vier verringert sowie die bislang mehr als 40 Institute und Plattformen auf insgesamt 13 Zentren verteilt worden. Diese Neuorganisation zielt darauf ab, die Uni für die zukünftigen Herausforderungen in Forschung, Lehre, Klinik und Verwaltung zu wappnen. Die notwendig gewordenen Veränderungen haben ein neues Zentrum für Systemtransformation und Nachhaltigkeit in der Veterinärmedizin mit sich gebracht. Ein wichtiges Signal ist zudem die Tatsache, dass erstmals in der Geschichte der Vetmeduni nicht nur im Rektorat, sondern auch auf Ebene der Departmentleitungen Geschlechterparität herrscht. Unter dem Namen „vetmeduni+“ wurde der Veränderungsprozess im vergangenen Jahr gestartet, in den sich sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter:innen der Vetmeduni einbrachten.
„Vetmeduni+ war ein großes Projekt für unsere Universität, an dem alle Gremien und Organisationseinheiten, wissenschaftliches und nicht-wissenschaftliches Personal, Führungskräfte und Mitarbeiter:innen mit großem Engagement mitgewirkt haben. Ich bin stolz auf das gemeinsam erarbeitete Ergebnis, mit dem wir für unsere Universität voller Zuversicht auf das neue Jahr blicken können. Und ein großer Dank an alle, die sich mit ihrem Wissen und ihrer Zeit aktiv in das Projekt eingebracht haben", lobt Petra Winter die Neuorganisation.
Probleme im Schlachthof Aschaffenburg bereits lange bekannt
Gegen den Schlachthof Aschaffenburg ermittelt aktuell die Staatsanwaltschaft, nachdem Videoaufnahmen der Tierschutzorganisation „Soko Tierschutz“ im vergangenen Sommer Verstöße gegen das Tierschutzgesetz offenbart haben. Nun kam heraus, dass Kontrollbehörden schon seit mindestens fünf Jahren immer wieder Tierschutzverstöße festgestellt haben.
Wie aus einer Anfrage der Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag an die Staatsregierung hervorgeht, entdeckten die kontrollierenden Veterinär:innen bei 11 von 36 Kontrollen Verstöße, unter anderem eine fehlende Absonderung von kranken oder verletzten Tieren, stark verunreinigte bzw. überbelegte Ställe sowie schimmeliges Futter.
„Wir haben es hier nicht mit einem einfachen Schlachthof-Skandal zu tun. Sondern mit einem kriminellen System, bei dem Regelverstöße zum Arbeitsalltag gehören“, erklärt Paul Knoblach, Sprecher für Tierschutz der Landtags-Grünen. „Der Verbraucherschutzminister kann nicht länger so tun, als wüsste er von nichts. Handeln ist angesagt“, mahnt der Grünen-Politiker Knoblach. Die Grünen fordern unter anderem mehr Personal für Kontrollen.
Kürzungen im Agrarbereich teilweise zurückgenommen
Die massiven Proteste der Landwirt:innen in den vergangenen Wochen gegen die Sparpläne der Bundesregierung scheinen gewirkt zu haben. Wie einer aktuellen Meldung des Bundeslandwirtschaftsministeriums zu entnehmen ist, will die Ampel einen Teil ihrer angekündigten Einsparungen im Agrarbereich für 2024 zurücknehmen. So soll es keine Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft geben. Weiterhin sollen die Steuerbegünstigungen beim Agrardiesel nun schrittweise eingespart werden. Im Jahr 2024 erfolgt eine Reduzierung des Entlastungssatzes um 40 Prozent. In den Jahren 2025 und 2026 wird jeweils eine weitere Reduzierung um 30 Prozent erfolgen, so dass für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen keine Subvention mehr erfolgt. Die Rück-Vergütung der im Jahr 2023 verbrauchten Mengen im Jahr 2024 erfolgt unverändert.
„Wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden, die eine überproportionale Belastung der Land- und Forstwirtschaft abwendet. In den letzten Tagen habe ich dazu viele intensive Gespräche geführt, auf die Schlagseite zulasten des Agrarsektors hingewiesen und Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht", erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die Änderung der Pläne und bedanke sich dafür bei Bundeskanzler Olaf Scholz sowie Vizekanzler Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Gleichzeitig kritisierte er, dass es im Rahmen der Proteste der Landwirt:innen aber auch Aktionen gab, die deutlich über das Ziel hinausgeschossen sind und sich in der demokratischen Auseinandersetzung nicht gehörten.
Hunde und Katzen dringend für Blutspenden gesucht
Die Klein- und Heimtierklinik der FU Berlin schlägt Alarm. Es werden dringend Hunde und Katzen für Blutspenden gesucht. Im seit mehr als 26 Jahren bestehenden Blutspendedienst der Berliner Tierklinik werden jährlich ca. 40 Liter gespendet. Doch diese Menge reicht hinten und vorne nicht aus, um den Bedarf zu decken. „Wir brauchen dringend Blutspenden, aber momentan ist es schwierig“, sagt Direktorin Barbara Kohn. „Viele Besitzer sind zu beschäftigt oder wissen gar nicht, dass es Tierblutspenden gibt.“
Wie beim Menschen wird vor der Blutspende das Allgemeinbefinden des Tieres untersucht sowie Blut entnommen, um die Laborwerte zu prüfen und die Blutgruppe zu bestimmen. Bei Katzen sind mindestens vier, bei Hunden rund zwölf Blutgruppen bekannt. Erst dann folgt die eigentliche Blutspende. Für diese werden Hunde leicht fixiert und auf der Seite oder in Brust-Bauch-Lage platziert. Das Blut (10 ml Blut je Kilogramm Körpergewicht) wird an der Halsvene abgenommen, was ungefähr 5-10 Minuten in Anspruch nimmt. Da Katzen diese Prozedur nur in den seltensten Fälle freiwillig über sich ergehen lassen, müssen diese eine Beruhigungsspritze erhalten. Auch hier wird das Blut an der Halsvene abgenommen (7 ml Blut je Kilogramm Körpergewicht). „Wir sind jedem dankbar, der mit seinem Tier zum Blutspenden kommt“, betont Kohn.
Ameisen behandeln Infektionen mit selbst produzierten Antibiotika
Die südlich der afrikanischen Sahara vorkommenden Matabele-Ameisen können infizierte Wunden erkennen und behandeln diese gezielt mit körpereigenen Antibiotika. Zu diesem Ergebnis kam ein Forscherteam um Erik Frank von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg.
Diese Fähigkeit entwickelten die Ameisen der Art Megaponera analis, da sie bei Beutezügen auf Termiten durch deren kräftige Beißzangen häufig verletzt werden. In die Wunden eindringende Bakterien führen nicht selten zum Tod der verletzten Matabele-Ameisen. Die Forschenden fanden heraus, dass die Ameisen eine Art antibiotische Salbe benutzen, die sie mit ihren Vorderbeinen aus zwei als Metathorakaldrüsen bezeichneten Öffnungen an ihrem Körper kratzen. Mit diesem Sekret, das 112 Komponenten enthält, behandeln die Ameisen die infizierten Wunden ihrer Artgenossen. Die Sterblichkeit infizierter Individuen wird so um 90 Prozent verringert, wie die Forschungsgruppe herausgefunden hat.
Weitere Analysen des Teams legen dar, dass die Ameisen infizierte Wunden buchstäblich riechen können. „Chemische Analysen in Kooperation mit JMU-Professor Thomas Schmitt haben ergeben, dass sich als Folge einer Wundinfektion das Kohlenwasserstoffprofil des Ameisenpanzers spezifisch verändert“, so Erik Frank. Genau diese Veränderung können die Ameisen erkennen und so den Infektionszustand verletzter Kampfgefährtinnen diagnostizieren.
Diese Ergebnisse hätten eine besondere „medizinische Bedeutung, da der primäre Erreger in Ameisenwunden, Pseudomonas aeruginosa, auch eine der Hauptursachen für Infektionen beim Menschen ist, wobei mehrere Bakterienstämme gegen Antibiotika resistent sind“, erklärt Professor Laurent Keller von der Universität Lausanne, der die Studie zusammen mit dem Würzburger Forscher leitete. Als nächsten Schritt plant Keller, die von den Matabele-Ameisen verwendeten Antibiotika in Kooperation mit Arbeitsgruppen der Chemie zu identifizieren und zu analysieren. Womöglich kommen dabei neue Antibiotika ans Licht, die vielleicht auch beim Menschen anwendbar sind.
Um Antibiotika und die wachsende Zahl von Resistenzen bei Nutztieren und Menschen geht es auch bei VetMAB.de.
Frankreich intensiviert Kampf gegen die ASP
Mit einem überarbeiteten Aktionsplan wird Frankreich den Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest (ASP) verstärken. Zu den Schutzmaßnahmen gehören verbindliche Audits, mehr staatliche Kontrollen und eine Kommunikationskampagne sowie die Sensibilisierung der Zollverwaltung und die Reduzierung des Schwarzwildbestandes. Ziel des Landwirtschaftsministeriums ist es auch, die Biosicherheit in schweinehaltenden Betrieben zu erhöhen, um einer weiteren Ausbreitung der Tierseuche entgegenzuwirken, wie die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) berichtet.
Seit 2024 sind Audits verpflichtend, denen eine entsprechende Branchenvereinbarung zu Grunde liegt. Die Schweinehalter:innen sollen im Rahmen einer Kommunikationskampagne über die genauen Details informiert werden. Die Ergebnisse der Audits sollen unter anderem den zuständigen Tierärzt:innen zugänglich gemacht werden.
Um das Risiko der ASP-Ausbreitung zu verringern, sollen auch die staatlichen Kontrollen in den Betrieben intensiviert werden. Zudem ist geplant, die Schweinehalter:innen in Frankreich durch landesweite Anlaufstellen bei der Umsetzung von Biosicherheitsmaßnahmen zu unterstützen.
Auch in 2024 bietet Myvetlearn.de Tierärztinnen und Tierärzten die E-Learningreihe Biosicherheit in der tierärztlichen Bestandsbetreuung als Online-Fortbildung an. In Kurs 4 geht Dr. Harlizius (u.a. FTA für Schweine, Mitglied im BTK-Ausschuss für Schweine) auf Maßnahmen und Hinweise zur Biosicherheit in Schweinebeständen ein.
Doppelt so viele Vogelarten ausgerottet als bislang angenommen
Die weltweite Ansiedlung des Menschen hat dazu geführt, dass seit dem Spätpleistozän vor etwa 130.000 Jahren mehr als 1.400 Vogelarten ausgerottet wurden. Das ergab eine Studie unter der Beteiligung der Universität Bayreuth. Die Ursachen für das größte, vom Menschen verursachte Wirbeltiersterben der Geschichte sind unter anderem Abholzung, Überjagung sowie die Einführung invasiver Arten auf Inseln wie den Kanaren, Tonga oder den Azoren. Diese und andere Inseln weltweit waren in früheren Zeiten Hotspots der Evolution mit einzigartiger, unberührter Natur.
Mit Hilfe von statistischen Modellen konnten die Forschenden das wahre Ausmaß der Ausrottung belegen. „Bisher wussten wir aus Beobachtungen und Fossilien, dass durch den Menschen 640 Vogelarten ausgestorben sind - 90 Prozent davon auf Inseln“, sagt Prof. Dr. Manuel Steinbauer, Ökologe an der Bayreuther Uni. „Aufgrund der Modellergebnisse schätzen wir jedoch, dass die tatsächliche Zahl etwas mehr als doppelt so hoch ist.“ Die Wissenschaftler:innen gehen von 1.430 ausgestorbene Arten aus, was etwa 11 % aller Vogelarten entspricht, so dass heute nur noch knapp 11.000 übrig sind.
„Unsere Studie zeigt, dass der Einfluss des Menschen auf die Vogelvielfalt weitaus größer war als bisher angenommen. Der Mensch hat die Vogelpopulationen durch die Zerstörung von Lebensräumen, Raubbau und die Einführung von Ratten, Schweinen und Hunden, die die Nester der Vögel überfielen und mit ihnen um Nahrung konkurrierten, rasch zerstört. Wir zeigen, dass viele Arten vor der schriftlichen Aufzeichnung ausgestorben sind und keine Spuren hinterlassen haben, also aus der Naturgeschichte getilgt sind“, erklärt Dr. Rob Cooke, Studienleiter und ökologischer Modellierer am UK Centre for Ecology & Hydrology.
In den kommenden hundert Jahren könnten bis zu 700 weitere Vogelarten verloren gehen, wie Daten der International Union for Conservation of Nature (IUCN) darlegen. Das kann fatale Auswirkungen haben: „Ein Aussterben hat immer auch Auswirkungen auf das ganze Ökosystem“, erklärt Steinbauer. Viele Arten haben Schlüsselfunktionen, bei Vögeln etwa die Verbreitung von Samen, die Kontrolle von Insektenpopulationen oder die Bestäubung von Pflanzen.